Kaum zu glauben, aber in den 80er Jahren kauften wir uns teilweise Schallplatten vom mühsam ersparten Taschengeld aufgrund von Plattenbespre...

The The - Ensoulment


Kaum zu glauben, aber in den 80er Jahren kauften wir uns teilweise Schallplatten vom mühsam ersparten Taschengeld aufgrund von Plattenbesprechungen in Musikzeitungen, ohne vorher einen Song daraus gehört zu haben. Oder die Band/den Künstler überhaupt zu kennen.
Denn das Internet war noch nicht erfunden, Nischensendungen für Indiemusik waren höchst rar gesät und lediglich solche über die UK Charts halfen ein wenig weiter und auch der Fokus der TV-Sendung „Formel Eins“ war meistens ein anderer. 

Häufig war es so, dass mein Freund Volker die eine und ich eine andere Platte kauften, so dass man sich das fehlende Gegenstück dann zumindest auf Kassette aufnehmen konnte. So landete beispielsweise 1986 „The Queen Is Dead“ in seinem und „Infected“ (damals, wenn ich mich richtig erinnere, Platte des Monats im Musikexpress) in meinem Plattenschrank. Auch wenn meine Begeisterung für The The nicht das smithsche Ausmaß erreichen sollte, kaufte ich mir doch im Nachgang noch deren Debüt „Soul Mining“ von 1983 sowie den Nachfolger „Mind Bomb“ (1989), der neben dem Hit „The Beat(en) Generation“ auch noch Johnny Marr und Sineád O’Connor an Bord hatte. Mit diesem Album begann auch der kurzfristige kommerzielle Erfolg der Band von Matt Johnson. Platz 4 im Vereinigten Königreich und eine Top 30-Platzierung in Deutschland sorgten dafür, dass The The tatsächlich 1990 als Headliner fürs Bizarre Festival gebucht wurden. Etwas überraschend, denn einerseits spielten die Ramones vor ihnen und nahmen im Vorjahr noch The Cure den Platz als Hauptact ein. Es sollte mein einziges Konzert von The The bleiben (und tatsächlich lockten mich eher Phillip Boa & The Voodooclub und Ride auf die Loreley) und als sich die Band für ihr nächstes Album „Dusk“ (1993; #2 im UK) dem Alternative Rock zuwendete und später auch dem Blues Rock öffnen sollte, erlosch mein Interesse ziemlich. So sind mir „Hanky Panky“ (1995) und „NakedSelf“ (2000), die beiden letzten regulären Alben von The The - mit Ausnahme einiger Soundtrack-Ausflüge von Matt Johnson - bis zum heutigen Tage unbekannt.

Nun gibt es ein neues Album von The The - nach fast einem Vierteljahrhundert!

„Ensoulment“ bietet 12 Songs im bewährten Themenspektrum (Liebe & Sex, Krieg & Politik, Leben & Tod), die in Johnsons Studio Cinéola in London ersonnen und später in Peter Gabriels Real World Studios in der Nähe von Bath aufgenommen wurden. Als Co-Produzent fungierte Warne Livesey (House Of Love, Whipping Boy, Deacon Blue, Midnight Oil), der auch schon in „Infected“ und „Mind Bomb“ involviert war. In deren Tradition ist auch „Ensoulment“ zu sehen und dazu passt auch, dass das Artwork wieder einmal von Matt Johnsons Bruder Andy stammt. Johnson rockt weniger als früher, raunt und spricht dafür mehr, hat keinen „Hit“ wie „This Is the Day“ oder „The Beat(en) Generation“ im Angebot, kann aber dennoch auf Albumlänge überzeugen. 

The The in Deutschland:
17.09.24 Berlin, Huxleys
18.09.24 Köln, Carlswerk Victoria


 


Dieser Bariton! Die Stimme klingt auf dem ersten Album seit 24 (!) Jahren immer noch frisch und klar. Die Euphorie und die Leichtigkeit des Debüts, „Soul Mining“, jedoch haben sich verloren, nur der „Soul“ ist geblieben. Schon in den späten Achtzigern fand Johnson die Welt beklemmend. Nun ist das Undenkbare Realität geworden.
Co-Produzent Warne Live­sey belässt ihn in der Finsternis, selbst die Pianopassagen verheißen oft Bedrohung. Mit eindringlichem Sprechgesang weiß Johnson uns aber immer noch in seinen Bann zu ziehen. Die Welt wäre ärmer ohne diese Stimme.


Seine Stimme ist gereift wie ein guter Whisky, die Backgroundsängerinnen besprenkeln wie eh und je jeden Refrain mit Glanz. Und nach wie vor spiegelt er den Zeitgeist in seinen Texten. Hieß es im Zuge der AIDS-Krise auf INFECTED (1986) „Infect me with your love“, singt er nun in „Zen & The Art Of Dating“: „Swipe to the left, swipe to the right, she needs somebody tonight.“


 


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