Wenn jemand mit einem Metascore von 84/100 Punkten nicht zufrieden ist, dann handelt es sich vermutlich um Tamara Lindemann, den kreativen Kopf hinter The Weather Station. Unter diesem Namen wurden mittlerweile sieben Alben veröffentlicht, von denen die Kritiker nur so schwärmten: „Ignorance“, das 2021 über Fat Possum veröffentlicht wurde, Lindemann über den Status eines Geheimtipps hinaus bekannt und sogar in die UK Charts führte, überragt die restlichen (alle mit mindestens 84 Punkten bedachten) Alben bei Metacritic mit einem Wert von 89/100.
Tamara Lindemann (Gesang, Piano, Synthesizer), welche die Songs komponierte und gemeinsam mit Marcus Paquin (Arcade Fire, The National) auch produzierte, arbeitete auf „Humanhood“ mit Ben Whiteley (Bass), Kieran Adams (Schlagzeug), Philippe Melanson (Schlagzeug, Percussion), Ben Boye (Synthesizer, Piano) und Karen Ng (Saxofon, Klarinette, Flöte) zusammen. Als sechsköpfige Band wurden die 13 Songs (inklusive 4 instrumentalen Miniaturen) des Albums in zwei Sessions Ende 2023 live improvisiert und dadurch in Form, Arrangement, Stimmung und Gefühl entschieden geprägt. Man kann diesem Setting bereits entnehmen, dass The Weather Station ihren intimen, luftigen Folk auf „Humanhood“ in deutlich jazzigere und experimentelle Gefilde trieben.
„Humanhood“ ist als CD und LP (black Vinyl, Ghost Vinyl, blue Eco-Mix Vinyl, red Eco-Mix Vinyl, graphite Eco-Mix Vinyl) über Fat Possum erschienen.
»Humanhood« ist also ein Selbstheilungsalbum, das immer wieder in dahingleitenden, scheinbar flüchtigen Klavier-Arrangements nach Erhabenheit, Klang-Perfektion und Transzendenz sucht. Zunächst noch als entfremdeter Zombie und lebendiger Automat in der digitalisierten Kunstwelt der Popsong-ähnlichen »Neon Signs« und »Mirror«, später offener, tastender, experimenteller, schwebender in »Body Moves«, »Ribbon« und »Fleuve«.
In den Hintergrund der voluminösen und orchestralen Wohlklang-Wucht mischt Lindemans Band eine Vielzahl elektronischer, irritierender Störgeräusche wie einen posttraumatischen Tinnitus. Mal ist es ein mechanisches Schaben in »Window«, mal ein schnarrendes, lauter und leiser werdendes Drone-Geräusch in »Irreversible Damage« – das ohnehin nur aus Fetzen von Therapiegesprächen zu Free Jazz besteht.
Pop- oder Rockmusik ist »Humanhood« an dieser Stelle schon lange nicht mehr. Aber diese Art der Losgelöstheit ist ausnahmsweise okay.
Ein zweiter Versuch für Claire Cottrill bei Platten vor Gericht. Der von Jack Antonoff produzierte Vorgänger „Sling“ war hier vor drei Jahren hochgelobt (84/100 Punkte bei Metacritic) bei 6,5 Punkten und auf Rang 185 gestrandet.
Das insgesamt dritte Album von Clairo erhält nun nicht nur von Kritikern (der Metascore beträgt 81/100) sondern auch von Fans Anerkennung: Platz 8 in den US-Charts, Platz 4 in Australien und Platz 13 im Vereinigten Königreich für das selbst veröffentlichte „Charm“.
Das Album wurde in New York live auf analogem Band aufgenommen und von Claire Cottrill zusammen mit Leon Michels, der zuvor für Jazz- und Soul-Künstler wie Norah Jones , Sharon Jones & the Dap-Kings und Liam Bailey gearbeitet hatte, produziert. Der Pressemitteilung, dass die 11 Songs eine „collection of warm, '70s-inspired grooves that move lithely between jazz, psychedelic folk and soul“ seien, ist wirklich nichts hinzuzufügen.
Kann Clairo mit „Charm“ die Plattenrichter diesmal verzaubern?
Auch, wenn die Gesten groß sind; die Songs besitzen immer eine gewisse Verschrobenheit. Es ist nicht so, dass das bei Clairo, die eigentlich Claire Elizabeth Cottrill heißt, früher anders gewesen wäre. Und doch hat man den Eindruck, dass im Vergleich zum 2021 erschienenen, von Jack Antonoff produzierten Vorgängeralbum SLING unvorsehbarer agiert wird.
„Echo“ etwa wirkt barock; halb Chamber-Pop, halb Folk, während „Second Nature“ mit seinen Da-Da-Da-Vocals beinahe Easy Listening ist, wohlgemerkt mit dem richtigen Groove. „Thank You“ heißt einer der Songs, Clairo, die hier singt wie Elliott Smith, bedankt sich darin begleitet von allerhand Tasteninstrumenten für unsere Zeit. Wir haben zu danken.
Postpunk und Post-Rock. Hauptsache irgendetwas mit Post- davor. Vielleicht noch Post-Jazz und Post-Klezmer, denn Black Country, New Road packen in ihre bis zu 10-minütigen Songs gleich mehrere Musikstile. Post-Singleformat sozusagen.
Das hoch gehandelte und gelobte Septett ging aus einer Band hervor, die sich 2017 gegründet hatte. Nach mehreren Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe trennte man sich jedoch vom Sänger und benannte sich um. Für diese Post-Nervous Conditions und Post-Singer-Phase mussten also ein neuer Bandnamen und ein neuer Frontmann her. Bei Erstem half der Zufallsgenerator von Wikipedia der den Artikel über eine Straße, die durch Englands West Midlands führt, ausspuckte, bei Letztem sprang der Gitarrist Isaac Wood ein, der mangels einer schönen Singstimme seine Texte dramatisch exklamiert.
Das Debütalbum, welches nur aus 6 Songs besteht, die aber über 40 Minuten laufen, fährt hervorragende Kritiken ein (Metacritic: 83/100) und man darf sich sicher sein, dass „For The First Time“ in zahlreichen Bestenlisten auftauchen wird und dass man auch nach dem Rummel um die Band - Post-Hype sozusagen - noch von Black Country, New Road hören wird.
Das Album mag nur sechs Songs beinhalten, die aber gerne an der zweistelligen Minutenzahl kratzen und neue Versionen der bekannten Tracks mitbringen, klingt aber zu jeder Zeit so, als stehe man inmitten Dutzender anderer Menschen vor einer Bühne, um Isaac Wood dabei zuzuhören, wie er als einer der momentan spannendsten Texter Middle-Class-Depression, Popkultur-Arroganz und Gen-Z-Dekonstruktion in sein leidendes Sprechsingen legt.
Die Songs sind zu gleichen Teilen Shit-Posts und messerscharfes Generationen-Porträt, verstecken sich mal hinter beißender Ironie, nur um dann aufzureißen, wenn es weh tun darf. Dabei flirren die Saxofone und Violinen in den Songs umher, die nie da enden, wo sie begonnen haben. Sie lassen Raum für dramatische Pausen, geben sich wie in „Opus“ aber auch dem Exzess hin. Bis wir wieder vor eine Bühne dürfen, ist das nicht nur „the next best thing“, sondern sogar „the next BIG thing“.
Auf dem ersten Track des Debütalbums »Instrumental« spielt die Band sich nach einem kurzen Schlagzeugsolo zügig mit Klezmer schwindelig, zunächst angeführt von der Geigerin Georgia Ellery, bald unterstützt von Lewis Evans am Saxofon. Der Rock? Der kommt auch noch dazu, aber er bleibt nicht lange, er bleibt nie lange bei Black Country, New Road.
Melodische Gitarrenakkorde, gestoppt von einer Free-Jazz-Wand, überschwängliche Folklore, die von Lärm zermahlen wird – die Band hat viele Ideen, nur eine davon würde mancher Band für einen ganzen Song reichen. Black Country, New Road aber packen in einen Track, was ihnen einfällt, und wenn er dann fast zehn Minuten dauert: muss eben alles mit. Für die nächste Nummer wird es schon genug neue Ideen geben.
„I wanna be free“, spricht Iggy Pop wiederholt im Opener und Titeltrack seines achtzehnten Studioalbums „Free“ und im Kopf ergänzt man mit „… to do what we wanna do, and we wanna get loaded, and we wanna have a good time, that’s what we're gonna do“ fast automatisch das auf dem Song „Loaded“ (Primal Scream) gesampelte Zitat aus „The Wild Angels“.
Nach seinem in den Charts erfolgreichsten Album seiner Karriere („Post Pop Depression“, erreichte vor 3 Jahren Platz 17 in den USA und toppte damit „The Idiot“ (1977, #72) und Rang 5 in UK (Rekordhalter war zuvor „Lust For Life“ (1977) mit #28)) und im Alter von 72 Jahren nimmt sich Iggy Pop alle Freiheiten: vom frühen Iggy Pop („Loves Missing“) bis zum späten David Bowie („Sonali“), von Jazz mit dem Trompeter Leron Thomas („Glow In The Dark“) bis zu zwei Spoken Word Beiträgen („We Are The People“ und „Do Not Go Gentle Into That Good Night“) mit Texten von Lou Reed und Dylan Thomas zu Ambient-Klängen reicht das Spektrum dieser 10 Tracks in schlanken 34 Minuten.
„Free“ ist am 6. September als CD und LP veröffentlicht worden. Die limitierte Auflage der Schallplatte kommt als „sea blue Vinyl“ daher.
Von Online-Pornos erzählt Iggy, „trying to infiltrate desires that are not my desires“, und von einem weiblichen James Bond. „Loves Missing“ klingt am ehesten wie business as usual, es gibt einen Beat und verlorene Gitarren, es könnte ein Hit werden, ein kleiner, schiefer, dessen Riffs (von Weitem) fast von Josh Homme, Pops Partner auf „Post Punk Depression“ (2016), eingespielt sein könnten. (…) So sind die strukturfreien, poetischen, dunklen Stücke/Gedichte allesamt Hits, auf diesem ungewöhnlichsten aller Rock-and-Roll-Hall-of-Fame-Mitglieder-Alben. Iggy ist wirklich „Free“. Dass sich nach dem Hören ein ähnliches Gefühl im Bauch einfindet wie nach einem von Jack Kerouacs Beat-Poetry-Alben, ist wunderbar. (Rolling Stone)
Iggy Pops Fragen lauten stattdessen: Steht irgendwo im Salon ein Blumenkübel, in den ich noch nicht gepinkelt habe? Gibt es im Museum eine teure neue Skulptur, die ich mit dem Hintern umstoßen kann? Und läuft hier vielleicht noch ein Anzugträger herum, der an seine kunstbeflissene Armseligkeit erinnert werden muss? Free findet darauf Antworten, die es nicht bis auf den Grabstein von Iggy Pop schaffen werden. Es ist ein kurzes und vergleichsweise kleines Album, und das darauf bekundete Interesse an Ambient und Jazz erscheint weniger aufrecht empfunden als zuvor der abgewetzte Lederjackensound von Post Pop Depression. Wer glaubt, dass es deshalb auch weniger bedeutsam sei, hat jedoch weder Iggy noch Pop verstanden. Erst als Einzelkämpfer, der oberhalb seiner eigentlichen Gewichtsklasse boxt, läuft der Künstler zur Höchstform auf. In der Beschäftigung mit dem Schmuddeligen, Geschmacksverirrten und potenziell Blutigen stößt er vor bis an die Grenzen der von ihm gewählten und gelebten Kunstform. (Zeit)
Häufig belade ich meinen mobilen Musikplayer mit einigen neuen Alben zur gleichen Zeit. Dann habe ich einigermaßen im Kopf, was neu darauf ist und wenn die Alben ineinander übergehen, kann ich die Songs den Künstlern zuordnen. Richtig schwer fiel mir das mitEdward Sharpe & The Magnetic Zeros' neuem Album. Deren Opener "Hot coals" passt so gar nicht in die Indiefolk-Ecke, in der ich die Band aus Los Angeles verortete. Auch Anflüge von Kammerpop und Jazz überraschten mich... positiv.
Aus dem Indiefolk-Rahmen fallen ganz klar die beiden längsten Titel "Hot coals" und "Wake up the sun". Diese und das meinen Erwartungen an die Band entsprechende "The ballad of Yaya" gefallen mir besonders gut. Daher gilt für dieses Album: Je länger der Song, desto besser. "Persona" ist eine sehr inhomogene Platte, aber gerade das macht es für mich wesentlich spannender als das Indiefolk-Werk, welches ich erwartet hatte. Dazu trägt sicher auch der Crooner-Titel "Perfect time" bei. Irgendwie klingt "Persona", also ob sich jeder der aktuell zehn Musiker der Band darauf individuell verewigen durfte. Acht der zehn Songs entstanden in freien Studio-Sessions unter Mitwirkung aller Mitglieder.
2007 gegründet lieferte die Band um Alex Ebert mit ihrem Debüt den Hit "Home". Bei allen weiteren Alben suchte ich den Nachfolger. Mit ihrem vierten Album hat sich Edward Sharpe & The Magnetic Zeros zumindest bei mir von diesem Fluch befreit. "Persona" ist ein überraschendes und eigenständiges Album. Wie schreibt so schön der A. V. Club unter der Überschrift "Edward Sharpe And The Magnetic Zeros shift from sing-alongs to substance":
Generally, however, PersonA is a deviation for the group, and there are a few ways to process it. Skeptics who have already written the band off may dismiss the new methods as artificial, which isn’t that hard to do, given how much of the group’s history feels contrived. But, to an impartial ear, the record doesn’t sound like a collective of falsely enthusiastic neo-hippies; rather, it sounds like a collective of talented, unhampered musicians, and it deserves recognition as such.
Zwei Hinweise gab es auf eine Veränderung: Das war zum einen der Weggang des Sängers Jade Castrinos. Und dann ist da noch das Cover, welches einige Interpretationen zulässt. Egal was der Anlass war, ich begrüße das Ergebnis.
1. David Bowie eröffnet das Musikjahr 2016 mit seinem 25. Album, das den Titel "Blackstar" trägt oder wie folgt stilisiert wird: ★
2. Wie vor drei Jahren bei "The Next Day" beschenkt Bowie sich selbst und seine Fans zu seinem Geburtstag: "Blackstar" erscheint am 08. Januar, an dem der Künstler 69 Jahre alt wird.
3. "Blackstar" wird als CD, LP und Download erhältlich sein, 7 Titel beinhalten, die knapp 41 Minuten laufen, und als Bonus die Möglichkeit des Downloads des "Blackstar"-Videos haben.
4. Der Titelsong wurde samt Video bereits am 20. November veröffentlicht. Ursprünglich war der Song über elf Minuten lang, wurde aber von Bowie und Tony Visconti (wegen iTunes!) auf 9:57 Minuten gekürzt. Dadurch erreicht er hinter "Station To Station" nur Platz 2 in der Liste der längsten Bowie-Songs.
5. "Blackstar" leitet jede der sechs Folgen der TV-Serie "The Last Panthers" ein, die ab dem 12. Novemeber bei Sky Atlantik ausgestrahlt wurde. Dazu Johan Renck, Regisseur der Serie und des surrealen Musikvideos: "The piece of music he laid before us embodied every aspect of our characters and the series itself: dark, brooding, beautiful and sentimental (in the best possible incarnation of this word). All along, the man inspired and intrigued me and as the process passed, I was overwhelmed with his generosity. I still can’t fathom what actually happened".
6. Als zweite Single wurde "Lazarus" ausgewählt und am 17. Dezember veröffentlicht. Im Gegensatz zu "Where Are We Now?", der ersten Single aus "The Next Day" (2013), die Platz 6 der britischen Charts erreichen konnte, verfehlten diese zwei Singles jedoch die Charts. "Lazarus" erklingt auch im gleichnamigen Theaterstück, das seit dem 7. Dezember in New York läuft und die Fortsetzung von "Der Mann, der vom Himmel fiel" ist. Die drei anderen neuen, extra für die Bühnenaufführung komponierten Songs, sind auf "Blackstar" nicht zu finden.
Lead single ‘Blackstar’, with its doomy elegance, multiple narrators and whiff of the occult, gives you a reasonable idea of what to expect – ie, the unexpected. 2014 oddity ‘Sue (Or In A Season Of Crime)’ reappears in radically reworked form, its big band melodrama now welded to a frantic, drum’n’bassy rhythm, its cacophonous climax reflecting the lyric’s murderous intent. ‘Lazarus’ is sung from the perspective of Newton, the homesick alien Bowie played in 1976 film ‘The Man Who Fell To Earth’, and who is also the subject of his new musical. Over a thick, skulking groove resembling latter-day Massive Attack, he inhabits the woes of a man out of time, scarred and self-mutilated.
But the most startling thing here is ‘Girl Loves Me’, a menacing, militaristic tattoo that that finds Bowie rapping “Where the fuck did Monday go?” in a lazily aggressive, sing-song style. Producer Tony Visconti has cited Kendrick Lamar’s ‘To Pimp A Butterfly’ as an influence on ‘Blackstar’, but is it possible that Bowie’s been listening to Young Thug and Future too?
(...) Is ‘Blackstar’ vintage Bowie? No, but nor is that the intention. Actually, one of the few certainties we can take from this restless, relentlessly intriguing album is that David Bowie is positively allergic to the idea of heritage rock.
7. Es befindet sich noch zwei weitere bekannter Song auf dem Album: "Sue (Or In A Season Of Crime)" war in Zusammenarbeit mit dem Maria Schneider Orchestra als einziger neuer Song bereits auf der im November 2014 veröffentlichten Zusammenstellung "Nothing Has Changed" zu finden. Die B-Seite der Single zierte "'Tis a Pity She Was a Whore", der nun an zweiter Stelle des Albums steht.
8. Für "Blackstar" wurden "'Tis a Pity She Was a Whore" und "Sue (Or In A Season Of Crime)", das nun statt 7:24 Minuten nur noch deren 4:35 läuft, neu aufgenommen.
9. Die Aufnahmen für das Album, das von David Bowie selbst und Tony Visconti produziert wurde, fanden in The Magic Shop in New York statt. Das Setting von "The Next Day" wurde also beibehalten, jedoch klingt "Blackstar" durch die Zusammenarbeit mit dem Jazzsaxofonisten Donny McCaslin und Musikern aus dessen Band vollkommen anders: experimenteller Jazz trifft auf krautigen Rock.
10. "Blackstar" wird aktuell bei Metacritic mit einem Metascore von 83/100 Punkten geführt:
(...) David Bowie releases the most extreme album of his entire career: Blackstar is as far as he's strayed from pop.
On “Girl Loves Me”, the brooding horn shadings offer ominous accompaniment to Bowie's quirky delivery of a cipher-song incorporating elements of the Nadsat vocabulary of A Clockwork Orange and the gay code-language polari, while the 10-minute title track sketches an execution ritual amid a miasmic, Middle-Eastern wash of strings and scrabbling sax.
Elsewhere, there's an oceanic melancholy to the moody, cinematic “Lazarus”, in which the alien played by Bowie in The Man Who Fell to Earth considers his purgatorial situation while fog-like sax swirls around his fugitive presence.
Both “'Tis a Pity She Was a Whore” and “Sue (Or in a Season of Crime)” are frantic, bustling whirls of avant-garde, banshee sax improvisation and drumming, while Bowie croons about deathly portents and desire: they're like footnotes to the transitional experiments of “Station to Station”, but with less potent melodies, and less interest in pleasing forms.
And although the intro vamp of “Dollar Days” offers a more congenial rhythmic base, the amorphously mooning sax blurs things enough for Bowie to sound like a man adrift in events he desperately needs to control. “I'm trying to,” he sings, “I'm dying to.” Or is that “I'm dying, too”? – a query that lingers as “I Can't Give Everything Away” closes the album with a satisfying climax of freely flowing sax and the album's sole guitar break.
It's a finale that suggests a Bowie desperate to break with the past, but acknowledging it'll always be with him – however hard he tries here.
Eigentlich fällt Jazz nicht in die PvG Zuständigkeit. Wäre da nicht Jazz-Fan Volker...
Von einigen wird Kamasi Washingtons “The epic” als Jazz-Album des Jahres und Revolution gefeiert, andere belegen es mit dem schlimmsten Urteil aus dem Munde von Jazz-Fans: “Jazz für Leute, die keinen Jazz mögen”.
Unzweifelhaft beherrscht Kamasi Washington sein Instrument, das Saxofon, und große Arrangements. Der Amerikaner ist bereits über viele Jahre sowohl jazztypisch als auch mit populäreren Musikern wie Herbie Hancock, Lauryn Hill, Snoop Dog und Flying Lotus in Erscheinung getreten. Größere Bekanntheit erlangte er durch seinen Beitrag zu Kendrick Lamars “To pimp a butterfly”.
Auf “The epic” verlässt er sich auf sein Saxofon und seine in vielerlei Hinsicht ausufernden Kompositionen. Da wird sowohl in der Besetzung als auch in der Dauer geklotzt und nicht gekleckert.
Wer schon immer mal Jazz-Album haben wollte, um sich mit dem Genre anzufreunden oder einfach ein wenig seine Besucher zu beeindrucken, ist mit “The epic” sehr gut bedient: Hochgelobt, hörbar und noch dazu bietet das Album mit knapp 3 h Spielzeit wirklich viel Musik für’s Geld. Das reicht locker als Untermalung eines ausgiebigen Abendessens mit Freunden, die man mit Jazz beeindrucken möchte.
Jede der einzelnen drei "The Epic"-CDs gibt für sich genommen ein
exzellentes Debüt ab. Gemeinsam fickt das Trio Gehirne. Trotz der langen
Spielzeit, der vielen Variationen finden sich keine Hänger. Niemals
verliert das furchtlose Album seinen Fokus. Mit viel Spektakel, aber
auch ehrlicher Zuneigung holt uns Kamasi Washington aus dem Museum
heraus und lässt uns wieder auf der Straße tanzen. Mit seiner Attitüde
führt er junge Hörer an das Genre heran und erinnert uns an eine einfach
Tatsache: Jazz braucht kein Mensch, aber Mensch braucht Jazz.
Das Debüt "The Epic" von Kamasi Washington wird als Meilenstein der
Musikgeschichte gefeiert. Wer genau hinhört, entdeckt Beeindruckendes
abseits aller Superlative.
It's Jazz! Der US-Saxophonist Kamasi Washington veröffentlicht
mit seinem dreistündigen Debüt "The Epic" das vielleicht relevanteste,
radikalste Album des Jahres.
“Re run home”:
Hip Hop kommt bei Platten vor Gericht ja eher selten vor. Aber Hip Hop ist in diesem Fall auch nur eine Seite der Medaille - und besteht aus Ghostface Killah, den die meisten wohl als Mitglied des Wu-Tang Clans kennen dürften. Die andere Seite sorgt für den passenden Soundtrack und hört auf den Namen BADBADNOTGOOD, ein kanadisches Jazz Hop-Trio (Tasten, Bass, Schlagzeug), das letztes Jahr mit III ein Jazz-Album für alle veröffentlichten, die kein Jazz mögen.
Musikalisch bewegen sich BBNG & Ghostface Killah im Sound der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, was auch visuell in dem sehr sehenswerten Video zu Ray Gun umgesetzt wird:
Wenn man das Album hört, kann man verstehen, dass das Complex-Magazin von einer Traum-Kollaboration spricht, die nur schwer zu toppen sei. Zumindest für dieses Genre kann ich diese Aussage unterschreiben: Eine bessere Kombination aus ausgefeilten musikalischen Arrangements und lebendigem Storytelling ist kaum vorstellbar. Zusätzliche Authentizität gewinnt der Sound dadurch, dass auf obligatorische Samples verzichtet und alles live eingespielt wurde.
Now they’ve teamed up with Ghostface Killah for Sour Soul, a brazen throwback album that’s enamoured by the cinematic sounds of the 70s with nods to the likes of Barry Adamson, Lalo Schifrin and Superfly-era Curtis Mayfield. […] Ghostface carries on the form he showed on 36 Seasons, but over the laidback production of BADBADNOTGOOD, he’s somehow even smoother. (The Guardian)
Das Album erscheint am 20. Februar und wird als CD und Vinyl erhältlich sein.
Möglicherweise fühlt sich Natalie Prass gerade wie im Märchen. Wie in "Die Sterntaler", um genau zu sein.
Die 28-jährige Singer/Songwriterin zieht in die Welt, mit nichts anderem als ihrem selbstbetitelten Debütalbum und verschenkt hier einen Song im Big Band-Kleid ("My Baby Don't Understand Me"), dort verbreitet sie mit Jazz- und Soul-Anklängen Freude, dann spielen die Streicher groß auf, so dass man an Soundtracks der Hollywood-Klassiker der 50er Jahre denken muss ("It Is You"), wiegt sich Prass im Walzer-Takt oder singt zu zeitlosem Kammerpop beseelt über Herzschmerz ("Violently"): "Break my arms, ’cos they want to hold you. Break my legs ’cause they want to walk to you/ I just want to know you violently."
Zur Belohnung fallen für Natalie Prass die Sterne vom Himmel - und zwar in Form von überschwänglichen Kritiken.
Der Musikexpress vergibt 5,5 von 6 Sternen:
In „My Baby Don’t Understand Me“ singt sie über das Leid in der Liebe, über eine Beziehung, die nichts anderes als eine sich lange ziehende Verabschiedung ist. Die Art und Weise, wie Natalie Prass über dieses Thema berichtet, ist so unglaublich, dass man es kaum glaubt. Sie verfällt nicht in die Banalität des Wehklagens, sondern haucht verträumt, etwas mädchenhaft, aber nie zu kindlich, zart, aber nicht ohne Rückgrat. Es ist eine Stimme, die sich nicht aufdrängt, aber trotzdem inmitten der üppig kolorierten Musik der Hausband des Spacebomb-Labels ihren Weg findet.
„Bird Of Prey“ ist nicht weniger grandios: Das Schlagzeug treibt wie in einer guten alten Memphis-Produktion und der Pianist kennt sich im Werk eines Ray Charles aus. Die Bläser bedrängen die Sängerin nicht, sondern begleiten sie gefühlvoll. Die Realität sieht aber auch hier nicht rosig aus: „You don’t leave me no choice but to run away, you are the bird of prey“. Ein großes Abenteuer ist der Song „Christy“. Auf die rhythmische Betonung wird verzichtet, stattdessen ziehen die Streicher wie bei einem kammermusikalischen Akt ihre Kreise. Plötzlich befindet man sich in der Nähe der Märchenwelt eines Disney-Films. Auch in diesem Ambiente kommt Prass brillant zur Geltung. Was schon erstaunt, ist dieses Album doch ein Debüt. Normalerweise braucht man für so eine Glanzleistung Zeit. Aber diese Frau ist ein Ausnahmetalent, der sofort alles gelingt.
Im englischsprachigen Raum sieht es nicht viel anders aus. Exemplarisch seien hier die 5 Sterne des Guardian genannt und zitiert:
Matthew E White’s album Big Inner may have been a critical smash in 2013, but its success looked like it might come at a cost for Natalie Prass. This self-titled debut was recorded in 2012 yet remained on the back burner while White’s Spacebomb label was forced to focus on promoting his own record. With the Virginia label – which also operates as a studio with house band – now giving Prass their full backing, however, she may concede that it was worth waiting: the 28-year-old’s country-soul songs are frequently spellbinding, but each one is given a further lift by the Spacebomb team’s arrangements. Your Fool is propelled by bursts of Muscle Shoals brass, whereas the harps on infidelity tale Christy give it a grandeur worthy of Scott Walker. So sweet are the strings on the standout Violently that it takes time to notice that Prass’s pure soul voice is singing about heartache in brutal terms: “Break my arms, ’cos they want to hold you.” The touchstones here, such as Dusty in Memphis, are all records that revel in a particular kind of musicality, yet this is a record that never feels retro, just timeless.
"Bird Of Prey" wurde als erste Single ausgewählt, dabei sind "My Baby Don't Understand Me", "Violently" und "Reprise" noch stärker:
Was von 2014 übrig blieb (V)
Man sollte sich vom Namen der Band aus Leeds nicht abschrecken lassen: Adult Jazz klingt wesentlich mehr nach einer verspielten Indiepop Gruppe als nach einer erwachsenen Jazz Combo.
Das Debüt “Gist is” erschien 2014 und lässt sich entweder als Genre Mix aus Indiepop, Folk, Postrock, Kammmerpop, Wold Music und auch Jazz beschreiben oder mit einer langen Liste an Referenzbands: Beta Band, Dirty Projectors, Björk, Sigur Rós, Bon Iver und Wild Beasts. Auf jeden Fall klingt es trotz aller Vetracktheit weitgehend überraschend lockerleicht.
Ultimately, the primary appeal of Adult Jazz’s music is in its unique and playful syntax, which is neither indulgently collage-like or remotely predictable. Their sound is not revolutionary, but nonetheless wholly distinctive—and nowadays, this seems a hard bargain for any rock band to strike. Gist Is is full of clever turns of musical and lyrical phrasewhich will dispel possible accusations of self-indulgence and pretension, and somehow, within just a few listens, it becomes easy to enjoy this unusually paced album of so few easy hooks, and so many seemingly insignificant words.
Besonders empfehle ich die Songs “Hum”, “Am gone”, “Pigeon skulls”, “Spook” und “Idiot mantra”. Also fast alle Songs des Albums…
Das Video zu “Am gone”:
Und das zu “Springful”:
Im Jahr 2011 konnte die Band recht unbemerkt den Song “Dayhole” auf einem Dach darbieten. Vielleicht erregen sie in ein paar Jahren ähnlich viel Aufmerksamkeit wie damals diese Herren:
Nils Petter Molvaer ist ein begnadeter Trompeter. Alleine damit könnte er mich aber nicht beeindrucken. 1997 erschuf er mit “Khmer” ein grandioses Album. Mit seiner Mischung aus Jazz und Electro schuf 1997 in Form des Albums “Khmer” einen Meilenstein, den er bislang nicht toppen konnte. Für Abwechslung sorgt der Norweger, weil er sein Instrument in verschiedenen Kontexten einsetzt. Mal sehr elektronisch, mal rockig, in Remix-Versionen und in verschiedensten Kollaboration. In den letzten Jahren fielen da vor allem “1/1”, das mit Moritz von Oswald eingespielte Album sowie “Baboon moon” auf. Letzteres überzeugt ich vor allem wegen Stian Westerhus’ packender Gitarrenbeiträge.
“Switch” erschien bereits im Frühjahr 2014. Nils Petter Molvaer Alben muss ich immer etwas Zeit geben und davon hielten mich viele andere Veröffentlichungen ab. Stian Westhus war nicht an den Aufnahmen beteiligt, aber statt dessen mit Geir Sundstol ein Musiker an der Pedal Steel Gitarre. Diese verleiht einigen der Songs auf “Switch” einen Country Touch. Ansonsten leisten der Madrugada Schlagzeuger Erland Dahlen sowie Morten Qvenild und Jon Marius Aareskjold überzeugende Arbeit in der Electro-/Ambient Abteilung. “Switch” hatte gute Chance, in meinem musikalischen Jahresendspurt unterzugehen. “Khmer” und “Baboon moon” kann es in seiner Wirkung nicht erreichen, aber es ist 2014 ein einzigartiges Album und eine mehr als nur nette Abwechslung.
“The kit”, “Strange pillows” und “Bathroom” gefallen mir auf “Switch” am besten, da sie vor Energie und Spannung glühen. Wer die ruhigeren Momente sucht, sollte sich an die vier “Intrusion” Titel halten.
Sicher hat Molvær mit "Switch" den Jazz nicht neu erfunden – diesen Job hatte er schon mit seinem Debüt "Khmer" abgehakt. Wie er aber bis heute seinen eigenen Kosmos beständig weiterentwickelt, ihm neue Farben beimischt und so den Stillstand partout negiert, ist bewundernswert. Das gilt auch für sein Spiel, das bei allem Lob über den brillanten Sound seiner Platten oft sträflich vernachlässigt wird. Molvær hat einen eigenen, unverkennbaren Ton, und seine Gabe, zielsicher träumersiche Melodien aus der Luft zu angeln, ist einzigartig.
Der Titelsong:
She & Him erschienen mir schon immer als grundsätzlich interessante Mischung: Eine musikalisch gehemmte Schauspielerin und ein recht angesehener Folk Musiker. Das könnte eigentlich klappen. Nur leider erschien mir die Musik auf den bisherigen vier Alben als zu belanglos, um mich wirklich dauerhaft begeistern zu können.
Während die drei “Volume” Alben ("Volume 2", "Volume 3") zum größten Teil aus Eigenkompositionen aus Zooey Deschanels Feder bestanden, veröffentlichten sie und M Ward bereits im Jahr 2011 mit “A very She & Him Christmas” ein Weihnachtsalbum voller Coversongs.
Mit der Veröffentlichung von “Classics” zu dieser Jahreszeit und mit Songs aus den 30er bis 70er Jahren, welche in Begleitung eines Orchesters eingespielt wurden, zielen die beiden offenbar in die gleiche Richtung. Das klingt meist nach gedimmter Atmosphäre in einer Jazz Lounge, mal ein wenig nach Songs wirklich alter Filme und ab und zu auch nach Folk.
Der bekannteste Titel auf “Classics” dürfte “Unchained melody” sein, Weitere Songs stammen im Original u. a. von Charles Aznavour, Aretha Franklin und Dusty Springfield. Den besten Eindruck machten bislang auf mich “Stay awhile”, “Time after time” und “Teach me tonight”.
Als dezente Untermalung des Weihnachtsfestes dürfte “Classics” eine gute Figur abgeben. Ich würde mich wundern, wenn ich das Album im neuen Jahr erneut ausgraben würde.
The surprisingly loungy results are unusually daring for these two:
Deschanel and Ward pare back the melodrama of "Unchained Melody" and
Johnny Mathis' "It's Not for Me to Say," incorporating midcentury jazz
and soul crooning into their endearing retro-kitsch. The combination is
charming.
“Time after time” inklusive eines kurzen Interviews:
Vielleicht sind die Weihnachtstage nicht die beste Zeit, eine “Blasmusikband” vorzustellen. Gerade um diese Zeit wird einiges dafür getan, dass Menschen mit Blasmusikphobie diese nie ablegen werden. Doch statt eines evangelischen Posaunenchors präsentieren wir hier ein Antidot: Moon Hooch. Mal sehen, ob einige der Richter zum Jahresende Gnade walten lassen.
Die Saxofonisten Mike Wilbur und Wenzl McGowen sowie Schlagzeuger James Muschler lernten sich als Studenten der New School for Jazz and Contemporary Music in New York City kennen. 2010 brachten sie dann ihre Energie und Ideen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße: Als Straßenmusiker. Und als sie in einer U-Bahn Station spielten und die Besucher eines “ins Wasser gefallenen” Modest Mouse-Konzerts eben diese Station passierten, kam es dort zu einer spontanen Party. In dieser Station darf die Band nun nicht mehr musizieren. Statt dessen traten sie inzwischen u. a. als Vorgruppe von They Might Be Giants auf deren Nanobots Tour auf und auch dort begeisterten sie das Publikum.
Die Band selbst nennt ihren Musikstil “Cave Music” als primitivere weil ursprünglichere Form der “House Music”. Und in der Tat schaffen es die Musiker, die Wirkung elektronischer Dance Music mit ihren Instrumenten “organisch” nachzubilden. Treibende Rhythmen treffen auf hypnotisierende Melodieschleifen. Der Opener “Number 9” ist der Hit auf “Moon Hooch”:
Und das Video zu “Megatubes”:
Auf der Bandcamp Site gibt es das Album als Stream und für faire $ 6 dort als Download.
Kenny G. takes testosterone, a speedball, and acid. With a baritone sax, the most sensual of the wind instruments, laying down what would typically be the bassline in a traditional band but with more versatility here, the tenor saxophonist tears it up in what seems to be the equivalent of a non-stop guitar solo throughout all 14 tracks. It is like the experimental jazz version of 80’s glam-rockers Poison.
Moritz von Oswald ist ein Urenkel Otto von Bismarcks und in den 80er Jahren trat er mit der Band Die Doraus und die Marinas in Erscheinung. Darüber hinaus hat er sich bereits seit den 90er Jahren einen Namen als mininal Techno- und Dub-Produzent gemacht. Gemeinsam mit Mark Ernestus betreibt er das Label Basic Channel.
Nils Petter Molvær ist ein norwegischer Trompeter, dessen Musik häufig mit dem Label “Jazz” versehen wird. Richtig stark sind seine Alben, wenn er mit elektronischen Rhythmen experimentiert. Besonders gut gelang ihm dies bei seinem Solo-Debüt “Khmer”. Aber auch mit dem rockigen “Baboon moon” konnte er mich 2011 überzeugen.
Nils Petter Molvær und Moritz von Oswald veröffentlichten gemeinsam das Album “1/1” und wenig überraschend kombinieren sie darauf weitgehend sparsame Elektrorhythmen und Petters stellenweise hypnotische Trompetenklänge. Über weite Teile des Album klingt das verträumt und für den ein oder anderen Hörer vermutlich auch einschläfernd. Doch besonders die Songs “Development” (in beiden auf “1/1” enthaltenen Versionen) und “Future” zeigen, welche Intensität diese Musik in sich birgt. Gerade weil sich beide Musiker gerne auf reduzierte Musik zurückziehen lassen sie sich gegenseitig genug Raum. Das “Live” im Studio aufgenommene Resultat dürfte sowohl offene Jazz-Freunde als auch Kenner minimalistischer Elektrorhythmen neue Horizonte eröffnen.
Auf emotionaler Ebene ist die hier entstandene Musik, wie Moritz von Oswald sie beschreibt, „Noirmusik“, Traummusik, geschrieben für die Phantommelodie im Kopf, die bleibt, wenn die Musik bereits verhallt ist, und nur mehr die Geräusche der dunklen Großstadt zu hören sind. Oder durchaus funktional gesehen: Musik für Bars, für Fahrten im Nachtzug und über die menschenleere Autobahn.
Im Rahmen der Plattenladenwoche erschien “1/1” in limitierter Auflage als Doppel-LP mit Download-Code.
“Development”:
Nils Petter Molvær ist im November mit Johannes Enders in Deutschland unterwegs:
09.11. Bochum
10.11. Ravensburg
Letzte Woche Freitag erschien zum 10-jährigen Jubiläum des Meisterwerks von The Postal Service eine Deluxe-Ausgabe von "Give Up". Am Ende von Disk 2 bzw. LP 3 wird diese von einer eben so schlichten wie wundervollen "Such Great Heights"-Coverversion von Iron And Wine gekrönt.
Am gleichen Tag stand mit "Ghost On Ghost" auch das fünfte Studioalbum von Iron And Wine in den Plattenläden. Doch der Käufer sei gewarnt, driftet das Album doch noch weiter ab vom Folk- und Singer/Songwriter-Stil als bereits der Vorgänger "Kiss Each Other Clean" und offeriert mit perlenden Pianoläufen, säuselnde Sängerinnen und jazzigen Bläsern (samt Saxofon) versehenen chillig-souligen Soft-Folk. Das klingt dann teilweise so, als säße man mit in einer Hotelbar und sähe/höre George Michael, der in schummrigen Licht Folk- und Americana-Klassiker in angejazzten Easy Listening-Versionen präsentiert. Da möchte man lieber zum Eisen als zum Wein greifen!
Auf GHOST ON GHOST spielt der Texaner, begleitet von einem Verein von Alleskönnern (u. a. Mitglieder der Bands von Bob Dylan und Antony Hegarty), diese Idee einer zeit- und raumübergreifenden amerikanischen Pop-Musik in diverse Richtungen weiter. "Caught In The Briars“ heißt der Eröffnungssong. Er beginnt mit einer kurzen Latin-Rhythmus-Sequenz, die Platz macht für eine akustische Gitarre. Was sich dann so langsam aufbaut, ist ein Gospelstück, wie man es vielleicht von Van Morrison erwarten kann. Ein Song, der den Zusatz "adult orientated“ gerne tragen darf und in einem leicht angejazzten Instrumentalpart ausgeblendet wird. Beam läuft in diesen zwölf Songs zur Hochform auf, seine Musik besitzt heute die Ausgeschlafenheit der besten Steely-Dan-Songs, sie erinnert an die Verschwendungssucht eines Todd Rundgren in den frühen 70er-Jahren und findet mit schöner Regelmäßigkeit wieder zu sich selbst zurück. Die Bläser- und Streicher-Arrangements tragen längst so etwas wie ein Gütesiegel, sie untermalen die Songs, überschreiben sie für ein paar Sekunden, sie verleihen ihnen die akustischen Ausrufezeichen auf dem gedämpften musikalischen Feld, das Beam mit seiner sanften Stimme so wunderbar bestellt.
Mit seinem fünften Album "Ghost on ghost" geht er noch einen Schritt weiter. Mehrstimmiger Gesang? Check. Jazzelemente? Check. Brass-Sound? Check, check, check. Die deutlich poppigere Note in den Stücken verleiht Iron & Wine ein menschlicheres, beinahe wärmeres Gewand, ob das dem persönlichen Empfinden allerdings zuträglicher sein wird, ist die andere Frage. Denn Fakt ist, dass man mit kaum einem anderen schrulligen Waldschrat mit Klampfe in der Hand lieber am Lagerfeuer saß, um entweder vor lauter Trauer oder Freude zu heulen (je nach Umstand). Zu einem Song wie dem retropoppigen "New Mexico's new breeze" mitsamt seinem lieblichen Pianoeinsatz am Schluss und den dezenten Streichern lässt es sich aber hervorragend ums Feuer herumtanzen - allein, zu zweit, zu sechst, völlig egal. Schunkeligeres Beisammensein gibt es unterdessen auf "Joy", quasi einer Ode auf die Zeit zu zweit, und mit dem rhythmischen "Low light buddy of mine" kommt auch die funky Kopfnicker-Fraktion auf ihre Kosten.
Der Wandel gelingt Beam ausgesprochen gut, und die Brassklänge, die sich durch das ganze Album ziehen und anfangs gewöhnungsbedürftig erscheinen, passen im Grunde wie die Faust aufs Auge. Zwar braucht ein Stück wie das jazzige "Lovers' revolution" den einen oder anderen weiteren Hördurchgang, um wirklich zu gefallen, ergibt im Albumkontext von "Ghost on ghost" aber durchaus Sinn. Wenn die Party dann zur Mitte des Songs richtig losgeht, ist alles andere vorher sowieso fast vergessen. Von einem ähnlichen Schlag ist das opulente "Singers and the endless song", bei dem die Bläser das eigentliche Highlight sind, dicht gefolgt vom souligen Hintergrund-Gesang. Wenn je ein Beispiel gesucht wird für ein Album, das zunächst enttäuscht, dann aber zum wahren Grower wird, ist "Ghost on ghost" ein Top-Kandidat. Dass Beam seine eigene Vergangenheit nicht ganz abgeschrieben hat, zeigt er dann mit dem Abschlusssong "Baby center stage", zu dem es schließlich doch noch zurück ans Lagerfeuer geht, und dann dauert es auch gar nicht mehr lange, bis endlich die ersten Tränchen kullern. Vor Freude, versteht sich.
Dem vorweihnachtlichen Stress ist geschuldet, dass ich mich erst heute „Highs & Hills“ zuwende, obwohl das Album bereits Ende November als Doppel-Vinyl, CD und Download erschienen ist.
Die aus Jena stammende Band Klinke auf Cinch besteht aus Clemens Kynast (beats, keys, electronics, production), Lutz Hartman (samples, turntables), Patrick Föllmer (guitar, trumpet, vocals, effects) und Martin Hansmann (vocals, effects) und über ANALOGSOUL, die uns dieses Jahr auch bereits Me And Oceans bescherten, veröffentlichen sie ihren zweiten Longplayer. „Highs & Hills“ versammelt Electronica zu knisternten, gefrickelten Beats, wie man es von The Notwist kennt, treibt das Ganze aber über die Grenzen des Pop hinaus, wie es die Weilheimer nur in ihren Nebenprojekten vollführen, und erkundt auch die Randgebiete von Jazz und House.
Ein besonderes Augenmerk verdient der dazu gehörige Blog Releasingarecord.de, der den kompletten Veröffentlichungsprozess des Albums dokumentiert, sowie Zahlen, Ideen und Hintergründe offenlegt. Ein innovatives und transparentes Projekt, das es sich zu durchstöbern lohnt, während man das über eine Stunde dauernde „Highs & Hills“ hört.
Drei Jahre sind vergangen seit dem Debüt »Palumar«. Und es hat sich eine Menge getan.
Ein großer Reifeprozess, so pathetisch dies klingen mag. Aber es zeichnet »Highs & Hills« ganz klar aus. Die Art wie Klinke Auf Cinch mit den Sounds umgehen, wie sie die stilistische Offenheit kanalisieren und wie sie in all den Ambitionen eine gewisse Gelassenheit ausstrahlen. In den weich gezeichneten Farben und dem organischen Sound-Ansatz sind die Thüringer musikalische Nachbarn von von den anderen Ur-Thüringern Marbert Rocel. Passend also auch, dass genau sie »Highs & Hills« neulich remixten.
Es ist ebenso Pop, eingebettet zwischen Electronica und House, mit Trompete, Gitarre und filigran gesetzten Beats. Durch den Gesang von Martin Hansmann wird die Pop-Note allerdings nicht so ausgereizt wie bei Marbert Rocel. Wo dort die Wohligkeit auch schon mal über die Strenge schlägt, bleibt hier mehr Understatement.
Toll ist der Pop-Einschlag immer dann, wenn man nicht unbedingt mit ihm rechnet. »Depart« startet als Slo-House-Stück und switcht dann um. Auch bei »Hunter« gibt es solche Gegenläufe. Und ja: »Highs & Hills« ist ein amtlicher Hit.
(frohfroh)
die musik hat etwas fadenscheiniges, transparentenes, immersives. fast fühlt man sich in der lage, gestalterisch hand anzulegen. die einzelnen elemente sind zu identifizieren, ihr aufeinandertreffen wird zu einem prozess der teilhabe. in der gesamtheit erfüllt die musik räume, auf die sie mit einer atemberaubenden sicherheit, bewusstheit, mit höchster konzentration zugreift. sie zwingt den hörer zugleich, maß zu nehmen. in diesen räumen aktiver bestandteil zu sein. ein wechselseitiger prozess. finger betrommeln das holz, füße takten rhythmisch, elektronische verweise werden vokal erschlossen. körperlichkeit. ein tonales ereigniss, das seine fortsetzung abseits der gehörgänge findet. der bass rudert in den gedärmen, der ziselierte sound bastelt an der zellstruktur. aus diesem hörerlebnis kommst du garantiert verändert heraus.
(Das Klienicum)
Es kommt nicht häufig vor, dass das Gerichtsregister um eine Kategorie ergänzt werden muss. Aber ohne die Zuordnung zu “Prog-Rock” kann ich dieses Album nicht einordnen.
Bereits 1989 wurde die Band Motorpsycho gegründet. Diesen Monat erschien mit “The death defying unicorn” das 15. Studioalbum der Band. Ich kann nicht über alle 14 Vorgänger urteilen aber besonders in Erinnerung blieben mir das harmonische “Let them eat cake” aus dem Jahr 2000 und das krachige “Heavy metal fruit” welches 2010 erschien. Hier auffällig wurde die Band bereits 2006 mit “Black hole/black canvas”,
Wer zu einem Motorpsycho-Album greift tut das vor allem, weil er die musikalische Unberechenbarkeit der Band schätzt. Wenn dann noch ein Jazz-Musiker namens Ståle Storløkken als Kollaborateur auf dem Cover genannt wird, sollte man sich auf einen wilden Trip gefasst machen. Motorpsycho hat mit Progrock und Jazz zwei Stile zu den Leitmotiven ihres Albums erkoren, welche dafür geschaffen sind, wohlwollende Anerkennung oder abgrundtiefe Verachtung bei Hörern hervorzurufen. Die Kombination dieser “Extreme” stellt dementsprechend eine Herausforderung für das potentielle Publikum dar. Es geschieht im Verlauf der knapp 1,5 Stunden häufig, dass Jazz-Verspieltheit und Prog-Wucht frontal aufeinandertreffen und ein ergreifendes Gewitter entfachen. Während harmloseren Passagen wird dem Hörer etwas Erholung gegönnt. Jazz ist auf “The death defying unicorn” kein Beiwerk sondern das Gerüst für ein mutiges und großartiges Album.
Doch wirklich besonders wird das Album nicht durch das “Crossover-Konzept” sondern durch eine weitere Tatsache: Während mich ansonsten lange Songs (ab ca. fünf Minuten Dauer) gerne mal langweilen, weil deren jeweilige Songidee einfach nicht so weit trägt, gewinnt jeder Song auf “The death defying unicorn” mit seiner Länge und gerade die Songmonster entpuppen sich nach einigen Durchläufen als das Rückgrat des Doppelalbums.
Besonders empfehle ich das “Through the veil”, welches über 16 Minuten zu fesseln weiß und die beiden Abschlusskracher “Mutiny!” und “Into the mystic”.
Motorpsycho legen einen zyklischen Zusammenhang hin, der im Gegensatz zu vielen anderen Alben der Band, weniger durch thematische Weiterverarbeitung musikalischer Gedanken, sondern durch rhythmische, harmonische und instrumentierungsmäßige Gegensätze und Beziehungen hergestellt wird.
Was mich an der Geschichte hinter dieser musikalischen Odyssee beunruhigt ist die kontextuelle und inhaltliche Bedrohung die fast klaustrophobische Zustände auslöst.
Eine “rather special” Tour wurde angekündigt und diese umfasst auch Dates in Deutschland:
17.4. Köln
18.4. Bremen
19.4. Leipzig
20.4. Berlin
Wenn Dirk die Grenzen Skandinaviens bis nach Irland ausdehnt, ergänze ich diese Reihe noch um ein Meisterwerk aus Norwegen, welches allerdings ebenfalls eine gewisse Offenheit gegenüber Grenzen (in dem Fall Genregrenzen) voraussetzt.
Es ist bemerkenswert, welche Töne der Norweger Nils Petter Molvaer seiner Trompete entlockt. Noch beeindruckender ist allerdings der Klangkosmos, den er nun schon über sechs Studioalben unter eigenem Namen pflegt und ständig erweitert. Sein Debüt “Khmer” aus dem Jahr 1997 war der frühe Höhepunkt seines Schaffens. Fast jedes der folgenden Alben brachte ein paar neue Ideen, konnte mich aber nicht durchgängig fesseln. Mit “Baboon moon” liegt nun endlich seine zweitbeste Platte vor. Dank des Produzenten und Gitarristen (u. a. Motorpsycho) Stian Westerhus und dem ehemaligen Madrugada-Drummer Erland Dahlen geriet diese außerordentlich rockig und wahnsinnig mitreißend. Was die drei Musiker da vor allem in Form der Songs “Mercury heart”, “Recoil” und “Baboon Moon” fabrizieren erklimmt atmosphärischen Dichten auf Sigur Rós-Niveau. Ich bin begeistert. Diese Musik höre ich nicht mal so “nebenher”, sie nimmt mich ein. In einigen Songs tauchen aus allertiefsten Tiefen markdurchdringende Töne auf, die mich ich nur als Drone bezeichnen kann. Auch wenn “Baboon moon” weniger Jazz ist als die anderen NPM-Alben, läuft dieses Album bei mir unter “Drone Jazz”. Ich empfehle es Freunden experimenteller Rock- und Jazzmusik.
Durch letzteren muss das Publikum durch, so man den künstlerischen Kosmos des Skandinaviers enträtseln und genießen möchte. Eines der Instrumente gibt meist den Störenfried, während der Rest sich - mal opulent, dann wieder spartanisch minimal - den Klanggemälden widmet. […] Molvaers totale Kehrtwende ist geglückt. Die Bandchemie ist erschütternd, in Anbetracht des kurzen Zeitraumes. Damit ist dem Norweger etwas gelungen, was sogar Ikonen wie Bowie selbst in seiner Tin Machine-Zeit verwehrt blieb: Die Band als kollektiv-kreative Einheit fördert ein Meisterwerk zutage.
War ich nach “Hamada” recht skeptisch bezüglich dessen, was von Nils Petter Molvaer noch zu erwarten ist, überzeugte mich seine Live-Show von seiner Energie. Diese spüre ich auch auf “Baboon moon” und ich möchte mir noch gar nicht vorstellen, was bei diesen Gelegenheiten passiert, wenn NPM mit den Musikern des Albums auftritt:
16.10.2011 - CH, Zürich - Moods
17.10.2011 - D, Mannheim - Alte Feuerwache
19.10.2011 - D, Dortmund - Domicil
20.10.2011 - D, Hamburg - Fabrik
21.10.2011 - D, Berlin - Fritzclub im Postbahnhof
25.10.2011 - A, Dornbirn - Spielboden
27.10.2011 - D, München - Ampere
28.10.2011 - A, Innsbruck - Treibhaus
30.10.2011 - D, Elmau - Schloss Elmau
28.11.2011 - D, Köln - Stadtgarten
02.12.2011 - D, Nürtingen - Stadthalle K3N
03.12.2011 - A, Wien - Porgy & Bess
10.05.2012 - D, Oldenburg - Kulturetage
11.05.2012 - D, Hannover - Kulturzentrum Pavillon
14.05.2012 - D, Darmstadt - Centralstation
15.05.2012 - D, Nürnberg - Hirsch
17.05.2012 - LUX, Dudelange - Centre Culturel Opderschmelz
Wenn sich einige Mitglieder einer Tangoband mit einer Bläserfraktion zusammentun bedarf es als Schmiermittel nur noch eines charismatischen Sängers und einiger weiterer Musikverrückter, um eines der buntesten Alben des Jahres zu fabrizieren. Und mit “bunt” meine ich nicht nur das ansprechend abstoßende Cover.
King Oliver's Revolver ist eine schwedische Band. Für deren Debüt “Gospel of the jazz man’s church” wurden neben den acht Bandmitgliedern noch ca. ein Dutzend weiterer Musiker angeheuert, um 14 beschwingte Songs einzuspielen. Das klingt mal nach Gipsy / Balkandisco, Filmmusik, Indiefolk, Swing, Polka und gesanglich ab und zu nach “Michael Bublé in cool”.
Es ist nicht einfach, das Gesamtkunstwerk zu beschreiben. Ich greife auf Worte aus der Pressemitteilung zurück:
Das Stockholmer Oktett berauscht mit einem wilden Soundtrack voll zeichentrickartiger Ideen und einer lyrischen Bandbreite vom Alten Testament bis hin zu den Opiumhöhlen in Shanghai.
Texte in Songs sind mir meist egal. Doch im Falle von King Oliver’s Revolver dienen sie mir als Indikator: Obwohl man wegen der vielen und vielseitigen Instrumente und der zahlreichen Ideen und Stile ein überladenes Werk erwarten könnte, ist noch genug Raum für den stilsicheren und beeindruckenden Gesang und Textzeilen, die immer wieder erfolgreich um die Aufmerksamkeit des Hörers werben. Meine Lieblingstextzeile auf dem Album ist eindeutig “we all sleep to close to our ancestor’s graves”.
Diese stammt aus dem Song “The absence of love”. Neben diesem gefallen mir “Why did you go”, “On the day of reckoning” und “Bel tambouyé” besonders gut.
“Gospel of the jazz man’s church” ist nicht nur ein Ersatz für nicht besuchte Sonntagsgottesdienste sondern auch ein wirklich beschwingt-spaßiges Album für alle, die ab und zu etwas Abwechslung in ihren Hörgewohnheiten suchen.
Ein offizielles Video kann ich nicht bieten aber einen Clip, der zumindest einen Eindruck der Band vermittelt, wenn auch nur mit “Aushilfssänger” und unter erschwerten Bedingungen:
Auf der Bandcamp-Seite gibt es das gesamte Album in gewohnter Aufnahmequalität als Stream oder auch zum Download.
Colin Stetson hat wohl fast jeder Indiemusik-Fan bereits gehört: Er ist Teil von Arcade Fires Tourband und darüber hinaus hat er u. a. TV On The Radio, Bon Iver, David Byrne, LCD Soundsystem und The National unterstützt. Doch so interessant ihn diese Referenzen machen sollten, die von ihm gespielten Instrument werden einige Leser verschrecken: Colin Stetson ist nämlich “Blasmusiker”. Doch würde man sein zweites Album “New history warfare 2: Judges” unvoreingenommen anhören, würde man nicht unbedingt darauf kommen, dass fast alle Klänge darauf seinem Bass-Saxofon entlockt wurden. Eigentlich ist es bitter, dass Stetson seine Songs zum Teil leichter verdaulich macht, indem er diese nach Synthesizern klingen lässt.
Das tönt mal elektronisch wie Portishead, ab und zu nach einer Säge, zwischendurch nach Streichern, Ozeandampfer und Didgeridoo. Spoken Word-Passagen lockern das Gesamtwerk ebenso auf wie streckenweise konventionelle Songstrukturen mit Gesang (Shara Worden von My Brightest Diamond und Laurie Anderson). Colin Stetson erschafft einen unfassbar fesselnden Klangkosmos, der mich an Nils Petter Molvaer (bzw. dessen Musik) erinnert.
Stetsons Saxofonspiel basiert auf einer speziellen Atemtechnik, die ihm annähernd pausenlos Luft für sein Instrument liefert (nicht zu verwechseln mit Tenacious Ds “Inward singing”). Darüber hinaus arbeitet er bei Aufnahmen mit bis zu 24 Mikrofonen gleichzeitig. So fängt er die Klänge seiner Instrumente aus verschiedenen Perspektiven (und ohne Loops und Overdubs) gleichzeitig auf.
Ich greife den Arcade Fire-Aufhänger nochmals auf: Colins Stetsons Musik als Solokünstler ist “anders gut” aber mindestens ebenso spannend wie Owen Palletts und darüber hinaus bislang einzigartig. Anhören! Und wer jetzt noch zögert sollte sich zumindest mit dem Song “Red horse” auseinandersetzen und dann versuchen zu behaupten, dass er nicht staunt. Vielleicht entzündet sich ja auch wie bereits bei Iron & Wines “Kiss each other clean” eine weitere Diskussion um “Bläserbeiträge” zur Musik.
[…] But then I'll come across a new record that sounds like nothing else I've heard: I can't quite place it, but its appeal feels so organic and easy to understand, I don't really feel a need to place it, either. Such is the case with the second solo album from Michigan-born, Montreal-based saxophonist Colin Stetson, New History Warfare Vol. 2: Judges.
The ‘avant-garde' and ‘experimental' labels that will be thrown at this record may well detract potential listeners, but its appeal is surely universal. Without a doubt, Judges is unlike anything you have ever heard before.
New History Warfare Vol. 2: Judges” documents the inner workings of the mind with levers, pulleys, and weights being operated by some sort of flawless intuition; call it instinct. It's a daunting album with an oceanic brevity achieved through its endlessly echoing drone. The best way to approach it is to do as Stetson does, and become part of the mechanism; wheezing, breathing, spitting, groaning, and moaning in unison.
Was von 2009 übrig blieb (II) Hört man sich “ Sigh no more ” ohne weitere Hintergrundinfos an, könnte man meinen, die Fleet Foxes hätten sich intensiv mit der Musik ihrer Vorfahren beschäftigt und eine Tour durch die Saloons des “Wilden Westens” unternommen. Doch statt an Saloons sollte man eher an Pubs denken, denn es handelt sich bei Mumford & Sons um eine Londoner Band, die einiges mit Noah And The Whale und Laura Marling verbindet. Das Debütalbum erschien im Oktober 2009 und es versetzte musikaffine Engländer in helle Begeisterung. Die schwappte über und so findet sich “Sigh no more” auf einigen Bestenlisten des Jahres 2009. Mehrstimmiger Gesang und beschwingte Melodien auf Basis einer traditionellen Instrumentierung (u. a. Banjo, Akustikgitarre und auch gerne mal das Tambourin) sorgen für eine mehr als angenehme Grundstimmung. Während diese allein noch keine nennenswerte Begeisterung meinerseits rechtfertigen würde, macht die Dynamik der Songs und die an Britpop/60ies...
Vom dieswöchigen Dreampop/Shoegaze-Donnerstag mussten Teethe doch noch weichen, denn ein noch nicht fest installierter Slowcore-Samstag passt einfach viel besser zu diesem Quartett. Zwar streicheln Teethe mit ihrem 14 Song starken „Magic Of The Sale“ sanft am Dreampop oder kratzen kräftig am Shoegaze, größtenteils driften sie aber recht träge dahin und lassen Dank der Pedal Steel Guitar eher an Mojave 3 als an Slowdive denken. Low und Bright Eyes wären zwei weitere Bands, die einem beim Hören des Albums in den Sinn kommen könnten. Meine persönlichen Highlights sind mit „Holy Water“ und „Iron Wine“ die beiden noisigsten, aufbrausendsten Lieder. „ Magic Of The Sale “ wurde wie sein Vorgänger „Teethe“ (2020) über das Label Winspear veröffentlicht, und zwar als Purple Smoke with Green Splatter Vinyl, Blue-Black Merge Vinyl und Purple Dusk Vinyl. Die Band aus Texas besteht aus Boone Patrello, Grahm Robinson, Madeline Dowd und Jordan Garrett, und hat sich für Cello, ...
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