
Ich werde jetzt mal - gegen alle Aufheuler und Bedenkenträger - eine Lanze brechen für eine Band, die man in einen völlig falschen Kontext gesetzt hat und die gerade mal so nebenbei das bis dato beste deutschsprachige Album 2006 veröffentlicht.
Ja die Band kann nerven. Als ich sie damals zu Zeiten des Debuts im Fernsehen sah, dachte ich noch was für ein schlechter Versuch NDW nachzumachen grauenhaft. Das ging so weit das wir auf einem Akkustik-Konzert in einer Kölner Kirche mit einigen deutschen Acts, gebetet (sic!) haben, dass der Special Guest bloß nicht Mia sind.
Dann kam "Stille Post" und alles wurde anders. Es gab Hits "Hungriges Herz", "Sonne", "Hoffnung / Mit diesem Trick" und ja "Was es ist" ein Lied, dass allen Unkenrufen zum Trotz, ein zu Herzen gehendes Stück ist, dass so wahrscheinlich nur in Deutschland missinterpretiert werden konnte. Das Zugeständnis, das ich mache: Mia hätten es wissen müssen, aber was solls, die Uhr hat sich weitergedreht und der Nachfolger liegt auf dem Tisch. Und wieder scheinen sie alles falsch machen zu wollen, was möglich ist. Zirkus als Titel eine Zumutung als Cover, der Einstieg wird nicht leichtgemacht. Gut so! Denn was dann kommt sind 50 Minuten feinste Popmusik.
Es beginnt vom Intro abgesehen mit einem fast Easy Listening angehauchten
Uhlala: Leichtigkeit deluxe viel weniger Elektronik als zuvor, fast frankophil im besten Sinne. Ein entspannter und doch ohrwurmiger Einstieg
Tanz der Moleküle: der Hit, der es zugegebenermaßen zu Anfang (bevor das Album draussen war ) schwer bei mir hatte. Es brauchte etwas bevor dieser Groove mich packte, aber dann richtig und in dieser längeren Version nochmal besser als die Single
Zirkus: Ich weiß nicht wo dieser Beat geklaut ist und es ist mir auch egal, wahrscheinlich irgendwo in den 80ern und wahrscheinlich war er verschüttet in meinem Unterbewußtsein. Jetzt ist er wieder da und will und soll auch gar nicht verschwinden. In irgendeiner - übrigens auch recht wohlwollenden - Rezi hab ich glaub ich sowas gelesen wie "mit seinem Kindergeburtstagsbeat der Schwachpunkt des Albums ". Ich mag Kindergeburtstage, hab sie immer gemocht
Floss: Und als Kontrapunkt direkt hinterher das Liebeslied des Albums oder besser das Lied an die Liebe. Wunderschön und allein für "Wär deine Liebe ein Boot, ich würde sinken" gibts nen halben Extrapunkt. Hier dann auch mal wieder dezente Elektrosprengsel
Odernichtoderdoch: Würde man mir dieses Lied unbekannterweise vorspielen, ich würde wahrscheinlich auf die Helden tippen, da Stimme und Gesangsstil sicherlich nie näher an Judith Holofernes waren, als in diesem Song. DIE Ballade, die so sicher auf dem letzten Album noch nicht möglich gewesen wäre und für mich der Höhepunkt des Albums
Und was kommt nach dem Höhepunkt?
Je dis aime Ich sag Liebe feat -M-: Auch das letzte Album ging nicht ohne Ausfall ab und ein Aussetzer sei jedem zugestanden. Ihn direkt nach dem vermeintlich besten Stück zu bringen, lässt seine Schwäche natürlich umso augenfälliger werden, gestelzter Text und so völlig melodielos und dann endet das Ganze auch noch mit einem fürchterlichen Schweinegitarrensolo (ist M nicht dieser Franzose, ich hoff der war dafür nicht verantwortlich)
Engel: "Was gäb ich für Küsse wie kalte Kirschen
Zeit wie Sand am Meer
Was gäb ich her
wenn jeder Tag wie der Erste des Sommers wär"
Schon hat sie mich und viel bleibt nicht zu sagen, ausser das auch hier Gitarren bratzen diesmal aber eine Melodie tragen, die sicher noch im Radio zu hören sein wird
Dann war das wohl Liebe: Das Lied, das am ehesten an das polarisierende "was es ist" erinnert ohne seine Missverständlichkeit zu wiederholen. Einfach das Stück, das am nächsten an dieser Chansonhaftigkeit dran ist. Dieser leichte Nostalgieflair ist mir einiges wert
S.O.S: Das zweite Stück, das - diesmal von der Instrumentierung her- sehr stark an Wir sind Helden gemahnt, kommt auf leisen Sohlen, um sich spätestens mit dem Refrain im Ohr festzusetzen. ****
2 pieces: Erster Gedanke "Ich mag es nicht, wenn man auf einem Album Sprachen mixt, das wirkt auf mich meist so inhomogen". Zweiter Gedanke: Wäre dieses Lied auf deutsch gewesen wärs der nächste ***** geworden. Sound und Rhythmus hätten definitiv auch aufs letzte Notwist-Album (das auch schon wieder viel zu lang her ist), gepasst. Und mit Glockenspiel punktet man bei mir fast so sicher wie mit singender Säge
und zum Ausklang
Was Besonderes: Kein ruhiger Ausklang, eher ein Treibender, ein uns Zurufender: "Es kommt noch mehr von uns, wir stehn erst am Anfang", Geh mit uns.
"Ich bin und plötzlich fällt mir ein
es ist was ganz Besonderes zu sein"
Und ich bin dabei
Mia haben eine Entwicklung hinter sich vom NDW-Plagiat über Skandal-Band hin zum perfekten catchy Popsong. Ich begleite sie seit "Stille Post" und allen, die ohne zu Hören den Kopf schütteln: Sagt nicht ich hätte es euch nicht rechtzeitig gesagt.
Wahrscheinlich werden Mia die Schalter in den Köpfen der Leute, die damals geglaubt haben, die alleinige Weisheit und political Correctness gepachtet zu haben und in den meisten Fällen nicht mehr zu bieten hatten, als eine Lektion in Selbstbeweihräucherung, nicht mehr umlegen können, aber was solls, verpassen sie eben den Weg einer der besseren deutschen Bands nach oben.
6 Kommentar(e):