Für seine 14. Revisions-Sitzung hat sich das hohe Gericht die Band Suede vorgenommen. Als Anlass bot sich der 25. Jahrestag von „Coming Up“.
Daher stoßen wir heute auf Suede an und nehmen sie nach Morrissey, U2, The Smashing Pumpkins, a-ha, Talk Talk, The Cure, Massive Attack, The Clash, The Verve, Blur, Oasis, Depeche Mode und Radiohead in unsere Revisions-Liste auf.
„Suede“
1993, Nude (11 Songs; 45:36 Minuten)
Dirk:
Brett Anderson und Bernard Butler als legitime Nachfolger von Morrissey und Johnny Marr, dazu eine gehörige Portion David Bowie und fertig ist der Britpop-Startschuss und eines der besten Alben dieser Zeit.
Abseits der vier großartigen Songs mag ich persönlich die ruhigeren „Pantomime Horse“ und „Sleeping Pills“ besonders.
Ursprünglich sollte das Album übrigens „Animal Lover“ heißen und als Cover das vollständige Foto von Tee A. Corinne haben, was die Fotografin jedoch nicht authorisierte, so dass nur ein Ausschnitt zu sehen ist. Aus der ursprünglichen Trackliste wurden im Verlauf der Aufnahmen „My Invariable One“, „He’s Dead“, „Painted People“ und „To The Birds“ sowie die The Pretenders-Coverversion „Brass In Pocket“ gestrichen, auf Single B-Seiten verbannt und durch neuere Lieder ersetzt.
9,5 Punkte
Ingo:
Zu den Hochzeiten meines MTV-Konsums schickte die Band “The Drowners”, “Metal Mickey” und “Animal Nitrate” der Veröffentlichung ihres Debüts voraus. Spätestens mit “Animal Nitrate” gingen die Erwartungen durch die Decke. Der Einstieg auf Platz 1 der UK-Charts war bestens vorbereitet. “Suede” gab sogar noch ein paar weitere starke Titel her und somit war schon damals klar, dass die Band für mehr als einen Hit gut ist. Die Metaanalyse anderer Suede-Rankings ist eindeutig: Das Debüt ist bis heute das zweitbeste Album der Band. Nur Brett Anderson mochte “Bloodsports” zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lieber als “Suede”. Vielleicht sieht er es heute mit etwas Abstand anders.
9 Punkte
Oliver:
Vor kurzem las ich Luke Haines‘ autobiographischen Rückblick auf eine Zeit, in der die englische Musikpresse gefühlt nur noch eins kannte: Britpop und die wöchentliche Suche nach dem „next best thing“. In Haines‘ Buch „Bad Vibes“ kommen viele Bands und Protagonist:innen dieser Zeit nicht gut weg und auch Suede, in deren Schatten Haines‘ Band The Auteurs immer stand (aus der Sicht des Autors (höhö) natürlich völlig zu Unrecht), müssen hart einstecken. Wobei es noch nicht mal die gesamte Band trifft, eher schießt Haines sich auf Brett Anderson ein. Von mir erhält das Debutalbum von Suede einen halben Punkt mehr als das der Auteurs – und auch bei den Nachfolgealben haben Suede die Nase vorn. Sorry Luke.
9 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 9,167 Punkte
„Dog Man Star“
1994, Nude (12 Songs; 57:50 Minuten)
Dirk:
Ein um seinen verstorbenen Vater trauernder Butler vs. eine feierwütige Restband auf Drogen während einer USA-Tour, dazu Streitigkeiten während der Aufnahmen zu „Dog Man Star" über die Produktion (Bernard Butler vs. Ed Buller), Butlers Experimentierfreude und seine Pink Floyd geschuldete Vorliebe zu überlangen Songs, die alle anderen nicht teilen konnten (Mat Osman behauptete wohl, dass „Asphalt World“ im Original 25 Minuten lang war und ein 8-minütiges Gitarren-Solo von Butler beinhaltete), Butlers Kritik an Andersons Texten, Butler, der allein ohne die anderen aufnimmt und letztendlich Butler, der die Band wütend verlässt (oder verlassen muss), bevor alle Songs fertig gestellt sind.
„Dog Man Star“ lässt in der zweiten Hälfte qualitativ deutlich nach und man mag sich gar nicht vorstellen, wie gut das Album hätte werden können, wenn Suede die Single B-Seite „Killing Of A Flash Boy“ sowie „Stay Together“, „My Dark Star“ und „The Living Dead“ von der im Vorfeld veröffentlichten EP ans Ende der Platte gestellt hätten. So sind es knapp
9 Punkte
Ingo:
Ja nun, was soll ich sagen: Alle mir bekannten Rankings und Nerds sind sich einig. “Dog Man Star” ist das beste Suede-Album. Während sich viele Künstler (vor allem nach einem erfolgreichen Debüt) mit dem zweiten Wurf etwas schwer tun, veröffentlichte Suede mit dieser Platte ein Meisterwerk, welches sich aber für mich erst mit der Zeit als solches entpuppte. Im Vergleich zum Vorgänger fiel “Dog Man Star” kommerziell leider stark ab.
8,5 Punkte
Oliver:
In meinen persönlichen Alben-Top 10 des Jahres 1994 tummeln sich vermutlich Platten von Portishead, Chumbawamba, Morrissey, Adorable und ja, natürlich auch Pulp, Oasis und Blur. Ach ja, das zweite Album von Suede selbstverständlich auch. Und sogar ziemlich weit oben. Noch mit Bernard Butler aufgenommen, der die Band aber noch vor der Veröffentlichung des Albums verlassen sollte, sind Suede hier auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen. Eine bessere Platte sollte nicht mehr folgen. Liegt vermutlich am ganzen Pathos, das da reichlich vorkommt. Steh ich drauf – wisst ihr ja.
9,5 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 9,000 Punkte
„Coming Up“
1996, Nude (10 Songs; 42:27 Minuten)
Dirk:
Alle fünf Singles erreichen im Vereinigten Königreich die Top Ten und nach „Suede“ gelingt der Band ihr zweites Nummer-Eins-Album. Die Abkehr vom opulenten „Dog Man Star“ und die Hinwendung zu prägnanten Glam-Britrock-Hits zahlt sich aus. Brett Anderson & Co. können den Abgang von Butler Dank der Neuzugänge Richard Oakes, der sich als 17-jähriger für die frei gewordene Stelle als Gitarrist und Songwriter beworben hat, und Neil Codling (Keyboards) also gut verschmerzen, auch wenn ihnen Oasis, Blur und sogar Pulp den Rang abgelaufen haben.
Mit „Europe Is Our Playground“ und „W.S.D.“ gibt es wieder (mindestens) zwei großartige B-Seiten. Die im folgenden Jahr veröffentlichte Compilation „Sci-Fi Lullabies“ versammelt 27 dieser versteckten Schätze.
8,5 Punkte
Ingo:
Ein kommerziell enttäuschendes zweites Album und der Weggang von Bernard Butler: Die Vorzeichen für “Coming Up” stand wirklich nicht günstig. Doch mit Richard Oakes an der Gitarre und etwas gefälligeren Songs fand die Band wieder den Weg auf die Erfolgsspur. “Beautiful ones” war gefühlt ein Hit (er lief halt gut in der Stamm-Disco), auch wenn er nie die Charts toppte. Metaanalyse: Platz 3.
8 Punkte
Oliver:
Es ist 1996 und ich freu mich. Zum Beispiel über eine neue Platte von Suede. In meiner Erinnerung kaufte ich die CD auf einem Record Fair im Electric Ballroom in Camden Town weit vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin*. Und nur weil ich zu „Dog Man Star“ schrieb, dass Suede dort auf dem Höhepunkt ihres Schaffens ankamen, heißt das nicht, dass nachfolgende Alben keine hohen Punktzahlen mehr abräumen könnten. In diesem Fall…
8 Punkte
*Scheint wohl irgendwo vom LKW gefallen zu sein. Was mich an den Song „It Fell Off The Back Of A Lorry“ von Denim erinnert. Denim ist ein Projekt von Lawrence (Hayward), der in dem von mir bereits erwähnten Buch von Luke Haines als gefühlt einzige Person keine negativen Vibes abbekommt. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Erinnerungen nicht trügen, denn irgendwie bekomme ich den Veröffentlichungstermin des Albums nicht mit einer meiner London-Reisen in Einklang. Vielleicht ist das Ganze auch erst bei „Head Music“ passiert, tut der Geschichte aber keinen Abbruch…
Volker: -
Gesamturteil: 8,167 Punkte
„Head Music“
1999, Nude (13 Songs; 57:47 Minuten)
Dirk:
Brett Anderson ist drogensüchtig, Neil Coding leidet unter dem Chronischen Erschöpfungssyndrom, Richard Oakes fühlt sich in der Band nicht mehr wohl und trinkt zu viel, da nur drei seiner Songs für das Album ausgewählt werden und Suede einen deutlich elektronischeren Weg einschlagen möchten, Keyboards in den Vordergrund geschoben werden und seine Gitarrensounds verdrängen. Ed Buller ist nicht mehr der Richtige für diese Experimente, so dass diverse Produzenten und Studios ausprobiert werden. Letztendlich soll es Steve Osborne (Happy Montags, Lush, Placebo) richten. Unter den 13 Liedern befinden sich erstmals 5 Titel, die Anderson allein geschrieben hat sowie der einzige Suede-Song, „Elephant Man“ von Neil Coding, den Anderson nicht mit-komponiert hat.
„Everything Will Flow“ ragt für mich heraus, „Down“ klingt noch am ehesten nach den früheren Suede und live habe ich Brett Anderson schon eine schöne akustische Version von „She’s In Fashion“ spielen hören. Das war’s mit „Head Music“, dessen zweite Hälfte man sich fast sparen kann.
7 Punkte
Ingo:
“Everything will flow” hat sich erst über die Zeit als Highlight des Albums entpuppt. Mit “Electricity” und vor allem “She’s in fashion” erscheint die Auswahl der ersten Singles etwas unglücklich. In der Metaanalyse sichert sich “Head music” nur knapp den fünften Platz.
7 Punkte
Oliver:
Mein last.fm listet „Everything Will Flow“ auf Platz 15 meiner meistgehörten Suede Titel und ist damit mit Abstand mein meistgehörter Song von „Head Music“. Zu Recht, möchte ich sagen. Das komplette Album bekommt von mir…
7,5 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 7,167 Punkte
„A New Morning“
2002, Columbia (10 Songs; 38:59 Minuten)
Dirk:
Codling wird krankheitsbedingt durch Alex Lee, zuvor bei Strangelove, ersetzt. Die Aufnahmen ziehen sich über fast zwei Jahre, mehrere namhaft Produzenten, u.a. Tony Hoffer und Dave Eringa, sowie zahlreiche Studios werden ausprobiert. Letztendlich finden die Aufnahmen mit Stephen Street und John Leckie den Weg auf das Album, das kommerziell floppt: Platz 24 in Großbritannien für ein Album von Suede - eigentlich unvorstellbar.
Dass es eher Abenddämmerung als „A New Morning“ für Suede ist, erkennt die Band selbst und löst sich auf. Auf einer einige Jahre später erschienen Best of-Compilation finden sich 7 Single-B-Seiten aus den ersten beiden Alben, aber nur ein Song („Obsession“) aus „A New Morning“ wieder.
Leider klingt die Platte tatsächlich nur wie ein lauwarmer Aufguss eines Suede-Albums, ist aber dennoch besser als ihr Ruf. „One Hit To The Body“ oder „When The Rain Falls“ sind neben den beiden Singles empfehlenswert.
7 Punkte
Ingo:
Das Ergebnis der Metaanalyse ist eindeutig. “A new morning” wird einhellig als das bislang schwächste Suede-Album angesehen. Spontan konnte ich keinen Song des Albums benennen. Aber selbst das schlechteste Suede-Werk ist mir
6,5 Punkte wert.
Oliver:
Mir geht es hier ähnlich wie Ingo – ich hätte spontan kaum Songs dieses Albums benennen können. „Positivity“ hätte ich noch hinbekommen – danach große Leere. Apropos große Leere: Nach diesem Album machen Suede erstmal eine große Pause und es wird 10 Jahre dauern, bis sie sich (überaus positiv) zurückmelden werden.
7 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 6,833 Punkte
„Bloodsports“
2013, Warner Bros. (10 Songs; 39:46 Minuten)
Dirk:
Aus einem Konzert für den Teenage Cancer Trust in der Londoner Royal Albert Hall, werden mehrere Konzerte, werden Aufnahmen zu einem neuen Album. Zur zweiten Reinkarnation von Suede (als ohne Bernard Butler) gesellt sich im Studio auch wieder Ed Buller als Produzent hinzu. Das Ergebnis ist stimmig, auch wenn es nicht ganz die Qualitäten der drei ersten Alben erreichen kann.
8 Punkte
Ingo:
Ich stehe zu meinem Urteil aus dem Jahr 2013. Offensichtlich war dieses nämlich nicht stark durch die Freude über das Comeback der Band beeinflusst sondern einfach ein gutes Album. In der Metaanalyse landet es gleichauf mit “The blue hour” knapp hinter “Head music” auf dem sechsten Platz.
7,5 Punkte
Oliver:
Viele Bands schaffen kein Comeback, das sie qualitativ an vergangene Zeiten anknüpfen lässt. Bei Suede ist das definitiv anders: Die tun mal eben so, als wäre kein Jahrzehnt ins Land gezogen und hauen ein Album raus, mit dem keine:r (zumindest ich nicht) so gerechnet hätte.
8 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 7,833 Punkte
„Night Thoughts“
2016, Warner Music UK (12 Songs; 47:39 Minuten)
Dirk:
Wenn „Bloodsports“ den Spuren von „Coming Up“ folgte, dann atmet „Night Thoughts“ den Geist von „Dog Man Star“. Theatralisch, cineastisch, schwülstig und aufgeblasen kommt das mit einem Orchester aufgenommene und von einem Film begleitete Album teilweise daher. Gut, dass einige rockigere Songs wie „Outsiders“ oder „Like Kids“ das Album etwas erden. „Night Thoughts" war die fünfte Kooperation mit dem Produzenten Ed Buller und zum fünften Mal gibt es von mir mindestens
8 Punkte
Ingo:
Auf dem Niveau des Vorgängers und mit Platz 4 in der Metaanalyse das beliebteste Werk seit “Coming up”.
7,5 Punkte
Oliver:
8 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 7,833 Punkte
„The Blue Hour“
2018, Warner Music UK (14 Songs; 51:36 Minuten)
Dirk:
Oh, oh, ein Suede-Album, das nicht von Ed Buller produziert wurde! Das gab es zuvor nur bei „Head Music“ und „A New Morning“, Ergebnis bekannt. Aber Alan Moulder macht seine Sache gut, „The Blue Hour“ klingt wie aus einem Guss und stilistisch ähneln sich keine zwei Alben von Suede so sehr wie „Night Thoughts“ und „The Blue Hour“, das erneut mit einem Orchester aufgenommen wurde. Auch das Komponistenteam Anderson / Oakes / Codling liefert ab und mit „Life Is Golden“ auch gleich meinen liebsten Suede 2.0-Song.
8 Punkte
Ingo:
Das war mir schon 2018 einen Tick zu dramatisch und die Zeit hat dem Album nicht geholfen. Vielleicht täte der Band eine längere Pause mal wieder gut. Aber in der Metaanalyse immerhin noch einen Tick besser als “A new morning”.
6,5 Punkte
Oliver:
8,5 Punkte
Volker: -
Gesamturteil: 7,667 Punkte
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