Ob dieses Jahr noch ein neues Album von Radiohead veröffentlicht wird? Zeit wird es, denn „A Moon Shared Pool“ liegt bereits etwas mehr als ...

Revision: Radiohead



Ob dieses Jahr noch ein neues Album von Radiohead veröffentlicht wird? Zeit wird es, denn „A Moon Shared Pool“ liegt bereits etwas mehr als 5 Jahre zurück. 

Exakt zum 20. Mal jährt sich heute die Veröffentlichung von „Amnesiac“, daher stoßen wir auf Radiohead an und nehmen sie nach Morrissey, U2, The Smashing Pumpkins, a-ha, Talk Talk, The CureMassive Attack, The Clash, The Verve, BlurOasis und Depeche Mode in unsere Revisions-Liste auf. 





„Pablo Honey“

1993, Parlophone (12 Songs; 42:11 Minuten)

Dirk:
Eine ehemalige Schülerband, die immer freitags probte, daher On A Friday hieß und seit nunmehr 36 Jahren ohne Wechsel im Lineup existiert. Respekt. Seit 1991 ging es mit der EMI und unter dem Namen Radiohead professioneller zu und nach der wenig beachteten „Drill“ EP (mit 3 Songs des Debütalbums) brachte gleich die erste Single „Creep“ den Durchbruch. Neben diesem Übersong können mich auf „Pablo Honey“ noch „Anyone Can Play Guitar“, „Prove Yourself“ und das eher akustische „Thinking About You“ überzeugen. Für den US-Alternative Rock-Sound sorgten wohl auch die Produzenten, die zuvor mit Pixies, The Lemonheads oder Dinosaur Jr. im Studio waren.
Niemals vergessen werde ich mein erstes Radiohead-Konzert mit dem damals langhaarigen, blond gefärbten Thom Yorke im November 1993 in der Kölner Live Music Hall als Vorband von James.
7 Punkte

Ingo: 
Anscheinend kamen schon Menschen auf die Idee, alle 9 Radiohead-Alben zu ranken. Aus Anlass unserer Revision habe ich mir 20 dieser Listen herausgesucht und einer “Metaanalyse” unterzogen. “Pablo Honey” erreichte in all diesen Auswahlen bestenfalls den 6. Platz. In 14 von 20 Rankings landete das Debüt der Band auf dem letzten Platz. Das klingt eindeutig, mit einem Durchschnittsrang von 8,45 liebt es aber gar nicht so weit hinter der Platte mit dem offensichtlich zweitschlechtesten Ruf. 

“Schlecht” ist im Radiohead-Kosmos ohnehin ein relativer Begriff. Hätte Radiohead ausschließlich dieses Album hinterlassen, wäre es nicht nur wegen dem Hit und inzwischen Evergreen “Creep” vermutlich auch heute noch nicht komplett in Vergessenheit geraten. In den Hochzeiten des Grunge die Identität und den Sound der Band zu definieren war bestimmt kein einfaches Unterfangen. Ich finde die Herren aus Abingdon haben das mehr als ordentlich gemacht. 
7 Punkte

Oliver:
1993 – Britpop hieß offiziell noch nicht Britpop. Aber wenn man 1993 auf ein Konzert einer britischen Gitarrenband ging, bekam man bereits mindestens eine meist ebenbürtige Vorband mitgeliefert (was zwei, drei Jahre später zur Hochzeit des Britpop quasi zur Regel wurde: Die Manics spielten beispielsweise vor Suede, Sleeper vor den Boo Radleys – Vorband war da irgendwie nicht die richtige Bezeichnung). Im November 1993 spielten Radiohead vor James. Ob ich James oder Radiohead besser fand an diesem Abend, weiß ich nicht mehr. Pablo Honey war jedenfalls eine der meistgehörten Platten des Sommers. Und das nicht nur wegen Creep.
8 Punkte

Volker:
-

Gesamturteil: 7,333 Punkte





„The Bends“

1995, Parlophone (12 Songs; 48:37 Minuten)

Dirk:
Radiohead finden sich: Über den aktuellen Produzenten John Leckie kommen sie mit ihrem zukünftigen Produzenten Nigel Godrich zusammen (hier schon bei “Black Star” in dieser Rolle), Stanley Donwood entwirft erstmals ein Artwork für die Band, „Planet Telex“ entwickelt sich aus einem Drum Loop heraus, Thom Yorke greift öfter zur akustischen Gitarre und entdeckt den Falsettgesang für sich. Nur der gewünschte „Creep“-Nachfolger für den US-Markt (#34) findet sich nicht auf „The Bends“. Den Status eines One-Hit-Indierock-Wonders können Radiohead dennoch abstreifen und auf voller Albumlänge überzeugen. Kein Wunder, dass sich Post-Britpop-Bands wie Coldplay oder Travis auch auf diesem Album berufen, wenn ihre Einflüsse benannt werden sollen. 
9 Punkte

Ingo: 
In den besagten Liste als Grundlage der Metaanalyse landete “The Bends” auf den Plätzen 2 bis 8. Nur ein Album wurde noch “uneinheitlicher” eingestuft. Im Durchschnitt landet es bei 4,25 und deutlich hinter den Podiumsplätzen auf dem 4. Platz.

Mit Nigel Godrich als Recording Engineer näherte sich die Band bei den Aufnahmen zu “The Bends” ihrem zukünftigen Producer. Prägend war sein Einfluss vermutlich noch nicht. Alternative, Britpop, Indie und auch noch Nachwirkungen des Grunge: Mit diesem Album streute die Band so weit im Rock wie nie. “High and dry”, “Fake plastic trees”, “Just”, “My iron lung” und “Street spirit” sind in meiner Wahrnehmung Hits. Ist “The Bends” am Ende das Hitalbum der Band? Auf jeden Fall machte es der Band Mut für oder Lust auf Experimente. 
8,5 Punkte

Oliver:
High And Dry, Fake Plastic Trees, My Iron Lung. Mein 24-jähriges Ich fragte sich, was danach noch kommen soll.
9 Punkte

Volker:
-

Gesamturteil: 8,833 Punkte





„OK Computer"

1997, Parlophone (12 Songs; 53:21 Minuten)

Dirk:
Den Albumtitel lieferte Zaphod Beeblebrox („Okay, computer, I want full manual control now.“) und die Wirkung von „Ok Computer“ ist wie die des vom ehemaligen Präsidenten der Galaxie erfundenen Pan Galactic Gargle Blaster ("is like having your brain smashed out by a slice of lemon wrapped round a large gold brick“). Genau so ist es, „OK Computer“ ist der pangalaktischer Donnergurgler unter den Rock-Alben.
10 Punkte 

Ingo:
Knapp landet “OK Computer” in der Metaanalyse auf dem zweiten Platz, obwohl es 7 von 20 Rankings anführt. Aber der der Durchschnittsplatz ist mit glatt 2 dann doch eindeutig. 

Den Hype um “OK Computer” konnte ich nie ganz nachvollziehen. Die Gitarrenausbrüche auf “Paranoid android” waren und sind mächtig, aber über die gesamten 6:27 Minuten des Songs trugen sie mich nie. Thom Yorkes gebrochene Stimme auf “Karma police” zog mich in ihren Bann aber das war es für mich auch schon fast mit den Höhenpunkten (vielleicht abgesehen vom rockigen Electioneering). Für die Experimentierfreude gibt es einen Bonuspunkt, aber nur durch diesen zieht das Album bei mir mit dem Vorgänger gleich. 
8,5 Punkte

Oliver:
Wahrscheinlich habe ich es schon mal irgendwo erwähnt: Glatte 10 Punkte vergebe ich höchst selten und die Anzahl der Alben, die den Perfect Score erreichen ist weiterhin einstellig. OK Computer ist so eine perfekte Platte. Und um nochmal die Vorband-Geschichte aufzugreifen: Das Konzert zum Album wurde von The Divine Comedy eröffnet. Perfekt!
10 Punkte

Volker:
-

Gesamturteil: 9,500 Punkte





„Kid A“

2000, Parlophone (10 Songs; 49:56 Minuten)

Dirk:
Radiohead erfinden sich neu. Sie planen zunächst ein Doppelalbum, verweigern die Auskopplung einer Single, experimentieren mit Samples, lassen sich von elektronischer Tanzmusik, Krautrock, Jazz, Ambient und Klassik inspirieren, testen die Möglichkeiten fast schon historisch zu nennender elektronischer Musikinstrumente, wie die Ondes Martenot, aus und lösen ihre ursprüngliche Aufgaben- sowie Instrumenteverteilung innerhalb der Bands auf. 
„Kid A“ vermag es auch heute noch mich zu verwirren und zu überraschen. „Everything In Its Right Place“, „How To Disappear Completely" und „Idiotheque“ gehören dennoch zu meinen liebsten Radiohead-Liedern. 
8 Punkte

Ingo:
Mit 1,85 und 8 von 20 Pole Positions liegt “Kid A” am Ende knapp vor “OK Computer” und ist damit der Gewinner der Metaanalyse. Beide Alben sind in keiner Liste schlechter als mit dem vierten Platz bewertet. Das Spitzenduo ist daher recht klar definiert. 

Tatsächlich kann ich mit “Kid A” mehr anfangen als mit dem gelobten Vorgänger. “OK Computer” war die nötige Vorbereitung für die Band und auch für die Hörer. Erst “Kid A” ist aber für mich die Definition des Phänomens Radiohead. 
9,5 Punkte

Oliver:
Mit Kid A hatte ich Probleme. Zumindest anfangs. Irgendwie entsprach der Sound nicht meinen Erwartungen, die ich an ein neues Radiohead Album hatte. Zum Glück habe ich der Platte mehrere Chancen gegeben – irgendwann hatte sie mich. Und im Nachhinein betrachtet war das natürlich der einzig richtige Weg der Weiterentwicklung.
9,5 Punkte

Volker:
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Gesamturteil: 9,000 Punkte





„Amnesiac“

2001, Parlophone (11 Songs; 43:57 Minuten)

Dirk:
Ein halbes Jahr nach „Kid A“ wird das im gleichen Zeitraum entstandene „Amnesiac“ veröffentlicht. Das Album ist Dank „Pyramide Song“ oder „You And Whose Army?“ mehr als ein Appendix oder nur eine Sammlung von Outtakes und Überresten. Unter den B-Seiten der Singles gibt es mit „The Amazing Sounds Of Orga“ oder „Fog“ noch spannende Entdeckungen. In Deutschland kam kein Album von Radiohead näher an die Spitze der Charts (#2). Knapp
8 Punkte 

Ingo:
20 Jahre “Amnesiac” waren der Auslöser für diese Revision. Tatsächlich landet das Album mit einem Meta-Durchschnitt von 6,35 und dem 6. Platz auf den hinteren Rängen. Aber es handelt sich ja auch nur um die “Resteverwertung” aus den “Kid A”-Sessions. Das reicht locker noch für ein tolles Album. 
8 Punkte

Oliver:
Thom Yorke sagte mal, „that Kid A is about “looking at the fire from afar”, while Amnesiac is “the sound of what it feels like to be standing in the fire“”. Ich stehe dann wohl lieber etwas weiter weg vom Feuer:
8,5 Punkte

Volker:
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Gesamturteil: 8,167 Punkte





„Hail To The Thief“

2003, Parlophone (14 Songs; 56:53 Minuten)

Dirk:
Der Großteil von „Hail To The Thief“ wurde innerhalb von zwei Wochen nahezu live eingespielt, da die Band wieder gemeinsam musizieren und nicht nur auf Computerbildschirme starren wollte. So nah sollten Radiohead einem Rock-Album in diesem Jahrtausend nicht mehr kommen, auch wenn bei Thom Yorke und Jonny Greenwood auch der Laptop als Instrument angegeben wird. Warum das Album in der Rezension häufig so schlecht weg kommt, kann ich bei Songs wie „2+2=5“, „Sit Down. Stand Up“, „Where I End And You Begin“, „The Gloaming“ oder „There There“ nicht nachvollziehen. Schon eher das von Radiohead selbst geäußerte Argument, dass das Album zu lang geraten sei. 
8,5 Punkte 

Ingo:
Ähnlich eng wie zwischen “Kid A” und “OK Computer” an der Spitze ging es auch zwischen “Hail to the thief” und “Amnesiac” zu. Mit einem Durchschnittsrang von 6,5 landete “Hail to the thief” knapp hinter “Amnesiac” auf Platz 7. Über Rang 5 kam “Hail to the thief” in keiner Liste hinaus. Neben “Pablo honey” und “The King Of Limbs” ist “Hail to the thief” die einzige Radiohead-Platte, die in den von mir betrachteten Rankings auf dem letzten Platz landete, allerdings nur zweimal. 

“Where I end and you begin” ist für mich einer der besten Titel der Band. “There, there” und “2 + 2 = 5” sind ebenfalls stark. Überraschend ist die Rückkehr der Gitarren. Einige Titel des Albums klingen für mich zu fragmentarisch. Vielleicht war ich bislang noch nicht reif für “Hail to the thief”.
8,5 Punkte

Oliver:
2003 stand ich wohl auf niedlichen Indie-Pop. Ganz oben in meiner Hitliste finden sich Alben von Belle & Sebastian, Camera Obscura oder The Essex Green. Hail To The Thief liegt aber nur ganz knapp dahinter.
8 Punkte

Volker:
-

Gesamturteil: 8,333 Punkte





„In Rainbows“

2007, XL Recordings (10 Songs; 42:39 Minuten)

Dirk:
Der Vertrag mit EMI endet nach „Hail To The Thief", Radiohead nehmen sich eine Auszeit, es erscheinen erste Solo-Werke von Thom Yorke und Jonny Greenwood, im Studio versuchen es Radiohead dann zunächst erfolglos ohne ihren Produzenten Nigel Godrich und überlegen sogar kurzzeitig, die Band komplett auf Eis zu legen, und auch die Zusammenarbeit mit einem anderen Produzenten (Spike Stent) führt nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Gemeinsame Konzerte und „ein Tritt in den Allerwertesten“ durch Nigel Godrich bringen die Aufnahmen von „In Rainbow“ endlich in die Spur. 
Dann überraschen Radiohead als bekannteste vertragslose Band der Welt auch noch mit einer Pay-what-you-want Veröffentlichung des Albums. In meinen Warenkorb wanderte das limitierte Box Set von „In Rainbows“ - ich habe es nicht bereut:
8,5 Punkte  

Ingo:
Von Platz 1 bis Platz 8 deckt “In rainbows” tatsächlich den größten Bereich in anderen Bestenlisten ab. Platz 8 ist allerdings ein Ausreißer. 5 von 20 Wertungen stufen das Album sogar als bestes Werk der Band ein. Der Schnitt der Metaanalyse liegt bei Rang 2,75. 

Anfänglich verunsicherte mich die Veröffentlichungspolitik. Wie gut konnte ein auf Wunsch kostenloses Album sein? Erst als ich die “Limited Edition” (oder wie sie sich nannte) in der Hand hielt und das Werk auf diesem Weg hörte, gewann es. Mit der Zeit immer mehr. Damals vergab ich 8 Punkte, nun lege ich nach. Für mich ist “In rainbows” das subtilste Album Radioheads. 
8,5 Punkte  

Oliver:
Im Erscheinungsjahr habe ich 9,5 Punkte gezückt. Ich korrigiere minimal nach unten:
9 Punkte

Volker:
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Gesamturteil: 8,667 Punkte





„The King Of Limbs“

2011, XL Recordings (8 Songs; 37:34 Minuten)

Dirk:
Auch „The King Of Limbs“ wurde zunächst als Download, jedoch zu einem festgelegten Preis von £6, angeboten. Für mich sollte es die wieder einmal die tolle Special Edition sein. Leider kommt diese - anders als „In Rainbows“ - ohne zusätzliche Songs daher. So bleibt „The King Of Limbs“ aufgrund von nur 8 Titeln und seiner Kürze etwas enttäuschend. Dass Radiohead im gleichen Jahr noch „Supercollider“, „The Butcher“, „The Daily Mail“ und „Staircase“ veröffentlichen sollten, macht die Sache nicht besser - hätte aber meine Bewertung für das Album ändern können:
7,5 Punkte

Ingo:
In der Metaanalyse landet “The King Of Limbs” dank einem Durchschnitt von 7,9 knapp vor “Pablo honey”. Nur bei vier von 20 Listen landete es auf dem letzten Platz. Über den sechsten Rang kommt es aber auch nie hinaus. 

Dieses Album brachte mir hier vor Gericht eine Belehrung aus Paris wegen meiner Interpretation von “gut” ein. Gegenüber damals ziehe ich 0,5 Punkte ab. Wie kann eine Platte mit “Lotus flower” und “Bloom” nicht als “gut” empfunden werden. Darüber hinaus ist es in seiner Gesamtheit ein toller Trip. 
8 Punkte

Oliver:
In meinem persönlichen Radiohead-Universum das schwächste Album.
7 Punkte

Volker:
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Gesamturteil: 7,500 Punkte





„A Moon Shaped Pool“

2016, XL Recordings (11 Songs; 52:31 Minuten)

Dirk:
Nanu, warum besitze ich denn nicht die Special Edition, die Radiohead über ihre Webseite verkauft haben? Was ist denn da schief gelaufen? Beim sehr düsteren „A Moon Shared Pool“ ist nicht viel schief gelaufen, auch wenn es doch sehr verwunderlich ist, dass an „True Love Waits“ seit 1995 und an „Burn The Witch seit „Kid A“-Zeit herum gewerkelt wurde. Ach, eine Sache ist doch daneben gegangen: „Spectre“ wurde als Titelsong für den gleichnamige James Bond Film zurückgewiesen.
8,5 Punkte

Ingo:
“The bends”, “Amnesiac” und “A moon shaped pool” bilden das wahre Mittelmaß in Radioheads Karriere: Allein diese Alben haben in keiner der Listen den Spitzenplatz errungen oder die rote Laterne angehängt bekommen. Mit einem Durchschnittsrang von 4,9 reiht sich “A moon shaped pool” etwas hinter “The bends” ein. 
8,5 Punkte damals. 8,5 Punkte heute. 

Oliver:
9,5 Punkte

Volker:
-

Gesamturteil: 8,833 Punkte


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