Beim Blick auf das Plattencover fällt mir ein, dass jeder einmal einen Durchhänger haben kann. Im Fall von PeterLicht war dies sein letztes...

PeterLicht - Beton und Ibuprofen


Beim Blick auf das Plattencover fällt mir ein, dass jeder einmal einen Durchhänger haben kann. Im Fall von PeterLicht war dies sein letztes Album „Wenn wir alle anders sind“, seine erste Veröffentlichung bei Tapete Records, auf der er tatsächlich vieles anders und leider auch vieles falsch machte: u.a. Reggae, „Die Internationlae“, AutoTunes, noch mehr AutoTunes und die unerwartete (und unnötige) Abkehr von der Anonymität. Als Quittung gab es 2018 den drittletzten Platz bei Platten vor Gericht mit gerade einmal 4,3125 Punkten). Gut für ihn, dass in diesem Jahr Kylie Minogue und Olli Schulz noch schlechtere Alben ablieferten.

Dabei mögen wir PeterLicht eigentlich! Exakt 10 Jahre vorher wäre ihm fast der ganz große Wurf mit „Melancholie und Gesellschaft“, das mit 8,5 Punkten fast doppelt so gut abschnitt wie „Wenn wir alle anders sind“, und er sich am Ende des Jahres Platz 2 zwischen Oasis und Sigur Rós sichern konnte.   

Gemeinsam mit Boris Rogowski und Benedikt Filleböck (Wolke, Die Sonne) entstand nun in Köln „Beton und Ibuprofen“, das von feiner Wortakrobatik („Wenn du traurig bist“) bis hin zu gewohntem Indiepop („Die Technik wird uns retten“) wieder vieles zu bieten hat, was wir an PeterLicht zu schätzen wissen. Die Überraschungen (und leider auch AutoTune) warten auf der zweiten Plattenseite: beim melancholischen „Verloren“ säuseln weibliche Stimmen im Refrain, „…e-scooter deine Liebe“ ist ein Sonnenschein-Hit, der in einer Playliste nach „Dolce Vita“ als nächstem Song verlangt, „Beton ist ein schweres Thema“ und ein kurzer Gitarren-Punkrock-Ausbruch, während „Lost Lost Lost World“ ein knapp 8-minütiger Spoken-Word-Beitrag ist. 


 


Der Sound bleibt Indiepop, der mit Gitarre und Elektroklängen eingängig und angenehm schmeichelt: Schönes Radiofutter möchte man meinen, wären da eben nicht die kritischen kapitalismusgeiselnden und kryptischen Texte. Dem Hörer rät er zum Schlucken von Schmerztabletten im psychedelisch abdriftenden "Ibuprofen", in dem eine ganze Reihe bekannter Medikamente in einer Helge-Schneider-Manier aufgezählt werden: "nimm doch noch‘n Ibuprofenchen“.


 


Das erste, „Wenn du traurig bist“, erzählt von okayen Häusern mit falschen Leuten drin, aber auch von einem Mantel, den man nicht hat, weil man pleite ist, weshalb man sich bloß nicht einbilden sollte, einen schützenden Mantel zu besitzen. Diese Fabelsprache über den Kapitalismus ist typisch für PeterLicht. Eingebunden wird sie in eine Musik, die sich traut, schön und offen zu sein: Gitarren-Elektro-Indie-Pop, der theoretisch Massen gefallen könnte – wenn der Künstler bereit wäre, sein Publikum in Sicherheit zu wiegen.




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