Um bei Metacritic aktuell in die - Genre übergreifenden - Top 20 des Jahres 2021 zu kommen, benötigt eine Platte einen Metascore von mindestens 88/100 Punkten. Von den bei Platten vor Gericht vorgestellten Alben wären dies „Carnage“, „Blue Weekend“, „Ignorance“ und „Jubilee“. Ergänzt wird dieses Quartett heute um „Valentine“.
Neben Phoebe Bridgers und Michelle Zauner (The Japanese Breakfast) wird Lindsey Jordan, aka Snail Mail, immer wieder als Indie-Hoffnungsträgerin tituliert. Vielleicht war der Erwartungsdruck nach dem hochgelobten Debütalbum „Lush“ (2018) daher etwas zu hoch und die Verlockungen während des Rock’n’Roll-Tourlebens zu groß, auf jeden Fall vergingen 3 Jahre bis zu „Valentine“, in denen sie sich zwischenzeitlich auch in eine Entzugsklinik begeben musste. Erfahrungen, die sie im Song „Ben Franklin“ verarbeitete. Erfahrungen, die sie dazu veranlassten, sich stimmlich mehr Abwechslungsreichtum zuzutrauen sowie sich musikalisch zu öffnen und ihrem Indierock („Glory“, „Valentine“) die Tür zum Pop weit zu öffnen. Synthie-Klänge („Ben Franklin“) und Streicherarrangements („Mia“, „Light Blue“) inklusive.
Das zweite Album von Snail Mail entstand in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Brad Cook (Bon Iver, The War On Drugs, Kevin Morby, Waxahatchee, Hiss Golden Messenger) in dessen Studio in Durham, North Carolina. Zum Komponieren hatte sich die 22-Jährige während der Pandemie ins Haus ihrer Eltern in Baltimore zurück gezogen.
„Valentine“ ist als CD und LP erschienen. Von der Schallplatte gibt es zahlreiche limitierte Auflagen: Gold Explosion Vinyl, Red Dark Swirl (Merlot Wave) Vinyl, Clear Vinyl, Pink & Gold Galaxy Vinyl, Pink Glass Vinyl, Hot Pink Vinyl und White And Gold Explosion Vinyl.
Snail Mail in Deutschland:
03.03.22 München, Ampere
04.03.22 Dresden, Groovestation
12.03.22 Berlin, Columbia Theater
13.03.22 Hamburg, Knust
15.03.22 Köln, Gebäude 9
Während das auch schon sehr schöne Debüt vielleicht noch etwas starr an einem vor allem an die Neunziger angelehnten Gedanken festhielt, wie Indie-Rock zu klingen habe, sind die bittersüßen Ohrwürmer auf "Valentine" nämlich nun bis in die hintersten Ecken ausarrangiert. Die Gitarren sind weniger schrammelig und dafür präziser, werden gezielter eingesetzt und manchmal durch feine Synthie-Flächen oder erstaunlich klischeefreie Streicher ergänzt. Die Drums trauen sich hier und da sogar, tanzbar zu sein. Auch ihr früher so introvertierter Gesang bricht öfter aus, wagt sich mal in die Kopfstimme, kratzt, leidet, bricht. Immer wieder findet sie außerdem neue Schleichwege durch die typischen Indie-Formeln und gibt dem Hörer durch überraschende Schlenker das Gefühl, als könnte jedes noch so kurze Outro die Startidee für einen weiteren Track sein. Anders gesagt: Auf "Valentine" geht der vom frühen Erfolg verschreckte Teenager also weit aus sich heraus. Ein Album wie ein herzerwärmender Coming-of-Age-Film.
Der Song „c. et al.“ wird von einer Akustikgitarre begleitet, in der schunkelnden Ballade „Forever (Sailing)“ mischt sich gar ein Stimmeffekt unter Jordans Gesang. Das eingängige „Ben Franklin“ beginnt mit einem groovigen Drumbeat sowie einem modulierten Bass und lässt die Synthesizer walten. Das Drama, das Snail Mail in ihrer Musik inkorporiert, ist allerdings nicht verschwunden.(taz)
6,5 Punkte
AntwortenLöschenDie erste sagte mir deutlich mehr zu
AntwortenLöschen5,5
AntwortenLöschenIch bin mit 6,5 Punkten dabei.
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