„Home Is So Sad“, ein Gedicht von Philip Larkin, und die Explosionskatastrophe in Beirut  vom 4. August 2020, die zwei Mitglieder der Band P...

Postcards - After The Fire, Before The End



„Home Is So Sad“, ein Gedicht von Philip Larkin, und die Explosionskatastrophe in Beirut  vom 4. August 2020, die zwei Mitglieder der Band Postcards in ihrer Wohnung in der Nähe des Hafens selbst miterleben mussten, inspirierten sie zur ersten Single aus ihrem neuen Album. Bei dem Unglück wurden mindestens 207 Menschen getötet, mehr als 6.500 verletzt. Schlagzeuger Pascal gehörte zu letzteren, Sängerin Julia blieb unverletzt, da sie in dem Moment mit dem Rücken zur Wand stand. 


 


Die Explosion ereignete sich mitten in der Entstehung des zweiten Albums der Postcard und fand auch ihren Weg auf das Plattencover und in den Albumtitel. Von Januar 2020 bis Januar 2021 arbeiteten Julia Sabra (Gesang, Gitarre, Keyboards), Pascal Semerdjian (Schlagzeug) und Marwan Tohme (Gitarre) am Nachfolger von „The Good Soldier“, der erneut mit dem Produzenten Fadi Tabbal in den Tunefork Studios in Beirut aufgenommen wurde. Im April 2021 waren die Aufnahmen der 9 Songs beendet, an deren entgegengesetzten Polen der Opener „Mother Tongue“, ein trockener Rocker, wie man ihn beispielsweise von den Blood Red Shoes oder The Kills erwarten würde, sowie „Summer“ stehen. Dieses Lied steht exemplarisch für den eher typischen Dreampop des Beiruter Trios und würde in all seiner Julee Cruise-Entrücktheit ideal in einer kommenden Staffel der Serie „Twin Peaks“ zu einem Gast-Auftritt der Band im Roundhouse passen.

After The Fire, Before The End“ wurde am 15. Oktober über das deutsche Label T3 Records als Download, CD und LP veröffentlicht. Die limitierte Auflage der Platte gibt es als creamy white Vinyl.


 


Es wird also bis auf Weiteres ein Rätsel bleiben, wieso gerade dieses Album - zumindest auf der musikalischen und der atmosphärischen Ebene - nicht in einem rabenschwarzen musikalischen Malstrom in den Abgrund führt. Im Vergleich insbesondere zum letzten Album "The Good Soldier" - bei den druckvolleren Songs wie etwa dem fast rockigen Opener "Mother Tongue" - sicher auch einer Bekenntnis zu der Herkunft der Postcards - kommt eine gewisse trotzig/kämpferische Note zum Vorschein und die sanftmütigen Balladen klingen sogar versöhnlich und definitiv wird den positiven Aspekten mehr Raum gegeben, als den offensichtlichen, destruktiven. Wie Julia in dem Song "If I Die" deutlich macht, wartet sie also weniger auf den Tod, sondern klammert sich an die - vielleicht ja vergebliche - Hoffnung an die Sonne, das Licht und einen Neubeginn. "After The Fire, Before The End" ist somit nicht nur ein musikalisch bemerkenswert ausgeglichenes Album, sondern auch ein starkes Statement einer Band, die es nun wirklich nicht leicht hat.


 


Dabei versucht das neue Album "After the Fire, Before the End" erst gar nicht mehr, Augenblicke der Seelenruhe heraufzubeschwören. Stattdessen umarmt das neue Album die Allgegenwärtigkeit der Krise, beschwört ein Leiden, freilich ohne in Selbstmitleid aufzugehen. (…) Bei POSTCARDS werden introspektive, bittersüße Lyrics oft um eine gesellschaftliche, politische Dimension bereichert. So auch in der neuen Single "Mother Tongue": Die nervöse Basslinie und eruptive Gitarren fangen viel von der Atmosphäre ein, die Beirut in diesen Tagen dominiert. Es gerät zur Abrechnung mit der Heimatstadt, der längst jede Geborgenheit abhandengekommen ist.




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