Dritter, letzter und für uns musikalisch (für uns) schwächster Tag des Down The Rabbit Hole Festivals. Den Hauptact Janelle Monáe werden...

Lewis Capaldi - Divinely Uninspired To A Hellish Extent


Dritter, letzter und für uns musikalisch (für uns) schwächster Tag des Down The Rabbit Hole Festivals. Den Hauptact Janelle Monáe werden wir uns sparen und im Verlauf des Tages die Auftritte von LP, Amber Arcades, AURORA, Beirut und Foals besuchen. Da keiner dieser Künstler mit einer neuen, hier bisher noch nicht vorgestellten Platte aufwarten kann, wenden wir uns einem Musiker zu, den wir gestern zu Gunsten von Hayden Thorpe einen Korb gegeben haben. Zumindest sorgte der Hype um den neuen Ed Sheeran/George Ezra/… dafür, dass wir ausreichend Platz vor der Bühne hatten.

Lewis Capaldi ist ein 22-jähriger Schotte, der 2017 mit seinem digital veröffentlichten Song „Bruises“ die Aufmerksamkeit eines Major Labels wecken konnte und unter Vertrag genommen wurde. Zig-Millionen Spotify-Aufrufe und Platz 16 für die Debütsingle in den britischen Charts waren die Folge und erst der Anfang: „Grace“ knackte Ende 2018 die Top Ten (#9), „Someone You Loved“ erreichte Platz 1 und „Hold Me While You Wait“ kam auf Rang 4. Auch das dazugehörige Album „Divinely Uninspired To A Hellish Extent“ setzte die Erfolgsgeschichte fort und verkaufte im Vereinigten Königreich 2,3 Millionen Einheiten. Zudem hagelte es weltweit Platin- und Gold-Schallplatten sowie einen gehässigen Kommentar von Noel Gallagher: „Music is fucking wank at the moment. Who’s this Capaldi fella?“ Diesen konterte Capaldi bei seinem Glastonbury Auftritt mit einem T-Shirt, das Noel Gallaghers Konterfei in einem großen roten Herz zierte. 




Es gehört schon eine Menge Talent dazu, einen Song wie die ebenfalls gehypte Single "Someone you loved" zu schreiben: unerwartete Brüche in der Melodie, eine schlichte, aber nicht beliebige Klaviermelodie und eine schnelle, emotionale Entwicklung, die bei Capaldis wirkt wie ein stimmlicher Kraftakt. So ergreifend das Stück ist, so abrupt endet es auch: kein vorbereitendes, emotionales Absacken, kein Mikrofon, das langsam abgedreht wird. (…)
Der Fokus von "Divinely uninspired to a hellisch extent" liegt dennoch auf balladesken Lovesongs, so wie beim anmutig langsamen "Lost on you" oder in "Fade", wo in Capaldis Stimme auch bluesiges Brummen zum Vorschein kommt. Und stellt man einen Vergleich an, wird auch ein weiterer Unterschied zu Ed Sheeran und Co. deutlich: Die Stücke klingen nicht durchkonstruiert oder darauf angelegt, möglichst viele Menschen zu erreichen. Das Gefühl, dass Capaldi seine Songs nur für explizit angesprochene Personen geschrieben hat, bewahrt er sich auch in ihnen. Zwar sind einige ausgeschmückter als andere, im Kern basieren sie aber alle auf sehr rohen und dennoch charmanten Songwriter-Künsten. Und irgendwo muss ein Hype ja auch herkommen.
(Plattentests)




Die durchweg subtil und zurückhaltend inszenierte Instrumentierung hebt sich schon mal positiv hervor. Gitarre und Klavier beherrschen beinahe durchgehend das musikalische Geschehen. Kein Song wirkt unnötig überladen. Die Stimme Capaldis entfaltet sich gut, insbesondere bei Balladen wie dem sehr intimen "Bruises" oder dem elegischen "Lost On You". Auf der lyrischen Seite dominiert adoleszenter Herzschmerz mit all seinen Facetten: toxische sowie zu Ende gehende Beziehungen, Verlustängste, die große Liebe, Sehnsucht, die Leiden des jungen L. Lediglich "Hollywood" handelt von der inneren Unsicherheit, wenn man zum ersten Mal weit weg von Zuhause ist - übrigens der einzige, etwas fröhlichere Uptempo-Song. (…)
"Divinely Uninspired To A Hellish Extent" ist ein sanftes Stück Musik, das den Hörer in den Arm nimmt und Verständnis für schwierige Angelegenheiten zeigt. Es sind berührende Songs, die jeder versteht. Darin liegt auch das Problem: Das unerbittliche Pop-Konstrukt verschenkt das unverkennbare Talent des Lewis Capaldi ein wenig. Sein Erfolg tröstet ihn darüber hinweg.
(laut)




Lewis Capaldi in Deutschland:

26.10.19 Köln, Essigfabrik
02.11.19 München, Neue Theaterfabrik
05.11.19 Hamburg, Docks
06.11.19 Berlin, Astra Kulturhaus




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