Courting - Lust For Life, Or: ‘How To Thread The Needle And Come Out The Other Side To Tell The Story


Was vielleicht nicht alle wissen: Wir küren nicht nur unser Album des Jahres sondern vergeben auch noch den ein oder anderen Sonderpreis, beispielsweise für besonders gelungenes Artwork oder auffallend schönes Vinyl. Courting wissen davon, obwohl sie auf ihrem neuen Album kein Lied davon singen. Letztes Jahr räumten sie für „New Last Name “ unangefochten den Preis für den besten Merchandise-Artikel ab. Ein Schwert! Dieses Jahr erhielten sie bereits Nominierungen in den Kategorien „Längster Albumtitel“ und „misslungenstes Plattencover“. Jetzt aber zur Musik.

 „Lust For Life, Or: ‘How To Thread The Needle And Come Out The Other Side To Tell The Story“ ist das dritte Album des Quartetts aus Liverpool und trotz seiner Kürze (8 Titel in unter 26 Minuten) eine abwechslungsreiche Platte: Nach einem kurzen Geigen-Intro folgt das polternde und lärmende „Stealth Rollback“, doch nach diesem Fehlstart wird es besser: „Pause At You“ ist ein energetischer, gitarrenrockender Indiediscotanzflächenfüller erster Güteklasse und hätte Courting vor 20 Jahren im Schwung der Class of 2005 zusammen mit Bloc Party, Editors, The Futureheads, Franz Ferdinand, Arctic Monkeys, Maximo Park oder Kaiser Chiefs groß werden lassen. Gleiches gilt für das anschließende „Namcy“ sowie „After You“. „Eleven Sent (This Time)“ klingt so, als hätten Black Country, New Road einen melodiösen indiepop-Song eingespielt. Der Titelsong „Lust For Life“ ist kein Iggy Pop oder Lana Del Rey Cover, sondern wandelt sich im Verlauf von sechseinhalb Minuten von sanfter Electronica mit AutoTune-Gesang zu einem The Strokes mäßigen Gitarrenrocker.
Courting schaffen es in diese knappe halbe Stunde ein Konzept zu quetschen, denn jeder Song auf dem Album ist mit einem anderen verflochten und existiert in der gleichen Art von Welt.

Courting sind Sean Murphy-O’Neill (Gesang, Gitarre, Produktion), Sean Thomas (Schlagzeug), Joshua Cope (Bass, Gitarre) und Connor McCann (Bass). „Lust for Life, Or: ‘How To Thread The Needle And Come Out The Other Side To Tell The Story“ wurde am 14. März als CD und LP (black Vinyl) veröffentlicht. Ohne nennenswerte Merchandise-Artikel. 


  


Mit einem gehörigen Stilbruch lauern nach "Stealth rollback" gleich drei extrem eingängige Stücke zwischen Dance-Punk und Indie-Pop. Boring? Mitnichten. Hat man doch aus dem Genre zumindest länger wenig Frischeres gehört als den Parade-Indierocker "Namcy" oder das Bewegung stiftende "Pause at you". Und mit "Eleven sent (This time)" zeigt die Band anschließend, dass sie auch hochmelodiösen Indiepop mit formidabler Punchline beherrscht. "After you" feuert dann die sich in Vorfreude bereits anquetschende Menge vor den Oasis-Reunion-Bühnen des Sommers 2025 an.
Doch der nächste Bruch lauert schon. Das coole "Lust for life" steigert sich erst hintenraus und legt einen feinen Turn, nein, einen kompletten Haken hin, der nur auf der Tanzfläche enden kann. Bevor der Closer einen Klaxons-Dance-Beat aufdreht, als sei 2006 gerade gestern gewesen. 


 


Das Spiel mit den Genres und die Abwehrhaltung gegenüber dem der Popmusik inhärenten Drang nach Wiedererkennung schwingen bei Courting noch immer mit. Das mit der Tür ins Haus fallende „Stealth Rollback“ bestätigt dies aufs Trefflichste.
Trotz aller Experimentierfreude hält mit dem dritten Stück „Pause At You“ eine gewisse Ordnung Einzug. Der Sound wird kompakter und zielgerichteter. Leadsänger Sean Murphy-O’Neill liefert punktgenaue Lyrics, die uns in die Hektik einer hellerleuchteten Nacht versetzen.
Hier, wie auch in den folgenden Songs, referiert die 2018 gegründete Formation unüberhörbar auf Indiegrößen der Nullerjahre. Die dichten kurzen Rocknummern lassen uns an The Strokes, The Hives oder Franz Ferdinand denken.
Auch wenn es Courting nicht lassen können, uns immer wieder überraschen zu wollen, haben sie mit „Lust For Life“ einen Sound geschaffen, der im Ohr haften bleibt.




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