The Horrors - Night Life


Es kam schon vor, dass Oliver feststellen musste, dass eine Plattenvorstellung bei Facebook aufgrund des Plattencovers gelöscht wurde. Ob eine entblößte Brust dazu schon ausreicht? Falls nicht, hätte die alternative Variante des sechsten Albums von The Horrors noch etwas mehr Nacktheit zu bieten. In der Plattenhülle steckt übrigens das zum Albumtitel „Night Life“ passende Glow in the Dark Vinyl:

 
Der Ausflug ins Nachtleben mit The Horrors gestaltet sich vielfältig: episch-düsterer Artrock („Ariel“), brachiale Industrial-Ausbrüche im Elektrokorsett („Silent Sister“, „Trial By Fire“), tanzbarer Indierock („The Silence That Remains“) und atmosphärischer Synthpop („The Feeling Is Gone“), der auch gut auf das letzte Album von Depeche Mode gepasst hätte.

In den fast 8 Jahren seit ihrem letzten Album haben sich - neben der Neugestaltung des Sounds - weitere Neuerungen bei The Horrors ereignet: man hat bei Fiction Records unterschrieben und - zu Faris Badwan (Gesang), Joshua Hayward (Gitarre), Rhys Webb (Bass, Keyboards) - Amelia "Millie" Kidd (Keyboards) und Jordan Cook (Schlagzeug) ins Lineup aufgenommen und sich von den Gründungsmitgliedern Tom Furse und Joe Spurgeon verabschiedet. 
„Night Life“ wurde in Los Angeles mit dem Produzenten Yves Rothman (Warpaint, Lo Moon, Girl In Red, Sunflower Bean) aufgenommen und bietet 9 Songs in einer Dreiviertelstunde. Die Schallplatte gibt es auf black Vinyl, crystal clear Vinyl, Glow in the Dark Vinyl und pastel pink and black Vinyl.


 


Das emotionale Zentrum des Albums ist „The Silence That Remains“. Eine beklemmende Reflexion über das Warten auf schlechte Nachrichten, über Verlust und Isolation. Badwans palästinensische Wurzeln schwingen unüberhörbar mit, und es fällt schwer, diesen Song nicht als Reaktion auf den Nahostkonflikt zu verstehen. Doch statt politischer Parolen setzt die Band auf Atmosphäre, auf das Gefühl der Ohnmacht und des Verstummens in einer lauten Welt.
„Night Life“ ist ein melancholisches, aber nicht hoffnungsloses Album und steht damit in engerer Verwandtschaft zum letzten Album von The Cure „Songs Of A Lost World“. Ein Werk, das nicht nur zurückblickt, sondern weiterführt, was sie vor 20 Jahren begonnen haben: Musik zu schaffen, die mehr ist als Genre und Attitüde – ein Soundtrack für die Nacht.


  


Wäre dieses Werk mitten in der Dark-Synthpop-Hochphase in den 80ern erschienen, würden wir heute The Horrors als Legenden feiern. So bleiben sie irgendwo in der zweiten oder dritten Reihe haften: eine Band von unschätzbarem Wert, die einmal mehr bewiesen hat, wie unberechenbar sie nach wie vor ist und wie gut sie ihren Kernsound trotzdem beherrscht.


 


Trotzdem bleibt „Night Life“ in seiner Gesamtheit faszinierend. Gerade der mutige Spagat zwischen Endzeit-Synths, Shoegaze-Opulenz und harschem Industrial-Rock macht das Album zu einer der spannendsten Veröffentlichungen der Band.
Mit „Night Life“ beweisen The Horrors einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit und ihren Drang, musikalisches Neuland zu betreten. Ein Soundtrack für die Nacht – irgendwo zwischen Euphorie und Untergang, zwischen hypnotischem Sog und bedrohlicher Dunkelheit.




1 Comments

  1. 7,5 Punkte. Der DM drängt sich stärker auf als auf den früheren Alben.

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