Gestern gab es hier bei „Only God Was Above Us“ den außergewöhnlichen Metascore von 88/100 Punkten zu bestaunen. Nicht über aber immerhin gleich auf mit Vampire Weekend steht bei Metacritic „Bright Future“ aktuell unter den Top 5 des Jahres.
„Bright Future“ ist - wenn man alle ihre Veröffentlichungen, wie beispielsweise „Instrumentals“, das seinen Namen berichtigter Weise erhalten hat, berücksichtigt - das sechste Soloalbum von Adrianne Lenker, womit sie in der Summe die Albumveröffentlichungen ihrer Hauptband Big Thief (5) übertrumpft hat. Glaubt man den Kritikern hat sie sich mit den 12 Songs auch selbst übertroffen.
Gemeinsam mit ihrem Co-Produzenten Philip Weinrobe und einigen befreundeten Musikern - Nick Hakim (Piano, Gesang), Josefin Runsteen (Geige, Gesang) und Mat Davidson (Gitarre, Geige, Gesang) - zog sie sich in das in einem Wald gelegenen analoge Double Infinity Studio zurück, um gemeinsam und spontan Songs aufzunehmen. Ein Album war gar nicht geplant, das Achtspurgerät lief einfach, auch Umgebungsgeräusche aufzeichnend, während der Sessions mit und immer weiter, ohne dass sich jemand mit diesen befasste. Erst im Nachhinein hörte sich Adrianne Lenker die Ergebnisse an, die nun in Form von CD, Kassette und LP (black Vinyl, recycled Vinyl) vorliegen.
Nach den beiden deutschen Tourneeterminen folgt die Lobhudelei:
06.05.24 Berlin, Admiralspalast
07.05.24 Hamburg, Kampnagel
Man hört aber, wie die Musiker:innen langsam Vertrauen zueinander fassen. Wie sie eine gemeinsame Sprache entwickeln, den Zauber des Moments auskosten und einen Hauch von Field Recordings durch den Raum wehen lassen. Lenker wollte diese One-Take-Wunder ursprünglich gar nicht veröffentlichen. Das änderte sich zum Glück, als sie die Bänder abhörte.Wer sich einen Staudamm in die Seele gebaut hat, um schmerzvolle Gefühle zurückzuhalten, wird mit „Bright Future“ wenig anfangen können. Für alle anderen legt Lenker ihr Inneres offen. Beschwört in „Real House“ die Kindheit und die Beziehung zur Mutter. „I’m a child hum ming into the clarity of black space/ Where stars shine like tears on the night’s face“, singt die Verwundbarkeitsdichterin zu zaghaften Klavierakkorden. (…) Die Stücke atmen sehr viel Folk und ein bisschen Country.„Bright Future“ ist eine Thermoskanne voll Liebe in einem Jahr der emotionalen Vergletscherung. Den Titel sollte man übrigens nicht ironisch verstehen. Viel mehr liegt darin die Gewissheit, dass wir, wenn alle Tränen geweint sind, mit klarem Blick nach vorn schauen.
Noch eindrücklicher wird Lenkers Songwriting nur, wenn sie das Private mit poetischen Naturbetrachtungen kurzschließt und beginnt, von Seen, Himbeeren, Hügeln aus Honig und gefrorenen Glühwürmchen zu erzählen. Vor allem ihr Umgang mit in der Folkmusik typischer Naturmetaphorik macht deutlich, warum sie aktuell zu den besten Songwriterinnen zählt. Geradezu klassisch erscheint etwa Sadness as a Gift, in dem Lenker das Kommen und Gehen der Jahreszeiten mit der Sehnsucht nach Kontinuität in einer Beziehung vergleicht: "The seasons go so fast/ Thinking that this one was gonna last/ Maybe the question was too much to ask.“Dieser Wunsch nach Beständigkeit wird jedoch nur in den Lyrics auf Bright Future laut. Mit ihrer Musik umarmt Lenker hingegen die Flüchtigkeit des Moments.(Zeit)
5 Punkte
AntwortenLöschenNicht so schlimm, wie der Cowboy-Hut vermuten ließ. 6,5 Punkte
AntwortenLöschenAber ganz schön langatmig. 6 Punkte
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