Die seit 2014 wiedervereinigten Ride gibt es mittlerweile länger als die Shoegazer in ihrer ersten, von 1988 bis 1996 dauernden Phase. Auf Konzerten spielen Andy Bell (Gitarre, Gesang), Mark Gardener (Gesang, Gitarre), Loz Colbert (Schlagzeug) und Steve Queralt (Bass) zwar hauptsächlich Songs aus ihren ersten beiden Alben „Nowhere“ und „Going Blank Again“ sowie von frühen EPs, aber mit „Lannoy Point“, „All I Want“ oder „Future Love“ haben sich auch neue Songs verdientermaßen ihre Plätze in den Setlisten gesichert. Und „Interplay“ bietet nun mit „Peace Sign“, „Last Frontier“ oder „Monaco“, das ziemlich nach New Order oder Ultravox klingt, weitere starke Ergänzungen, die alle vorab als Singles ausgekoppelt wurden. Genau so, wie „Portland Rocks“, mein Lieblingsstück auf dem Album, denn so nah sind die „neuen“ Ride ihrem Sound von 1990 bis 1992 noch nicht wieder gekommen.
Das siebte Album entstand in Zusammenarbeit mit Richie Kennedy (Interpol, Idles, The Murder Capital, Suede, White Lies) und wurde während der COVID 19-Pandemie geschrieben und aufgenommen. Auf den 12 neuen Songs, die fast eine Stunde lang laufen, nehmen sich Ride teilweise viel Zeit, beispielsweise beim sechsminütigen „Light In A Quiet Room“, das zunächst nach sanftem Neo Psychedelia im Stile von Spiritualized oder Spacemen 3 klingt, um letztendlich in Gitarrenlärm zu münden, oder beim noch eine Minute länger dauernden, mit Stimm-Samples und elektronischen Elementen experimentierenden „Essaouira“. Ebenfalls sechs Minuten Freude versprüht „I Came To See The Wreck“, bei dem ich ein wenig an Depeche Mode denken muss. Elektronische Elemente und ausladendere Soundscapes stehen auf „Interplay“ deutlicher im Vordergrund als bei allen frühen Veröffentlichungen von Ride und lassen es vielleicht zum besten Album ihrer zweiten Phase werden.
„Interplay“ ist als CD, Kassette und LP (black Vinyl, red Vinyl, green/blue Vinyl) erhältlich.
"Portland Rocks" hingegen klingt fast wie ein Song, dessen Mastertape beim Abmischen des Erstlings "Nowhere" verlorengegangen ist und den rein zufällig eine Reinigungskraft hinter einer alten Bandmaschine hervorgekramt hat. Ja, das ist der reine, heiße Stoff für Fans der ersten Stunde: Wuchtig knallende Drums mit reichlich zischelnder Beckenarbeit, eine durch obertonreiche Fuzzgitarren-Breitseite meterhoch aufgetürmte Wall of Sound, hinter der strahlende Beatles-Chorgesänge hervorleuchten: Da würden sogar Oasis neidisch werden. "Essaouira" wiederum bietet eine ganz neue Soundästhetik, die man von Ride so bisher nicht kannte: recht elektronisch, mit Stimmen-Samples und einer Delaygitarre, die glatt von U2s The Edge stammen könnte. Und der Rausschmeißer "Yesterday ist just a song" bringt zwar kompositorisch wenig Abwechslung, dafür aber durch die stilsichere Synthesizerarbeit sehr viel Atmosphäre – die ideale Begleitmusik, um nachts mit drei Old Fashioned im Bauch auf dem Rücksitz eines Taxis durch das bunte Lichtermeer einer Großstadt zu gondeln.
8,5 Punkte
AntwortenLöschenSehr schön. 8,5 Punkte
AntwortenLöschenAxel gibt 7.5
AntwortenLöschenTrotz einiger Hänger 7,5 Punkte.
AntwortenLöschenNicht das erste Mal, dass ich mich frage, warum man ein Album mit den schwächsten Songs beginnen lässt. Die versteckt man doch irgendwo in der Mitte. Der Rest ist klasse 8,5
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