Die erste Vorladung (III)
Personalien:
Der aus Dublin stammende A.S. Fanning lebt und arbeitet seit 2011 in Berlin.
Tathergang:
Über das Label Proper Octopus hat der Ire zuvor bereits zwei Alben veröffentlicht: „Second Life“ (2017) und „You Should Go Mad“ (2020). Die acht Songs seiner dritten Platte entstanden während der Pandemie und behandeln größtenteils düstere Themen wie Paranoia, Klimawandel, Katastrophen und Kriege. Gemeinsam mit Bernardo Sousa (E-Gitarre), Dave Adams (Orgel, Piano), Jeff Collier (Drums), Felix Buchner (Bass) und dem Oriel Quartett (Cello, Bratsche, Geige) wurde „Mushroom Cloud“ innerhalb weniger Tage im Berliner Impression Studio des Produzenten Robbie Moore aufgenommen.
In Deutschland ist das Album über K&F Records Ende Mai als CD und LP (black Vinyl, red transparent Vinyl) veröffentlicht worden.
Plädoyer:
The Divine Comedy, Dave Gahan & Soulsavers, Anywhen, Pulp, Jens Lekman, Nick Cave And The Bad Seeds - der melancholische Folk Noir des Iren mit dem warmen Bariton führt bei mir nur zu wundervollen Vergleichen!
Zeugen:
Obwohl das Album „Mushroom Cloud“ keine wirklich konstruktiven Lösungsansätze bietet, den von A.S. FANNING angesprochenen Dystopien irgendwelche positiven Aspekte abgewinnen zu können, wirkt das Werk keineswegs so deprimierend und desolat auf den Hörer, wie anzunehmen gewesen wäre, was darin begründet ist, dass er seine Songs nicht mit der rührseligen Larmoyanz vieler ich-bezogener 'Männerschmerz- Songwriter' vorträgt – und auch nicht mit der biblischen Opulenz etwa eines LEONARD COHEN oder NICK CAVE – sondern eher als schrulliger Stoiker, der die Dinge einfach so hinnimmt, wie sie sind. Tatsächlich werden Freunde dieser Art von Musik am Ende dann sogar eine versöhnliche, tröstliche Note im Wirken A.S. FANNINGs entdecken können.
Der zentrale Leitgedanke des Albums manifestiert sich vermutlich in einer Zeile aus "I feel bad", in der Fannings Erzähler seine Weltsicht fast genüsslich konzise auf den Punkt bringt: "The arc of human history bends towards misery." Der Song mündet in einem ekstatischen Strudel der Aufzählung düsterer Motive von Amokläufern bis hin zu vergifteten Brunnen. Diese Bilderwelt wird dabei im Vortrag derart lustvoll zelebriert, dass Fanning hier durchaus ein gewisses selbstironisches Augenzwinkern zuzutrauen ist. Der ohrenschmeichelnde Bariton Fannings erinnert oft an Neil Hannons The Divine Comedy, ein Stück wie "Disease" würde jedoch auch auf einem der letzten Alben von The National keine schlechte Figur machen. Glücklicherweise ist es für den Hörgenuss hier ganz und gar nicht essentiell notwendig, ein missmutiger Misantroph zu sein.
Indizien und Beweismittel:
Ortstermine:
08.07.23 Kirchruine Wachau, Leipzig (Ancient Echoes-Festival)
14.07.23 Marktplatz Lörrach, Lörrach /Stimmen Festival mit alt-J)
10.08.23 Figurentheater Mottenkäfig, Pforzheim (Open Air Sommerfrische)
Urteile:
Nun sind die werten Richter gefragt...
7 Punkte
AntwortenLöschen8 Punkte.
AntwortenLöschenEine der Entdeckungen des Jahres. 8 Punkte
AntwortenLöschenMeine einzige Korrektur des Jahres: 8,5 Punkte
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