Als ich wegen der Sparks die Liste der - laut Metacritic - besten Alben des Jahres durchlaß, stieß ich an exponierter Stelle auf ein mir un...

Lankum - False Lankum


Als ich wegen der Sparks die Liste der - laut Metacritic - besten Alben des Jahres durchlaß, stieß ich an exponierter Stelle auf ein mir unbekanntes Album und stutzte: experimenteller Irish Folk mit einem Metascore von 90/100?

Tatsächlich rangierte zwischen Caroline Polachek und Boygenius an zweiter Stelle die aus Dublin stammende Band Lankum, die aus Ian Lynch, Daragh Lynch, Cormac Mac Diarmada und Radie Peat besteht. Zunächst veröffentlichten sie unter dem Namen Lynched (nach den beiden Lynch-Brüdern) zwei Alben, benannten sich dann aber um, da „die systematische Verfolgung und Ermordung von Schwarzen in den USA anhält“. Es folgten zwei weitere Alben unter dem Namen Lankum, den sie dem Folksong „False Lankum“ von John Reilly entliehen, und der nun auch ihrem fünften Album den Titel spendet.

False Lankum“ bietet (inklusive dreier kurzer, „Fugue“ betitelter Zwischenspiele) 12 Songs, die sich Zeit nehmen (und zwischen knapp fünf und über zwölft Minuten dauern) und eine düstere Drone-Progressive-Folk-Mischung erzeugen.

„False Lankum“ ist über Rough Trade Records als CD und Doppel-LP (black Vinyl oder orange transparent Vinyl) erschienen. 

Lankum werden im November vier Konzerte in Deutschland spielen:
17. November 2023 Schorndorf - Manufaktur
19. November 2023 Leipzig - Transcentury Update Festival
22. November 2023 Berlin - Lido
23. November 2023 Köln - Stadtgarten


Lankum sind eine echte Folkband, versiert in der Tradition, aber offen für alles, was den Kern oder die Botschaft eines Songs herauskitzelt. „Master Crowley’s“ zum Beispiel ist ein alter irischer Reel, von dem es über hundert Versionen gibt. Lankum ergänzen das fröhliche Gefiedel um eine – nennen wir es „Traumsequenz“, die wirkt, als wäre plötzlich der Tod unter die vergnügt hüpfenden Tänzer getreten. Wie in Zeitlupe torkelt die Musik, düster-schwere Mollakkorde übernehmen, erst ganz am Ende kehrt die heitere Melodie zurück.
Das zärtliche „Newcastle“ ist ein altes Tanzstück aus dem 17. Jahrhundert, der romantische Text kam erst viele Jahre später dazu. Lankum interpretieren den Song betont klassisch, mit sacht gezupfter Gitarre und Radie Peats klarem Gesang, so wie vor ihnen Shirley Collins. „False Lankum“ ist ein von der bitteren Schönheit des Schmerzes getriebenes Album, das die Grenzen des Folk-Genres weit überschreitet. 


 


Der Ritt zur dunklen Seite der Traditionals beginnt mit „Go Dig My Grave“, Sängerin Radie Peat zieht es direkt ins eigene Grab, die drei Männerstimmen begleiten sie, am Ende spielt die Fiddle zum Totentanz. Aber Lankum beherrschen nicht nur die Düsternis: „Clear Away In The Morning“ schwebt zum ersten Tageslicht davon, klingt wie eine Folk Version der Shoegaze-Schwelgereien von Slowdive.
Und mit „Master Crowley’s“ gibt es sogar ein instrumentales Set mit irischen Tänzen, gespielt jedoch nach Lankum-Regeln: Zwischendrin öffnet sich das Höllentor, es dröhnt und poltert, riecht nicht nach Pub sondern nach Schwerindustrie. Was für eine intensive und betörende Spielart des Irish-Folk!





4 Kommentare:

  1. Die Lobeshymnen hatten mich auch neugierig gemacht. Meine Erwartungen wurden durch zu viel Folk und zu wenig Drone enttäuscht. 6,5 Punkte

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  2. Musste mich erst drauf einlassen, wächst aber 7

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  3. Läuft wohl eher selten im Irish Pub. 6,5 Punkte

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