10 Stimmen zum neuen Album der Einstürzende Neubauten:
1. musikexpress
Die Grundstimmung von ALLES IN ALLEM ist kontemplativ. Interessant, wie sich Blixa Bargeld und Nick Cave annähern. Das Titelstück und „Taschen“ sind großartige Balladen, „Seven Screws“ eine wunderbare Betrachtung von Gender-Identität, die Stimme löst die sieben Schrauben, ordnet die Fragmente neu, zieht aus dem „Ozean der Möglichkeiten“ ein neues Ich: „Non-binary. I: forever new.“ Wer die Neubauten der 90er mag, erfreut sich am Industrial-Twist „Ten Grand Goldie“, in ihre Frühphase kehrt die Gruppe mit der Avantgarde-Collage „Zivilisatorisches Missgeschick“ zurück, wohlwissend: „Wir leben hier nicht mehr / Schon lange, schon lange nicht.“
2. Zeit
In einem Punkt sticht die neue Studioplatte aus dem vielfältigen Gesamtwerk der Einstürzenden Neubauten hervor: Es ist eine Art Berlin-Album geworden - die Lieder heißen «Am Landwehrkanal», «Grazer Damm», «Wedding» oder «Tempelhof». (…)
«Alles in Allem» ist ein Werk, dem man im positiven Sinne die Dringlichkeit anmerkt, nochmal etwas zu beweisen.
3. musikblog
„Alles In Allem“ bleibt, was Neubauten-Alben immer waren: spektakulär, unerklärlich, interpretierbar.
Inzwischen zugänglicher, dabei gleichbleibend fruchtbarer Nährboden für Blixa Bargelds Poesie, die lauert, verwirrt, schmeichelt und – „Wo man denkt, es wäre gut, ist es vielleicht nicht so, und wo es gut nicht sein sollte, ist es vielleicht doch so“- im Augenblick möglicher Eindeutigkeit verklausuliert bleibt.
4. Plattentests
"Alles in allem" ist ein Album von erstaunlicher Homogenität. Konzeptionell, klangtechnisch und textlich greifen die einzelnen Elemente in beeindruckender Manier ineinander. Freilich werden jene, die die Lärmorgien früherer Tage vermissen, hier nicht glücklich werden. Aber hierzu wurde bereits alles gesagt. Niemand klingt so wie Einstürzende Neubauten. Wenige können die deutsche Sprache so schwirren lassen wie Blixa Bargeld.
5. Berliner Zeitung
Mit der Wende kam jenes West-Berlin abhanden, und die Neubauten wurden ruhiger. „Silence is Sexy“ hieß vor 20 Jahren ihr größter deutsche Chart-Erfolg. Das neue Berlin-Album führt die Ruhe fort. Die von N.U. Unruh und Rudolf Moser beklopften Metallobjekte werden für konventionelle Rhythmusarbeit eingesetzt. Jochen Arbeit schubbert gepflegt Gitarre. Orgeln orgeln langgezogene Akkorde, wie etwa im Titelstück „Alles in Allem“, wo Bargeld in seiner längst Tradition gewordenen, staatstragenden Manier kleine Zufallsbeobachtungen mit großen Fragen von Individuum und Unendlichkeit verknüpft.
6. MDR Kultur
Wer früher Angst hatte, seine Ohren könnten beim Hören einer Platte der Einstürzenden Neubauten bluten - der kann die Berliner Band auf "Alles in Allem" nochmal neu kennenlernen. Es gibt nur einen “Rocker”, wie Blixa Bargeld es nennt: "Ten Grand Goldie". Ansonsten wiegt sich das Album schwermütig. Ruhig. Tief.
Wer die Band um Blixa Bargeld schon lange begleitet, wird sich in das multimediale Angebot von Videos, Buch, Deluxe Editon stürzen. Die Neubauten selbst lassen auf "Alles in Allem" nichts mehr einstürzen. Aber sie basteln und experimentieren weiter an Soundwerken, die in der Musik einzigartig bleiben. Wer aufmerksam hinhört, erkennt die vielen Schichten in Blixas Texten, die Suche nach Weite und gleichzeitig Passgenauigkeit. Blixa Bargeld läuft weiter in seinem eigenen Paralleluniversum nahe der Realität entlang.
7. NEØLYD
Alles in allem ist „Alles in Allem“ jedoch weit weg vom einstigen Aufbegehren gegen jegliche Konvention. So wie es mittlerweile versicherungstechnisch nicht mehr möglich ist, auf dem Schrottplatz nach neuen Instrumenten zu suchen, so gesetzt präsentieren sich die Einstürzenden Neubauten auch auf diesem Album. Mal opulent, mal mucksmäuschenstill flüstert und golumnt sich Blixa Bargeld durch zehn (Fieber-)Träume, gekonnt und stilsicher. Nicht mehr, nicht weniger und doch wohnt dem Album ein unwiderstehlicher Zauber inne, den selbst das xte Neubauten-Tattoo im erweiterten Instagram-Feed nicht einzureißen vermag.
8. Spiegel
Die Neubauten hauen immer noch auf Eimern rum, aber jetzt in Hochglanz. Die Lieder sind neu möbliert und doch mit Vorsicht zu genießen. In "Taschen" wirkt das gefräßige Ungetüm der Lyrics nur scheinbar ruhig, es schleicht durch die leere Wohnung und lauert. Manchmal sind die Geigen nahezu verdächtig freundlich.
"Wir leben hier nicht mehr", singt Bargeld in "Zivilisatorisches Missgeschick", bevor sich der Klang eines schwingenden Blechs langsam hochschraubt. In "Tempelhof" werden die "Blätter auf dem bunten Marmorboden" mit einer Harfe in den Song getupft. Man merkt, dass Bargeld Haute Cuisine mag - Kochen und Musik anrühren sind verwandter, als man gemeinhin annehmen möchte. "Alles in Allem" wäre dann gebeizter Gesangssaibling mit Blecheimersoufflé an fermentierten Samples in einem Nest aus Kunstliedfäden.
9. kulturnews
„Alles in Allem“ ist ein Porträt Berlins, in das sich immer wieder schemenhaft die Bandgeschichte und persönliche Erinnerungen einschreiben.
Eingangs zitiert man sich zwar selbst – wie im Industrial-Hybrid „Ten Grand Goldie“ oder der Postpunk-Volksmusik-Ballade „Am Landwehrkanal“ – doch das Ergebnis steigt nicht den lärmenden Sturm-und-Drang-Jahren der Neubauten nach. Vielmehr wirken diese Stilistiken wie durch den Filter ihrer späteren freiförmigen Experimentalmusik betrachtet, die sich schon längst keine Genregrenzen mehr setzt, und auf die sich das Album in der zweiten Hälfte zubewegt.
10. laut
Insgesamt bauen die klanglichen und lyrischen Komponenten dieser Platte nach und nach auf, so dass am Ende ein zusammenhängendes großes Ganzes bleibt. Dabei hat man die West-Berliner nur selten so kompakt und zugänglich gehört. Nur täuscht die Eingängigkeit nicht darüber hinweg, dass zwischen fragiler Schönheit und purer Hässlichkeit manchmal nur ein klitzekleiner Augenblick liegt. Das macht "Alles In Allem" zum besten Neubauten-Album seit Ewigkeiten.
Einstürzende Neubauten unterwegs:
18.09.2020 München, Muffathalle
21.09.2020 Berlin, Konzerthaus
25.09.2020 Berlin, Columbiahalle
06.10.2020 Hamburg, Elbphilharmonie
16.05.2021 Ludwigsburg, MHP Arena
25.05.2021 Köln, E-Werk
27.05.2021 Wiesbaden, Schlachthof
auch ein konzert, das um ein jahr nach hinten verschoben wurde :-( next try: september 21, album bekommt 8 punkte von mir.
AntwortenLöschen7,5 Punkte
AntwortenLöschen8 Punkte
AntwortenLöschenDas beste deutschsprachige Album des Jahres. 7,5 Punkte
AntwortenLöschen8
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