Nachdem Charlotte Brandi auf „The Hawk, The Beak, The Prey“ (2012) und „Love Is A Fridge“ (2016), die sie gemeinsam mit Matze Pröllochs als Me And My Drummer veröffentlichte, sowie bei „The Magician“, ihrem 2019 veröffentlichten Soloalbum, die englische Sprache nutzte, sang sie 2020 auf der „An das Angstland“ EP erstmals auf Deutsch und hat damit offensichtlich zu der zu ihr passenden sprachlichen Ausdrucksform gefunden.
Damals wurde sie von Dirk von Lowtzow (Gesang auf dem Duett „Wind“), Marcel Römer (Schlagzeug) und Bernd Keul (Bass) im Studio unterstützt, diesmal hat sie komplett und bewusst auf männliche Mitstreiter verzichtet und „An den Alptraum“ unter FLINTA-Beteiligung, also nur mit weiblich oder weiblich gelesenen Personen, aufgenommen.
Eine bekannte Gaststimme gibt es dennoch zu hören: Stella Sommer singt auf „Vom Verlieren“ mit. Nur Stimmen gibt es beim an ein Kirchenlied erinnernden A-Cappella-Opener „Der Ekel“ zu hören, der direkt das Thema Frauenfeindlichkeit anspricht. Dass das Immitieren von Dialekten höchst selten eine gute Idee ist, müssen wir bei „Wien“ erfahren.
Die ambitionierte Liedermacherin wagt sich an kunstvollen Indiepop, Jodel-Exkurse, schräges Kunstlied sowie schummrigen Chanson heran und wird dafür mit Lob überschüttet:
Brandi findet die idyllischsten Melodien, zwischen couragiertem Chanson und cleverem Art-Pop. Sie klingt mal zart und zerbrechlich, mal kraftvoll-vehement, immer mit furiosem Facettenreichtum und im herausragenden „Wien“ auch noch mit selbstironischem, burschikosem Schmäh („Du bist so unsicher/Wie all die andern Deutschen auch“). Eines der Lieder heißt „Frau“ und ist ein eskapistisches Manifest, das zur Befreiung aus alten Rollenbildern aufruft. Wenn’s uns Platten wie diese beschert, ist es ausnahmsweise ein großes Glück, dass solche Themen immer noch notwendig sind.
Bei aller Gemachtheit der Songs bewahrt sich Brandi eine Leichtigkeit, die sich manchmal fast ungehörig anfühlt angesichts ihrer Themen. Denn hinter der Launigkeit und Sanftheit lauert nicht selten etwas Unergründliches und Dunkles. Schon der Opener „Der Ekel“ ist ein erhabener Song über die Abgründe der Frauenfeindlichkeit. Überhaupt spuken Themen wie Macht und Ermächtigung durch dieses Album – das im Übrigen männerfrei in vollständiger FLINTA-Besetzung aufgenommen und produziert wurde – wie Geister: mal komisch, mal unheimlich.Im wundervollen Gitarrenstück „Todesangst“, das zwischendurch in grauem Rauschen untergehen darf, besingt Brandi existenzielle Panik in fast schlafliedhafter Tröstlichkeit. Ihre Worte sind bei alledem zugleich irritierend präzise und verrätselt, zwischen ihren Zeilen tun sich Welten auf – wenn man genau hinhört, quasi hindurchhört durch den schönen Nebel aus Synthesizern und tropischen Bläsern und Uuuuh-huuuu-huuuus. Vielleicht sind diese klugen Gespensterchansons nichts für Antenne Bayern. Zum Staunen sind sie allemal.
Charlotte Brandi unterwegs:
30.03.23 Hamburg, Nachtasyl
31.03.23 Bochum, Christuskirche
01.04.23 Stuttgart, Merlin
08.04.23 Berlin, Zenner
6 Punkte. Bin gespannt, ob ich damit wieder "Top Fan" bei den Bewertungen werde.
AntwortenLöschenVon mir droht keine Gefahr: 5 Punkte.
AntwortenLöschenZitat: "Du musst meine Lieder ausmachen, wenn sie jemand anmacht." Was soll ich sagen? 4 Punkte
AntwortenLöschenAxel gibt 5
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