Mann mit Hut (IV)… nein, Frau mit Hut… oder Sonnenbrille… Das vom Modedesigner Jean Patou Ende der 60er Jahre entworfene Accessoire passt pe...

Erdmöbel - Guten Morgen, Ragazzi


Mann mit Hut (IV)… nein, Frau mit Hut… oder Sonnenbrille…

Das vom Modedesigner Jean Patou Ende der 60er Jahre entworfene Accessoire passt perfekt zum nostalgischen Sound des neusten Werkes von Erdmöbel, die über die letzten Alben hinweg ihren Hang zum Easy Listening-Pop immer weiter verfeinerten. „Felicità“ und das jazzige „Beherbergungsverbot“ dürften Fans dieser Entwicklung beglücken und sind in meiner Welt eher die Skip-Kandidaten. Vielleicht sind es aber auch solche Lieder, nerviges Saxophongedudel hier und überflüssige Stimmverzerrungen da („Supermond“), die andere Perlen heller strahlen lassen. Und damit sind tatsächlich die sieben bisher nicht namentlich genannten Songs gemeint.

Textlich positionieren sich Erdmöbel auch als Band politisch so deutlich wie nie zuvor („Wir sind das Volk (lass sie rein)“, spielt Sänger und Songwriter Markus Berges assoziativ mit physikalischen Themen („Bernoulli-Effekt“, „Das Mädchen auf den Stufen“), sinniert über den Zauber einer Plastiktüte im Wind („Rosa Platiktüte“) oder begeistert sich im gleichnamigen Lied für Palindrome wie den Retsina-Kanister oder das japanische „yo-no-na-ka, ho-ka-ho-ka na-no-yo“. Und daher lautet das einzig passende Fazit für „Guten Morgen, Ragazzi“ wohl: Sei mein, nie fies – sei fein, nie mies.




 


Zehn Songs haben Berges, Multiinstrumentalist Ekki Maas, Keyboarder Wolfgang Proppe und Drummer Christian Wübben für ihr neues Studioalbum ausgewählt und im trockenen Prosapop-Style aufgezeichnet.
Jetzt hören wir, wie die Grammatik den Pop anschiebt, wie die Worte und die Gedanken, die sie bezeichnen, sich neu sortieren, wie die Wörter (die wir ja auch erst kennenlernen wie eine neue Mitbewohnerin) sich zu Melodien formen, und was für schöne Melodien das sind, zur Gitarre, zum Piano (perlend), alles im Dienste unseres Kopfkinos.


  


Es klingt, als sei da (mal wieder) ein kreativer Knoten geplatzt: „Guten Morgen, Ragazzi“ ist wie „Altes Gasthaus Love“ und „Krokus“ ein Album, auf dem Erdmöbel ihre eigenwillige Vision von Pop noch einmal weitertreiben und plötzlich an einem Ort sind, wo sie noch nie waren. Schon der verspulte Eröffnungssong „Guten Morgen“, in dem eine spröde Gitarre sich wie eine Fräse ins Ohr bohrt, ist ziemlich überraschend. Aber den Erdmöbeln können wir unsere aufgebohrten Ohren anvertrauen, sie gehen pfleglich damit um, schütten herrliche Songs über Physik und Liebe, Endlich- und Unendlichkeit hinein, und am Ende singen wir alle nur noch mit tränenüberströmten Gesicht: „Eine rosa Plastiktüte weht durch dein Zimmer, und sie flüstert, flüstert, flüstert, flüstert, flüstert/ Und du verstehst jedes Wort.“







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