Nein, Sam , mit uns ist es nicht aus und vorbei. Keine Sorge, meine Liebe zu deiner Musik ist ungebrochen, denn nicht umsonst war dein Debüt...

Sam Vance-Law - Goodbye


Nein, Sam, mit uns ist es nicht aus und vorbei. Keine Sorge, meine Liebe zu deiner Musik ist ungebrochen, denn nicht umsonst war dein Debüt „Homotopia“ 2018 mein persönliches Album des Jahres. Lass dir erklären, warum „Goodbye“ zunächst so lang ungehört blieb und auf eine Vorstellung bei Platten vor Gericht warten musste, warum die Schallplatte noch nicht bestellt ist und ich dein Konzert in Köln diesmal nicht besuchen werde. 

Wer kam denn nur auf die blöde Idee, die Veröffentlichung deines zweiten Albums auf den gleichen Tag zu legen, an dem auch Arcade Fire und Belle & Sebastian ihre neue Platten herausbringen? Wie, bitteschön, soll das für einen Fan funktionieren, wenn man ein Album nicht nebenbei sondern konzentriert anhören möchte und das dann natürlich nicht nur einmal sondern direkt mehrmals hintereinander? Sam, du musst verstehen, dass die Bands von Win Butler und Stuart Murdoch hier einfach die älteren Rechte und auch schon länger keine Alben mehr heraus gebracht hatten. Und dann haben beide ihre Platten  auch noch in schicken und limitierten LP-Auflagen veröffentlicht und „Goodbye“ kommt nur auf schwarzen Vinyl daher. Das spiegelt zwar gut deinen Gemütszustand vor und während der Aufnahmen (bzw. nach der Trennung von deinem Partner) wider, einen größeren Kaufanreiz boten aber zunächst Arcade Fire und Belle & Sebastian. Und dann wurde auch noch der Termin für das einzige Konzert in meiner Nähe schlecht gewählt! Vielleicht hätte ich in dieser Woche, in der ich schon Tickets für Konzerte in Frankfurt, Berlin und Luxemburg habe, noch einen vierten Konzertbesuch hinein quetschen können, aber zeitgleich in der Mainmetropole bei Hundreds und in Köln bei dir kann ich dann heute doch nicht sein.  

Du siehst, es ist nicht die Qualität deines Trennungsalbums die uns zunächst voneinander dividierte. Denn trotz deines Kummers schüttest du wieder ein Füllhorn an orchestralen Arrangements, packenden Melodien und Wortwitz über uns aus, dass es für uns trotz all deiner persönlichen Tragik eine Freude ist. 


 


Doch obwohl „Goodbye“ überquillt von Liebeskummer und Herzschmerz, trägt Vance-Law seine Leidensstory so virtuos mit wehmütiger Grandezza, trotziger Lakonie, musikalischer Offenheit und sanfter Opulenz vor, dass dabei große Popkunst entsteht, auch dadurch, dass er etwa das „I know you’ll never love me again“-Lamento aus dem kurios zerrissenen „Kiss Me“ mehrmals wieder aufgreift – wie im polyrhythmischen Verwirrspiel „No Love“ oder in der Saxofonmelodie von „Too Soon“ – und es so zum Leitmotiv macht.
Im Walzer „Icarus“ nutzt er griechische Mythologie als Beziehungsmetapher, für „Get Out“ borgt er sich Eighties-Synthiepop, mit der Klavierballade „Blissful Times“ nähert er sich dem Great American Songbook an. Ständig wechselt er den Tonfall, durchläuft auf „Goodbye“ die fünf Phasen, die Elisabeth Kübler-Ross eigentlich der Verarbeitung von Sterben und Tod zugeordnet hat: In den Songs leugnet, wütet, verhandelt und trauert Sam Vance-Law, bis er schließlich im ergreifendnüchternen „Been Drinking“ das Aus akzeptiert und in berückender Zartheit seinen Frieden macht mit dem Ende dieser Liebe.


 


So traurig die Texte auch sind, "Been drinking" ist auch noch so ein ernüchternder Song, begleitet nur durch ein Klavier und spärlich eingesetzte Perkussions, schafft es der 35-Jährige doch immer wieder auch eine wohlig warme Stimmung mit seiner Musik zu erzeugen. Er spielt alles durch. Die Probleme in der Beziehung, die Trauer, das Vermissen, die Hoffnung und dann die Einsicht. Sam Vance-Law schafft etliche Facetten mit Streichern, Bläser und Piano, sowie Synthies und E-Gitarre und schafft so eine äußerst gelungene Vertonung seiner Emotionen. Kein Werk, dass vor Melancholie überquillt, sondern eins, dass den passenden Ton trifft, sodass auch er schlussendlich ein versöhnliches Ende, begleitet von einer gezupften Akustikgitarre, findet. "Here's I guess a last goodbye to you my friend / Lord knows this isn't easy / ... / Thanks again“.




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