Glücklicherweise war es kein Aprilscherz, sondern tatsächlich das erste Album von Seabear nach zwölfjähriger Ruhezeit. Diese Rückkehr hatte sich lang vorher angedeutet, denn bereits im November 2019 schrieb ich zu „Sad Party“ von Sin Fang: „Freunde isländischer Folkpop-Musik dürfen sich freuen, denn nach 9 Jahren Stille haben Seabear einen neuen Song namens „Waterphone“ veröffentlicht und weitere in Aussicht gestellt.“
„Weitere“ lässt sich mittlerweile ganz konkret beziffern, denn neben „Waterphone“ befinden sich zehn neue Songs auf „In Another Life“, das selbstverständlich wieder über das Berliner Label Morr Music veröffentlicht wurde.
Die sechs Isländer - Guðbjörg Hlín Guðmundsdóttir, Halldór Ragnarsson, Kjartan Bragi Bjarnason, Örn Ingi Ágústsson, Sindri Már Sigfússon (Sin Fang) und Sóley Stefánsdóttir (Sóley) - hatten im vergangenen Jahrzehnt den Kontakt ge- sowie ihre Freundschaft aufrecht erhalten und sich immer wieder gefragt, wie Seabear wohl aktuell klingen würden.
Entspannter, vielschichtiger, charmanter Folkpop mit vielen Stimmen und noch mehr Instrumenten, die uns Sin Fang auf seinen letzten Soloalben so tapfer verweigerte. Die Vorab-Single „Waterphone“ bleibt der einzige Song mit Country-Schlagseite, aber nicht der einzige, der sich direkt im Ohr festsetzen. „Parade“ ist ein Gehörgangnister ähnlicher Güteklasse, „Talking In My Sleep“ hüpft aufgeregt darin herum und „We Could Do Everything“ sorgt sogar für einen leichten Tinnitus.
Die elf Songs der Platte bedienen sich jener Zutaten, die rund um die Millenniumwende unverzichtbar waren, wenn man als Indiepop-Kapelle karrieretechnisch durchstarten wollte. Antreibende Rhythmen, flirrende Synthesizer-Spielereien, melancholisch eingefärbte Gesänge, rockige Gitarren und als erdende Komponente weitschweifende Orchesterarrangements. Perfekt produziert und trotzdem von einer gewissen Flüchtigkeit dominiert, funktioniert das Album aber auch heute noch ganz hervorragend. Für Seabear mag „In Another Life“ ein neues Kapitel in ihrer von Unterbrechungen und Wiederkehr gekennzeichneten Bandgeschichte sein, für die Hörer ist es eine Einladung, sich zwischen Nostalgie und Gegenwart gemütlich einzurichten.
Trotz der langen Pause und der musikalisch doch sehr unterschiedlichen Solo-Karrieren bzw. Musik-Projekte der sechs Mitglieder klingt „In Another Life” erstaunlich nach den guten alten Seabear von damals. Ein bisschen verträumt, ein bisschen verspielt, ein bisschen melancholisch und ein kleines bisschen kitschig. Ja, es ist etwas aus der Zeit gefallen, aber auch irgendwie zeitlos. Denn ganz ehrlich – zumindest ich lassen mich heute wie damals liebend gerne wieder in Seabears mollig-warme Soundlandschaften einmummeln. Willkommen zurück, Seabear!
7 Punkte
AntwortenLöschenDer starke Beginn kann nicht durchgehalten werden. 7,5 Punkte
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