Wer bisher nur die kapriziösen und verspielten Miniaturen aus dem Soundtrack zu "Die fabelhafte Welt der Amélie" kannte, muss vor ...

Yann Tiersen - Dust Lane

















Wer bisher nur die kapriziösen und verspielten Miniaturen aus dem Soundtrack zu "Die fabelhafte Welt der Amélie" kannte, muss vor "Dust Lane" gewarnt werden, denn liebliche Melodien, einschmeichelnde Geigen, Glöckchen und Akkordeon sind passé.
Yann Tiersens erstes reguläres Album seit "Les Retrouvailles" aus dem Jahre 2005 kommt ungewöhnlich düster und depressiv daher, weist nur wenige, aber sehr lange und ungewöhnlich strukturierte Titel auf und dreht sich, bedingt durch den Tod seiner Mutter und eines engen Freundes rund um das Ende des Lebens, welches Tiersen in der "Dust Lane" symbolisiert sieht. Titel wie "Dust Lane", "Dark Stuff", "Ashes" und "Till The End" suggerieren bereits die Stimmung der Platte. Da poltert das Schlagzeug manisch vor sich hin ("Palestine"), dürfen die Gitarren auch mal dissonant erklingen ("Dark Stuff"), Chöre pathetisch bis wehmutig klagen ("Ashes") oder Matt Elliott (Ex-Third Eye Foundation) mit tiefstem Timbre seinen Text sprechender Weise vortragen ("Chapter 19").
Doch Tiersen wäre nicht Tiersen, würden unterhalb dieser Finsternis nicht Mandolinen, Flöten und Bouzoukis einen Hoffnungsschimmer herauf beschwören und würde zur Sterblichkeit nicht automatisch das Leben dazu gehören. So sagt er über das Leben: "Not a sad thing, but a colourful thing - an experience sometimes painful, but also joyful" und beschließt die Platte mit "Fuck Me" (Fuck me, fuck me, fuck me... and make me come again.), einem hoffnungsvoll-amourösen Duett mit der bretonischen Sängerin Gaelle Kerrien.





"Dark Stuff" Video


Das Album wurde zusammen mit dem Produzenten Ken Thomas (Sigur Rós, M83, Moby, Dave Gahan) größtenteils in Tiersen Haus auf der kleinen Insel Ouessant vor der bretonischen Küste aufgenommen. Neben den Sängern Elliott und Kerrien sind auch Musiker von Gravenhurst und Syd Matters auf "Dust Lane" zu hören.
Der Vinyl-Version liegt die CD bei.

Tiersen kennt sich eben aus mit rasch wechselnden Stimmungen. Die Grundfarbe seiner Klangmalerei ist aber auch dieses Mal Moll, das mal vorsichtig und mal beinahe euphorisch zwischen Bouzoukis, Mellotron Geigen, Piano, Mandolinen, Akkordeon, Flöten, alten Moogs und Zerrgitarren seine Möglichkeiten auskostet. Nur Drumsticks und ein paar (Sprech-)Gesangsmikros verlieh der Franzose an Außenstehende wie Matt Elliott, Gravenhursts Dave Collingwood oder Syd Matters' Jonathan Morali. Das führt zum aufbegehrenden "Dark stuff", zum resignierten "Chapter 19", zum verspielten Unbehagen von "Palestine" und zum fröhlichen Abgesang von "Till the end". Im abschließenden "Fuck me" sorgen die unterschwelligen Verwerfungen für zwinkernde Wolkigkeit, weil der eben noch zum Verderben herbeigerufene Engelschor jetzt zum fröhlichen Wettvögeln aufruft und damit einige Turbulenzen auslöst. Das Leben muss weiter gehen - gerade wenn alles im Durcheinander versinkt. Also sind ist die rasche Weitergabe des genetischen Materials durchaus erste Bürgerpflicht. Tiersen ist eben doch Franzose durch und durch.
(plattentests.de)




Die fabelhafte Welt des Yann Tiersen:

26.11.10 München, Backstage
28.11.10 Stuttgart, Wagenhallen
30.11.10 Leipzig, Werk II
14.12.10 Berlin, Astra
15.12.10 Darmstadt, Centralstation
16.12.10 Bochum, Bahnhof Landengreer
17.12.10 Nürnberg, Hirsch
18.12.10 Hamburg, Übel & Gefährlich
19.12.10 Köln, Essigfabrik

4 Kommentare:

  1. Dirk, du formulierst fabelhaft, darf ich dir dieses Kompliment mal machen? Sprachlich auf hohem Niveau deine Vorstellungen!

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  2. Anders als erwartet, dennoch richtig gut.

    7,5 Punkte

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  3. Streckenweise wunderschön. 7,5 Punkte

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