Spätestens mit ihrem dritten Album „Carnival Of Light“ hatten Ride 1994 den Shoegaze-Mantel abgelegt und sich in traditionellere Psychedelic Rock-Umhänge gehüllt. Das zweite Album nach ihrer 21-jährigen Funkstille untermauert diese Entwicklung und lässt shoegazige Songs, wie beispielsweise „Pulsar“, das im letzten Jahr auf der „Tomorrow’s Shore“ EP veröffentlicht worden war, etwas missen, zeigt die Band jedoch stilistisch breiter aufgestellt.
Beim Hören des ersten Songs „R.I.D.E.“ stellt man sich unweigerlich die Frage, ob Andy Bell zu seinen Oasis-Zeiten vom instrumentalen Konzert-Opener „Fuckin’ In The Bushes“ so angetan war, dass er etwas ähnliches auch für Ride haben wollte. So hören wir bollernden Beats, eine „Ride“-flüsternden weiblichen Stimme, My Bloody Valentine-artigen Gitarrenklängen und denken dabei, dass das Quartett zu diesen Klängen zumindest gut eine Bühne betreten könnte. Das anschließende „Future Love“ ist ein luftiger Gitarrenpop-Song, der sich auch gut 1992 auf „Going Blank Again“ hätte wieder finden können, aber im Rennen um eine Single-Auskopplung gegen „Twisterella“ doch knapp den Kürzen gezogen hätte.
Das an New Order erinnernde „Repetition“ lebt tatsächlich von seinen Wiederholungen und zeigt vermutlich am deutlichsten den Einfluss von DJ/Remixer Erol Alkan, der nach dem Comeback-Album „Weather Diaries“ (2017) erneut als Produzent fungierte. Der rockigste Song von „This Is Not A Safe Place“, das auch beim Mixer Alan Moulder (Suede, Editors, Foals, Interpol) auf eine bewährte Kraft setzt, folgt mit „Kill Switch“, das man eher Primal Scream als Ride zuordnen würde. „Clouds Of Saint Marie“ und sein packender Nana Naa, Na Nana Naa-Chor bieten den zweiten Höhepunkt des Album („End Game“ und „In This Room“ sollen später diese Kategorie vervollständigen), bevor „Eternal Recurrence“ einen langatmigen Dreampop-Abschluss der ersten Plattenhälfte bildet.
„This Is Not A Safe Place“ bietet als Doppel-LP 12 Songs in knapp 51 Minuten, ist qualitativ ähnlich einzuschätzen wie sein Vorgänger „Weather Diaries“ (somit ebenfalls besser als „Tarantula“) und bietet einige Songs, die sich gut in die Setliste für die im nächsten Jahr anstehenden Deutschland Konzerte einfügen lassen:
30.01.2020 Köln, Gloria31.01.2020 Hamburg, Gruenspan
02.02.2020 Berlin, Festsaal Kreuzberg
03.02.2020 München, Strom
Dreampop ist jedoch nicht die allein bestimmende Atmosphäre des sechsten Albums, mit Songs wie "Repetition" oder "Kill Switch" dominiert hart peitschender Noise-Pop und Ride zeigen, dass sie schon immer im Shoegaze den eher rockigen Part besetzten.
Ein Track wie "Jump Set" wird das Herz von Ride-Fan Robert Smith höher springen lassen, ist es durchaus The-Cure-inspiriert. Und "In This Room" erinnert an die zweite berühmte Oxford-Band: Radiohead. Man merkt, dass Andy Bell, der in der Ride-Pause Bass bei Oasis und in Liam Gallaghers Band Beady Eye Gitarre spielte, nun wieder befreit aufspielt – ist er doch neben Mark Gardener die treibende Kraft in Rides Musik. (…)
Aber alles in allem ist Ride mit diesem Album nach "Nowhere" und "Going Blank Again" – zwei Klassikern des Genres – ihr drittbestes gelungen.
(Tonspion)
Im Stile eines Gemischtwarenladens versammeln Ride darauf herrlich hookige Indiepop-Songs („Future Love“), eine astreine New-Order-Hommage („Repetition“), dreckig aufgemotzten Postpunk („Kill Switch“) und mit „Eternal Recurrence“ auch eine entschleunigte Shoegaze-Nummer à la Slowdive. Nur geht bei so viel stilistischer Umtriebigkeit und Retromanie die eigene Handschrift etwas verloren.
(musikexpress)
„This Is Not A Safe Place“ ist Shoegaze und gleichzeitig der Beweis dafür, dass etwas, nur weil es aus dem letzten Jahrhundert kommt, nicht im Sud der ritualisierten Selbstbeweihräucherung untergehen muss.
So sind „Future Love“ und „Jump Jet“ vielleicht die besten Smiths-esken Songs der letzten Jahrzehnte, und das obwohl Brexit-Bad-Boy Morrissey sich alle Mühe gibt, seinen eigenen Heiligenschein möglichst hell scheinen zu lassen.
Dem einen gehen die Batterien aus, gegen Lithium-Ionen-Akkus hat der werte Werteverfechter und stolze Fortschrittsgegner sicher auch etwas, die anderen sind zwei Jahre nach ihrem Comeback in der Form ihres Lebens.
Und das nicht nur, weil sie besser darin sind, Indie-Rock in Rohform zu produzieren als diejenigen, die selbst für dessen Entstehung verantwortlich waren, sondern auch, weil sie dem aktuellen Zeitgeist einen ebenso großzügigen Platz auf „This Is Not A Safe Place“ einräumen.
(musikblog)
Der ME sagt: "Nur geht bei so viel stilistischer Umtriebigkeit und Retromanie die eigene Handschrift etwas verloren."
AntwortenLöschenIch finde, dass genau das Gegenteil der Fall ist.
8,5 Punkte
6,5 Punkte
AntwortenLöschenÜberraschung des Jahres! Das letzte Album mochte ich leider so gar nicht, dieses hier ist wunderbar, auch wenn es ein paar schwächere Songs gibt, aber für "Future Love" nur Liebe! 9 Punkte
AntwortenLöschen8
AntwortenLöschenDann geb' ich mal 7,5 Punkte.
AntwortenLöschenEtwas seltsam, dass die schwächeren Songs am Anfang der Platte stehen (mit Ausnahme von "Future Love" natürlich). Dennoch Platz 3 in meinen Jahres-Charts und 8,5 Punkte.
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