Schwarz, weiß und grün. Passend zu den Hosenanzügen, die Klara und Johanna Söderberg auf dem Cover ihres fünften Studioalbums tragen, sind a...

First Aid Kit - Palomino


Schwarz, weiß und grün. Passend zu den Hosenanzügen, die Klara und Johanna Söderberg auf dem Cover ihres fünften Studioalbums tragen, sind auch die Vinyl-Farben gewählt. Vielleicht hätten sich die Schwestern auch für  ein Foto, das nicht aus der Frosch-Perspektive gemacht wurde, entscheiden sollen… Aber das ist schließlich Geschmackssache.

Genau wie die deutlich Richtung Pop verschobene Musik von „Palomino“, die First Aid Kit gemeinsam mit Björn Yttling (von Peter Bjorn and John) und ihrem Produzenten Daniel Bengtson in dessen Stockholmer Studio ersonnen haben. Zwischen Radio-Pop („Angel“) sowie nostalgischen 70ies Klängen („Turning Onto You“, „Ready To Run“) und 80ies Sounds („A Feeling That Never Came“) wächst nur noch vereinzelt, von Bläsern (selten) und Streichern (häufig) umgeben, das ein oder andere kleine Folk-Pflänzchen („Fallen Snow“). Auf „Wild Horses II“ zeigen die beiden Schwestern, was sie bei ihrem Leonard Cohen-Tribute „Who By Fire“ gelernt haben.  

First Aid Kit in Deutschland:
04.02.23 Berlin, Columbiahalle
05.02.23 Hamburg, Gruenspan
11.02.23 Köln, Die Kantine


 


PALOMINO besticht dennoch durch seine Vielseitigkeit und Einflüsse: der monumentale Gesang wird in „Fallen Snow“ leicht bröcklig und weckt Feist-Assoziationen, „A Feeling That Never Came“ erinnert mit seinen scheppernden Hi- Hats an die 80er und prominente Basslines wie in „Turning Onto You“ an Fleetwood Mac. Dass die Nostalgie hier und da in Disney-Romantik kippt, stört überhaupt nicht, und genau das macht die elf Songs zu gutem Pop.


  


Weshalb der echte Reiz von „Palomino“ eher in den Songs liegt, die das nicht so unbedingt wollen und es gerade deshalb tun. Andererseits, wer ließe sich nicht doch gern von diesen Sister-Harmonies überwältigen, auch in der jubilierenden Fluchtparole „Ready To Run“? Hinter der Ekstase warten Stücke wie „Turning Onto You“, das uns samt George-Harrison-Gedächtnisgitarre in die weich gebettete Uh‑huh-Wunderwelt des Frühsiebzigerradios entführt.
Wie „Fallen Snow“, das einen irischen Folk-Vibe mit Stehaufmännchen-Pop verwebt und wie nebenbei mit dem Wissen aufwartet, dass Liebe nur aus Erkenntnis hinter der Projektion wächst: „When you think I’m not watching, I can see the bleakness in your smile.“ Daran anknüpfend das melodramatisch wogende „Nobody Knows Me“ oder die trotzige Liebeshoffnung „The Last One“ im Cinemascope-Format. Streicher willkommen! Bläser ebenso. Dosierung und Dramaturgie stimmen meist.


 


Songs wie "Ready to run", "The last one" und auch die Vorab-Single "A feeling that never came" spulen die bekannten Trademarks des Duos auf Autopilot ab und versprühen dabei weder sonderlich viel Inspiration, noch raffinierte Spielfreude – es wirkt beinahe so, als wolle man nach der vierjährigen Bandpause erstmal möglichst bedacht und abgesichert agieren. Zudem schleichen sich im Albumverlauf gar einige recht ärgerliche Gurken ein. "Nobody knows" kleistert sämtliche Klangwände mit kitschigen Streichern zu, versucht sich an der ganz großen emotionalen Geste, verliert sich dabei aber im Nirgendwo. In eine ähnliche Kerbe schlägt "The last one", das ebenfalls am übertriebenen Kitsch scheitert und dabei auch noch einen schönen Gesangspart von Johanna Söderberg mehr oder weniger verschenkt.
Dankenswerterweise zeigen die beiden Schwedinnen aber an ebenso vielen Stellen, dass sie nach wie vor tolle Songs schreiben können. 


 



5 Kommentare: