PVG: Du hast uns das „Shoegaze-Punk-Pop-Album „Misery“ von Ekkstacy “ ans Herz gelegt. Wie bist du auf den 20-jährigen Kanadier, der ein kle...

Ekkstacy - Misery


PVG: Du hast uns das „Shoegaze-Punk-Pop-Album „Misery“ von Ekkstacy“ ans Herz gelegt. Wie bist du auf den 20-jährigen Kanadier, der ein kleines Geheimnis um seinen eigentlichen Namen macht, aufmerksam geworden? 

Oliver: Ich würde hier gerne eine Antwort geben wie: „Als ich eines Abends Mitte September zufällig am Jaki in Köln vorbeikam, wurde ich von einem energiegeladenen Live-Sound angezogen, dem ich nicht widerstehen konnte. Plötzlich und ohne zu wissen, wie es dazu kam, stand ich in einer schwitzenden Menge vor der kleinen Bühne und feierte, als wäre ich selbst gerade erst 20 Jahre alt geworden.“ Naja, ich bin über 50 – ich hab Ekkstacy in einer Spotify-Playlist entdeckt.


PVG: Seine erste Veröffentlichung hieß 2021 „Negative“, nun folgte „Misery“. Besonders rosig ist es um Ekkstacy nicht bestellt, oder?

Oliver: Nicht nur die Namen der Alben - auch die Song-Titel gehen in diese Richtung. In einem Interview verriet er, dass Musikmachen eine Art Therapie für ihn sei und er darum damit angefangen hat. Eine Win-win-Situation: Ihm hilft es scheinbar, dass es ihm besser geht und wir haben auch noch was davon – nämlich tolle Musik.


PVG: Den Albumtitel trägt er im Gesicht tätowiert, auch wenn dies das Plattencover nicht zeigt. Welchen Alben- oder Songtitel würdest du dir tätowieren lassen?

Oliver: Ich kenn‘ mich doch: Heute finde ich einen Songtitel toll und morgen denke ich: „Oh je, ist das übel …“ Wenn ich mir in den 80ern einen Songtext der Toten Hosen oder Morrissey hätte tätowieren lassen, fände ich das heute vielleicht gar nicht mehr so gut. Also: Keinen.


PVG: Apropos Plattencover: Steht „Misery“ denn auch schon in deinem Plattenschrank?

Oliver: Täte es, wenn es eine Veröffentlichung auf Vinyl gäbe. Gibt es aber leider nicht.


PVG: Oh wie schade, dann kann Volker die Musik von Ekkstacy gar nicht hören und bewerten. Aber vermutlicht ist The Drums trifft The Cure (so würde ich die Musik auf „Misery“ umschreiben) auch nicht so seine Sache. Welche Vergleiche ziehst du?

Oliver: The Drums trifft The Cure trifft es schon ganz gut. Ich möchte da gar nichts mehr hinzufügen. Außer dass man auch „Emo-Synth-Pop“ statt „Shoegaze-Punk-Pop“ sagen könnte. Stimmt alles.


PVG: Welchen Song aus „Misery“ würdest du für ein Mixtape auswählen und zwischen welchen anderen Liedern würdest du ihn platzieren?

Oliver: Ich würde mich für „wish i was dead“ entscheiden. Zwischen „Alles ist besser“ von Theo Vandenhoff (wie Ekkstacy aus Kanada stammend) und „Vertigo“ von Edwin Rosen.


PVG: Und zum Abschluss noch die Bitte um zwei Prognosen: Wo wird „Misery“ am Ende des Jahres im Ranking deiner persönlichen Lieblingsalben landen und wo bei Platten vor Gericht?

Oliver: Bei mir hat das Album Chancen auf die Top 30. Bei Platten vor Gericht wird es mit Glück kein dreistelliger Platz.


 


So wie Ekkstacy bislang durchs Leben gehetzt ist, präsentieren sich seine Songs. Ende 2021 das Debüt, in 17 Minuten sieben kurze Tracks, nun "Misery" mit derer zehn, leicht über der Zwanzig-Minuten-Marke. Keine Zeit für lange Intros, für ausladende Arrangements. Scheinbar reduzierter Sound, reduzierte Message: das Album konzentriert sich auf das sich wiederholende Motto "There's no ecstasy without agony, and there would be no Ekkstacy without misery".
Sein Stil ist dabei auf den ersten Blick eben so schnell erzählt wie auserzählt. Ähnlich den großen musikalischen Vorbildern gelingt Ekkstacy dabei jedoch besonderes. Vieles taugt erstaunlicherweise als Hit. Man mag es sich eigentlich gar nicht eingestehen, welches Ohrwurmpotential "I'm so happy" oder "I wish you were pretty on the inside" mitbringen oder wie viel Tanzbarkeit im Shoegaze des schnellen "Christian death" steckt, aus dem die eingangs zitierte Textzeile stammt. Es scheppert bisweilen ziemlich kraftvoll zu vermeintlich kraftlos vorgetragenen Lyrics. Die jeweils etwas über zwei Minuten nutzt Ekkstacy intensiv. Der dem Trap entlehnte Sprech-Singsang verleiht diesem Szenario eine spezielle Note, welche den Kanadier aus der Masse an Post-Punk- und Post-Wave-Acts herausragen lässt.


 


Das Album beginnt mit „I Just Want To Hide My Face“, das im höheren BPM-Bereich die neue Richtung andeutet. Ekkstacys ausgewaschener Post-Punk legt diesmal mehr Fokus auf den Punk, was auch die crunchy E-Gitarren und flinken Drum-Fills in „I Wish You Were Pretty On The Inside“ demonstrieren. Diese Energie steht seinen Songs sehr gut, gerade in Stücken wie „I Wish I Was Dead“ (schon wieder so ein Titel …), in denen der sich selbst zerfleischende Text mit fast schon zuckersüßen Melodien kontrastiert wird. Manchmal erinnert diese an den unschuldigen Adoleszenz-Pop von The Drums. Kein Wunder, schließlich arbeitete Ekkstacy bereits mit Bandanführer Jonathan Pierce zusammen. Anderswo strahlt das Mondlicht des Goth-Rock durch „Misery“. Speziell im das Album beendenden Songduo „I Want To Sleep For 1000 Years“ und „Ausgang“. Joy Division und The Cure hat Ekkstacy nach eigener Aussage nie gehört, aber die Vibes von Christian Death seien schon ein großer Einfluss – so groß, dass er die US-Goth-Band direkt im Titel des vierten Songs namedroppt. Ekkstacys Leid hat viel Tiefe und viele Facetten – und klang noch nie so intensiv wie auf „Misery“.





4 Kommentare:

  1. Keine Ekstase, aber immerhin 7 Punkte.

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  2. Ach, ich kann meine erste Antwort aktualiseren: Als ich eines Abends Mitte Juni absichtlich am Helios 37 in Köln vorbeikam, wurde ich von einem energiegeladenen Live-Sound angezogen, dem ich nicht widerstehen konnte. Plötzlich und ohne zu wissen, wie es dazu kam, stand ich in einer schwitzenden Menge vor der kleinen Bühne und feierte, als wäre ich selbst gerade erst 20 Jahre alt geworden. Oder wie es drüben bei Twitter jemand sagte: "Safe bet to say I was the oldest in the crowd, correction: besides the crowd."

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