Neulich explodierte Twitter, als festgestellt wurde, dass bei Rock am Ring bei aktuell 27 bestätigten Bands bisher 2 Musikerinnen und 107 Musiker auf den Bühnen stehen werden. Dieses Missverhältnis wurde zurecht angeprangert.
Ginge es auch anders? Mit Sicherheit, jedoch kenne ich mich zu wenig im Bereich Rock /Heavy Metal aus, um konkrete Vorschläge für das Festival unterbreiten zu können. Aber es ist dennoch ein guter Anlass, die eigene Auswahl an vorgestellten Platten einmal kritisch zu hinterfragen.
Bisher wurden 91 Alben im Jahr 2022 vorgestellt, darunter befinden sich 16 weibliche Solokünstlerinnen (Lana del Rey, Mine, Masha Qrella usw.) und 14 männliche Solokünstler (Chris Garneau, James Levy, PeterLicht usw.). Bei den Bands ist das Verhältnis bei Weitem nicht so ausgewogen: 40 Bands mit nur männlichen Musikern (Mogwai, The Notwist, Teenage Fanclub usw.) stehen nur 2 Bands mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern entgegen (Goat Girl, First Aid Kit), hinzu kommen 19 Bands, die mindestens eine Musikerin haben (Middle Kids, Grouplove, Pale Waves, Deacon Blue usw.).
Selbstverständlich sind im künstlerischen und technischen Prozess einer Plattenaufnahme wesentlich mehr Menschen, wie etwa Produzenten, Tontechniker, Studiomusiker usw. involviert und diese sind vermutlich zum allergrößten Teil männlichen Geschlechts. Lässt man diesen Aspekt außen vor, kommen wir auf 20% Plattenvorstellungen von weiblichen Künstlerinnen, 21% gemischt geschlechtliche Bands und 59% männliche Künstler.
Unsere heutige Künstlerin ist in diese Quote schon eingerechnet: Sophia Kennedy stammt aus den Baltimore und lebt in Hamburg. Passend zum Albumtitel darf ihr Pop, der Elemente von Elektro, Folk, Trip Hop, R&B und Hip Hop absorbiert, als spooky bezeichnet werden. Wie bei ihrem selbstbetitelten Debütalbum wurde die Platte von ihrem Partner Mense Reents (Die Goldenen Zitronen) produziert und wird erneut mit Kritikerlob nur so überhäuft:
Kennedy lässt ihren Songs mehr Raum für Improvisationen, die Musik wirkt psychedelisch entgrenzt, manche Töne sind absichtlich schräg und schief, ab und zu furzt ein elektronisches Modul tolldreist irgendwo hinein, »Seventeen« tuckert auf dem ganz billigen Bossa-Preset einer Heimorgel dahin. Dann wieder wird das Schwebende, mitternächtlich Surreale plötzlich von echten, handfesten Drums geerdet wie in »Chestnut Avenue« oder »I'm Looking Up«, das wohl vom Tod ihres Vaters vor zwei Jahren handelt.Es geht um Transzendenz im Angesicht von Trauer, Verlust und Apokalypse. Oft gleitet die Protagonistin dieser durch den Äther rauschenden Tracks über alles Irdische hinweg, im Limbo zwischen Leben und Sterben, bis das Gefühl für oben und unten erlösend verloren geht wie im Jazzfunk-Trip »Up« – neben »I Can See You« der vielleicht eindeutigste Hit dieses Albums.(Spiegel)
Wenn man sich die 13 Tracks auf MONSTERS anhört, bebt, pluckert, rauscht es ständig bedrohlich. Da stellt sich ein Prickeln ein, das man gut in Bauch, Füßen, Händen merkt. Es gibt dieses Grunddröhnen, über das Kennedy mit der Selbstverständlichkeit einer Priesterin singt. Nur zu gerne folgt man ihr in die Abgründe, die sie in ihren Lyrics heraufbeschwört. (…)Schrille Affengeräusche, Alien-artige Soundscapes und die Ansage, viele würden ihre Probleme wie gut zu pflegende Haustiere behandeln (in „Frances“), lassen die Nackenhaare senkrecht stehen und zig Fragezeichen auftauchen. Wenn eine im Dunkeln mit einer Taschenlampe unter dem Kinn anderen Geschichten erzählen sollte, dann Sophia Kennedy. Sie weiß, wie man Anspannung, Atmosphäre und dabei einzigartige Schönheit erschafft.
Den Auftakt des Albums macht der Song „Animals Will Come“, todestrunken und auf wankelmütigen Gitarren – mit Tieren, die das Knochenmark auslutschen. Auweia! Sophia Kennedy singt aus Sicht einer sterbenden Person. Das Stück behandelt Vergänglichkeit und Verwesung. (…)Textlich also, aber auch musikalisch ist „Monsters“ starker Tobak: Kam beim Debütalbum das Songwriting offenkundig entspannt vom Klavier her, wird man bei „Monsters“ auf allen Frequenzen klangbefeuert. Gerade „Animals Will Come“ besticht gerade als Kontrapunkt, bei dem das Songwriting offenkundig von Kennedys Gesang her aufgefädelt wird. Mense Reents, der wieder mit ihr produziert hat, improvisiert die Gitarren. (…)Konventionen sind Monster, die sich nicht aushalten lassen: Kennedy erteilt ihnen mit ihrer Musik eine deutliche Absage.(taz)
8 Punkte
AntwortenLöschenFile Under: Mir zu anstrengend
AntwortenLöschen5,5
Mein Lieblingsstück ist "Francis", insgesamt sind es bei mir 6 Punkte
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