Was machen eigentlich all’ die britischen Jungs mit sonorer Singstimme - lasst uns ihnen einfach stellvertretend einen x-beliebigen Namen wi...

Yard Act - The Overload


Was machen eigentlich all’ die britischen Jungs mit sonorer Singstimme - lasst uns ihnen einfach stellvertretend einen x-beliebigen Namen wir Tom Smith geben - in ihrer Freizeit? Bands gründen, sich in Kellern / Garagen / Proberäumen treffen und zackigen Post-Punk spielen diese Smiths ja wohl offensichtlich nicht. Oder wie lässt sich der totale Tom Smith Mangel bei Idles & Konsorten sonst erklären?  

Unter „Konsorten“ können wir nun auch Yard Act eingruppieren. Zwar haben sie für die Rolle des Frontmann einen jungen Herrn Smith gefunden, aber leider keinen Tom. Statt dessen sprechsingt nun James zur Musik von Ryan Needham (Bass), Sam Shjipstone (Gitarre) und Jay Russell (Schlagzeug) in zynischen und sarkastischen Texten über Kapitalismus, Gentrifizierung oder soziale Klassen. Im Vereinigten Königreich ist man wegen „The Overload“ ganz aus dem Häuschen und kaufte / streamte das Debütalbum des Quartetts aus Leeds bis auf Platz 2 der Charts.

Einerseits sind von „The Overload“ bei Discogs aktuell 19 unterschiedliche Pressungen der Schallplatte gelistet, andererseits ist es in Deutschland aktuell schwierig auch nur ans black Vinyl zu gelangen. Ob deshalb der Einzug in die deutschen Top 100 bisher nicht gelang?


 


Trotz kleiner Post-Punk-Biester wie "Witness" oder wunderbar Verschrobenem wie "Quarantine the sticks" ist dem Sound des Quartetts mit diesem Etikett absolut nicht Genüge getan. Die Gitarrenarbeit von Sam Shjipstone kommt ohne Breitseite aus, tönt mal funky, mal atmosphärisch. Das energische "Dead horse" lässt die Gitarre zwar noch zum Licking frei, Rhythmus, Storytelling und Thema des Stücks sind nicht so weit von Mike Skinner oder Sleaford Mods gelagert – vom bissigen Hit "Payday" ganz zu schweigen. Und währen die Beine zucken, anwesende Protagonisten von solch infektiösen Songs ins Schwitzen geraten, treiben Ryan Needhams Basslinien stoisch vor sich hin, verschmelzen im besten Falle mit den Rhythmen und Beats von Jay Russell: eine für die Post-Punk-Hymne "Pour another" entfesselnd-tanzbare Kombination. Und nicht nur in der groovenden und lyrisch witzigen Single "Land of the blind" das effektive Fundament für die Kompositionen von Yard Act.


 


Doch bitte nicht beirren lassen, die Musik von Yard Act soll weder pathetisch noch belehrend wirken. Der Band geht es ums Aufarbeiten desolater Gesellschaftsstrukturen im Stil der Generation Facebook: Nicken, lächeln, Arschloch denken. Mit „Ba-ba-ba-ba-bow“ auf den Lippen und dem Bass als lamentierende Konstante sollen wir uns alle ins eigene Selbstbewusstsein grooven („Land of the Blind“) und gleichzeitig nicht zu wichtig nehmen. Dabei ist zu erwähnen, dass sich Yard Act natürlich wichtig nimmt und des britischen Understatements gewissermaßen bedient: Wer Song für Song minutenlang kommentiert, witzelt, vorträgt, weiß höchstwahrscheinlich um seine mächtige Position.
Die scheint allerdings tatsächlich nicht so wichtig. Ginge es Yard Act nur um Aufmerksamkeit, die Band hätte so launig versierte Gitarrenarrangements wie den Titeltrack nicht nötig. Und Pandemie-Karriere hin oder her, Yard Act wird auch über die Krisenzeit hinaus von sich reden machen. Denn kaum eine neue Musikgruppe hat es in den vergangenen Jahren geschafft, Alltag und Spannung, Indie und Postpunk, Wohlklang und Kontra so gekonnt zu fusionieren. „The Overload“ ist ein Debüt, das im Kopf bleibt.





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