Die Wortschöpfung „Værmin“ führt bei der Internetrecherche automatisch zu Tara Nome Doyle. Es verbindet gleichzeitig zwei Begriffe aus den Sprachbereichen ihrer Eltern, das englische „Vermin“ (Ungeziefer) und das norwegische „vær min“ (sei mein), sowie einen konzeptionellen und thematischen Überbau des Albums, welcher, der Psychoanalyse von C.G. Jung folgend, Gegensatzpaare (wie das Liebliche und das Raue, das Schöne und das vermeintlich Hässliche oder das Bewusste und das Unterdrückte) in Menschen und deren Liebesgeschichten herausarbeitet.
Diese Gegenpole verdeutlicht die in Berlin lebende 24-jährige Singer/Songwriterin durch den Einsatz ihrer Kopf- bzw. Bruststimme und bettet alles in intimen, berührenden Kammerpop. Das Klavier dominiert und lässt uns an Kate Bush, Tori Amos oder Soap&Skin denken, übernimmt eine grollende Kirchenorgel das Geschehen, kommt einem Anna von Hausswolff in den Sinn, zusätzliches elektronisches Geplucker führt uns in Beach House-Dreampop-Gefilde. Dass „Værmin“ gemeinsam mit dem Produzenten / Geiger / Toningenieur Simon Goff, der für seine Arbeit mit Hildur Guðnadóttir am Soundtrack zur großartigen düsteren Serie „Chernobyl“ einen Grammy erhielt, entstand, macht Sinn.
„Værmin“ steht seit letztem Freitag auf crystal clear Vinyl in den Plattenläden.
Doyles Kompositionen basieren auf Klavier und ihrem spektakulären, intensiven Gesang, der von sanftem Hauchen bis zur überwältigenden Kopfstimme variiert. Die Melodien entwickeln sich langsam, bauen sich wie in „Snail I“ zu einem wahren Tower of Song auf, der die anfängliche Melancholie in erhebende Energie verwandelt.Wobei ihr Entrücktheit fern liegt, Doyles kammermusikalischer Kosmos ist durchlässig und konkret zugleich. Instrumente wie Cello, Geige, Schlagzeug und Synthesizer fügen immer neue Klangfarben hinzu, illustrieren die besungenen Tiere. „Moth“ zum Beispiel ist ein dunkles, dramatisches Chanson, in dem Doyles Stimme in tiefsten Tiefen vibriert, während das leichter arrangierte „Worms“ vorsichtig ans Licht zu streben scheint. Weird und schön.
Zunächst aber muss man sich unbedingt in »Vaermin« versenken, in den donnernden Empowerment-Gestus von »Moth«, das emotionale Belauerungsszenario von »Spider« oder das viel zu kurze »Worms«, das man gern bald im endlosen Techno-Remix hören würde. Einzig »Crow« mit seiner seltsam unnötigen elektronischen Stimmverschlurfung (»Morning comsch too schoon«), fällt aus dem Rahmen. Kein Wunder, dass sie da am Ende selbst hörbar ins Mikro schnaufen muss.Für alles andere gilt, was die Verführerin Tara Nome Doyle mit grandioser Creepyness in »Caterpillar« singt: »Don't try to flee/ Embrace quarantine/ You don't need friends/ You just need me«. Schon jetzt eine der schönsten Pop-Offerten des Jahres.(Spiegel)
7 Punkte
AntwortenLöschenGefällt mir deutlich besser als das Debüt. 7,5 Punkte
AntwortenLöschen7,5 Punkte. Schade, dass sie beim Konzert in Bonn nicht dabei war.
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