Ui, was war denn da mit mir los? Dass ein Album bereits vor der Urteilsverkündung in der Plattenvorstellung verrissen wird, ist eigentlich g...

Olli Schulz - Vom Rand der Zeit


Ui, was war denn da mit mir los? Dass ein Album bereits vor der Urteilsverkündung in der Plattenvorstellung verrissen wird, ist eigentlich gar nicht meine Art. 

Aber vielleicht lag es auch gar nicht an mir, sondern an „Scheiß Leben, gut erzählt“, denn schließlich landete das siebte Album von Olli Schulz 2018 tatsächlich mit einem Durchschnitt von 4,000 Punkten auf dem letzten Platz bei Platten vor Gericht.

Vielleicht war 2018 auch einfach ein Scheißjahr für Olli Schulz, denn zu dieser Scheißplatte kam auch noch die Scheißentscheidung, das Scheißhausboot von Gunter Gabriel zu kaufen. Dieses stellte sich als ein finanzielles Loch ohne Scheißboden heraus, dann lief es wegen der Scheißpandemie schwierig mit der Vermietung und letztendlich wollten es danach auch nicht viele buchen, da gegen Schulz’ Partner/Freund Fynn Kliemann nach einem Beitrag von Schulz’ Freund Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royale wegen Scheißbetrugs ermittelt wurde. 

Jetzt lassen wir aber den ganzen Scheiß hinter uns, springen über sechs Jahre hinweg und kommen zu seinem neuen, oftmals melancholischen und wehmütigen Album. Es folgen nach meinem Hinweis, dass „Vom Rand der Zeit“ zwar nur als CD und LP (black Vinyl) käuflich zu erwerben ist, aber es zudem eine Olli Schulz Action Figur gibt, lauter Lobhudeleien:


Zu melancholisch gezupfter Klampfe und lakonisch kommentierendem Klavier erzählt er im Titeltrack von einem Schicksalsgebeutelten am Katzentisch der Gesellschaft. „Stadtfest in Bonn“, im Duett mit Ina Müller, ist ein bittersüßer Gassenhauer über den am Notstromaggregat hängenden Hoffnungsschimmer. In Komplizenschaft mit Produzent Moses Schneider (Husten, Tocotronic) ist Schulz seine beste Platte gelungen, auf der er sich mehr denn je traut, das Visier hochzuklappen und genau hinzusehen. Ohne Humorhintertürchen, aber mit Optimismusluke, musikalischem Rückenwind (Seventies-AOR-Referenzen!) und sich auf Herzhöhe eingravierenden Refrains. Ein Album wie die feste, wärmende Umarmung eines Freundes am kältesten Tag des Jahres.


 


Diese optimistischen Töne bilden aber eher die Ausnahme auf Schulz’ neuem Werk. Der Wahlberliner lässt seine Hörerinnen und Hörer teilhaben an den Fragen des Lebens, die auch er sich stellt. „Doch wer ich heute bin, mein Gott, wer weiß das schon“, heißt es etwa in „Bessere Version“.  Er suche noch immer nach dem Bild von sich und der Welt in einer besseren Version und spiele eine Rolle, die er selbst kaum ertrage.

Immer wieder blickt der Musiker auf „Vom Rand der Zeit“ zurück in die Vergangenheit, schlägt nachdenkliche Klänge an und begibt sich tief in seine Nostalgie. Exemplarisch dafür steht „Silvester“, in dem Schulz das Gefühl besingt, das wohl jeder zum Jahresende kennt: Auf dem Balkon stehen, draußen fliegen die Raketen und da sind Gedanken an die Menschen, die einem fehlen. In dem emotionalen Song lässt Schulz auch die Geburt seines zweiten Kindes einfließen und verbindet das mit dem Neuanfang, den ein neues Jahr und eine Geburt gemeinsam haben.


 


Musikalische Ecken und Kanten sucht man vergeblich, interessantes Gerumpel auch, aber ihm gelingen berührende Momentaufnahmen seines eigenen Lebens, zarte Beobachtungen und Beschreibungen vom Scheitern und Sichsehnen. Mitunter lustig („Stadtfest in Bonn“) oder auch interessant arrangiert in Klarheit und Einfachheit („Hoch geflogen“), zelebriert er Songwriting auf Olli-Art.
Die scharfe Zunge so anders zu erleben, ist schön. Manchmal würde man sich wünschen, er umgäbe sich nicht mit allzu professionellen Musiker:innen. Fehler wäre hier und da King, wie Knarf Rellöm zu sagen pflegt. Aber erzählen und endreimen kann er. Das Album hat etwas Versöhnliches, abends vor dem Badezimmerspiegel, beim Abschminken nach einem anstrengenden Tag.


5 Kommentare:

  1. Schönes Album. Nicht so ein Scheiß, wie der Vorgänger. 8 Punkte

    AntwortenLöschen
  2. Leider ziehen ein paar Ausfälle das Album runter. Hätte er sich den Song mit Ina Müller gespart und lieber mal "Hier gibt's nichts zu sehen" mit Stoppok auf das Album gepackt. So gibt es nur 7 Punkte.

    AntwortenLöschen
  3. Besser als zuletzt. 6 Punkte

    AntwortenLöschen