Vor drei Jahren standen The Pretenders hier erstmals mit einer Platte vor Gericht: „ Hate For Sale “ kam lediglich auf einen Durchschnitt v...

The Pretenders - Relentless


Vor drei Jahren standen The Pretenders hier erstmals mit einer Platte vor Gericht: „Hate For Sale“ kam lediglich auf einen Durchschnitt von 6,5 Punkten, obwohl es bei Kritikern (77/100 Punkten bei Metacritic) und Fans (mit Platz 29 beste US-Chartplatzierung seit 1994) recht gut ankam.

Nun folgt mit dem zwölften Studioalbum (die meisten wurden vor der Einberufung dieses Gerichtshofes veröffentlicht) die zweite Verhandlung, die vermutlich ein etwas wohlwollenderes Urteil erfahren wird. „Relentless“ konnte nämlich seinen Vorgänger hinsichtlich der Kritikerreaktion (ein Metascore von 85/100) sowie der Chartposition (#25 in den USA) bereits toppen.

Kompositorisch ergänzten sich Chrissie Hynde (Gesang, Gitarre) und James Walbourne (Gitarre) wie bei „Hate For Sale“ aus der Ferne, zu den Aufnahmen traf man sich erstmals mit dem Produzenten David Wrench (Manic Street Preachers, Oliver Sim, Jamie xx, Rank Ocean, Goldfrapp) in London und arbeitete mit einem eher offen gehaltenen The Pretenders Lineup zusammen, zu dem diesmal Carwyn Ellis (Gitarre), Chris Hill (Bass), Dave Page (Bass) und Kris Sonne (Schlagzeug) gehörten. 

„Relentless“ geht - und nun wird zum letzten Mal „Hate For Sale herangezogen - weniger in Richtung Garage-Punk als der Vorgänger sondern bewegt sich zwischen klassischem Rock inklusive diverser Gitarren-Soli („Losing My Sense Of Taste“, „Let The Sun Come In“, „Merry Widow“, „Vainglorious“) und dem reichlich bestückten Gegenpol an emotionalen Balladen („The Promise Of Love“, „Look Away“, „Your House Is On Fire“, „Just Let Go“). Das (mögliche) Highlight der 12 Songs warten am Ende: Für das über 6-minütige „I Think About You Daily“ hat nämlich Johnny Greenwood von Radiohead die Streicher-Arrangements geschrieben. 


 


Es scheint so, als würden sie mehr Platten denn je machen – und sogar bessere. Sie spielen sogar noch Gitarrensoli. Aber „Relentless“ wirkt nicht wie aus der Zeit gefallen, wie man so sagt. Gitarrenbands kehren ja immer zurück. Und Hyndes Lieder – die meisten hat sie mit dem Gitarristen James Walbourne geschrieben – sind niemals verzopft. Sie hat sich auf ein mittleres Tempo verlegt, nur ganz selten könnte man sagen, dass es sich um eine Ballade handelt. Und wenn, dann ist es schön, aber nicht kitschig.
Auf dieser Platte ist es ein beinahe Chris-Isaak-artiges Stück, „The Copa“, mit maunzender Gitarre. „A Love“, längst als „Single“ veröffentlicht, ist einer der besten Songs der Pretenders. Nicht „seit langer Zeit“. Sondern überhaupt. Früher wäre es ein Hit gewesen wie „Don’t Get Me Wrong“. Chrissie Hynde nennt die Platte „eine melodische Reise in zwölf Songs“. Das kann man so stehen lassen


 


Dieses Album beginnt mit einer Lüge. „I don’t even care about Rock’n’Roll“, singt Chrissie Hynde im Opener, „all my favorites seem tired and old“. Nur, um im weiteren Verlauf von RELENTLESS ausgiebig zu beweisen, dass der gute alte Rock’n’Roll einfach nicht totzukriegen ist. Hynde trägt auch mit 71 Jahren immer noch dieselbe Frisur und dasselbe kajaldunkle Make-up, aber vor allem singt sie auf dem zwölften Album der Pretenders immer noch, als hätte sie ihre Oberlippe abschätzig nach oben gezogen.
Dieser arrogante Zorn, mit dem sie damals jenes „cause I’m precious“ ausspuckte, findet sich immer noch, wenn auch subtiler, auf RELENTLESS, das nach dem Beginn an Fahrt verliert, generell eher balladenlastig ist und ein oder zwei Gitarrensoli zu viel hat, aber vor allem klingt wie: Pretenders. Das nennt man dann wohl: sich treu bleiben.




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