Eigentlich müsste ich gerade im Zug nach Hamburg sitzen, um morgen ein Konzert von Belle & Sebastian in der Laeiszhalle zu sehen. Die ...

Belle & Sebastian - Late Developers

 

Eigentlich müsste ich gerade im Zug nach Hamburg sitzen, um morgen ein Konzert von Belle & Sebastian in der Laeiszhalle zu sehen. Die Sitzplatztickets in der zweiten Reihe lagen schon eine Weile hier, da das Konzert bereits vor einem Jahr hätte stattfinden sollen. Es wurde dann zunächst auf 2023 verschoben und letztendlich komplett abgesagt. Außer Spesen (zweimal zwei Sitzplatzreservierungen und zweimal Stornogebühren der Deutschen bahn für mich) nichts gewesen!

Jetzt versuchen Belle & Sebastian, dies mit dem überraschend veröffentlichen „Late Developers“ wieder etwas gut zu machen. Erst vor acht Monaten war der Vorgänger erschienen und die 11 neuen Songs stammen aus den gleichen Aufnahme Sessions. Das machte leider wenig Mut, da „A Bit Of Previous“ für die Verhältnisse von Belle & Sebastian doch nur medioker gelungen war. Auch der mit der Album-Ankündigung veröffentlichte erste Song „I Don’t Know What You See In Me“ konnte aufgrund seiner ESC-Tauglichkeit zunächst nur ein Anwärter auf die Top 3 der schwächsten Singles der Schotten sein. 

Auf der Habenseite dürfen der Billy Bragg-mäßige, schrammelnde Opener „Juliet Naked“, der sonnige und von Sarah Martin gesungene Mitklatsch-Sixties Pop von „Give A Little Time“, der fragile Baroque-Pop von „Will I Tell You A Secret“ und der abschließende Titelsong verbucht werden. Mit dem melancholisch-getragenen „When The Cynics Stare Back From The Well“ wurde wohl ein Lied aus den Anfangstagen der Band ausgegraben und gemeinsam mit Tracyanne Campbell von Camera Obscura fertig gestellt. Einerseits toll, andererseits zeigt es auch auf, wie Belle & Sebastian in den 90ern noch klangen…

Der Mittelteil (beginnend beim von Stevie Jackson gesungene „So In the Moment“, über „The Evening Star“ und „When You’re Not With Me“ bis zum Dance-Pop-Song „I Don’t Know What You See In Me“) lässt einen jedoch wünschen, dass aus „A Bit Of Previous“ und „Late Developers“ ein Album geworden wäre.


 


Auf Late Developers markiert der Song I Don't Know What You See In Me nun eine Premiere: Zum ersten Mal haben Belle and Sebastian mit einem Co-Songwriter zusammengearbeitet, dem schottischen Musiker Peter Ferguson, der unter dem Pseudonym Wuh Oh Dancepop-Platten produziert. Diesem Wuh Oh, keine 30 Jahre alt, ist es gelungen, Murdoch auch noch die letzte Angst vor Kitsch auszutreiben. Was abermals bedauerlich ist: Belle and Sebastian könnten I Don't Know What You See In Me in einer Sendung von Florian Silbereisen aufführen und die Leute im Saal wüssten sofort, wann sie zu klatschen haben und wann der nächste Refrain zum Mitsingen einlädt, wie es so schön heißt. Im Vergleich dazu war das Comeback-Album von Abba Avantgarde. Und nein, Leben retten Belle and Sebastian mit diesem Bierzeltpop nicht mehr.
(…) Eine glückliche Fügung, ebenso wie die Fertigstellung der Einzelgängergeschichte When the Cynics Stare Back From The Wall, die aus dem Gründungsjahr von Belle and Sebastian stammt und nun auf dem zwölften Album der Band endlich auftaucht.
Der Song wäre ein guter Schlusspunkt für Late Developers gewesen, doch Belle and Sebastian schieben noch das Titelstück nach, ein sesamstraßenartiges Motivationslied für Menschen, die nur schwer aus den Puschen kommen. Hier sind wieder die Bongos, tolle Bläser und Gospelchöre, die Band, die einst zu schüchtern zum Sprechen war, feiert sich damit selbst. Besser spät entwickeln als gar nicht! Richtig so! Man feiert gerne mit und summt dabei heimlich Lieder von Belle and Sebastian aus den Neunzigerjahren vor sich hin.


5 Kommentare: