Die Hände entsetzt vor den Mund geschlagen, den Unglauben im Blick - ja, so sehen die Fans von Regina Spektor aus, wenn sie realisieren, ...

Regina Spektor - Home, Before And After

 

Die Hände entsetzt vor den Mund geschlagen, den Unglauben im Blick - ja, so sehen die Fans von Regina Spektor aus, wenn sie realisieren, dass „Home, Before And After“ bisher nicht auf Vinyl veröffentlicht wurde und auch nichts über eine geplante LP zu finden ist. 
Dabei mussten sie auf das achte Studioalbum der aus Russland stammenden Singer/Songwriterin bereits knapp sechs Jahre warten!

„Home, Before And After“ entstand gemeinsam mit dem Produzenten John Congleton (Amanda Palmer, St. Vincent, Angel Olsen, The Decemberists, Future Islands) in Upstate New York. Leider lief bei der Planung etwas schief - nicht nur hinsichtlich der Vinyl Produktion - denn das Album erschien zwei Wochen nach dem 2019 vom New Yorker Bürgermeister Bill DeBlasio ausgerufenen „Regina Spektor Day“. 

Die zehn Songs von „Home, Before And After“ gehen zwar noch größtenteils als Piano-Balladen durch, wurden aber mit jeder Menge Bombast und Theatralik („Becoming All Alone“, „Raindrops“, „What Might’ve Been“, „Coin“) und Pop-Appeal („Up The Mountain“) aufgeladen und in Richtung Musical (das neunminütige „Spacetime Fairytale“ mit seiner Stepptanz-Einlage) verschoben.  




 


„I went walking home alone/ Past all the bars/ Hey, let’s grab a beer/ It’s awful late/ I’m becoming all alone again/ Stay, stay, stay“: Man sieht die Bilder dazu vor sich. Der Gesang, das Klavierspiel, das einsetzende Orchester, dann wieder nur die Stimme. Diese Songs sind kinematografisch, sie vollziehen in vier Minuten atemraubende Dramaturgien: „Up The Mountain“, da klettern die Streicher und schmettern die Bläser, und der Electrobeat galoppiert. In der flirrenden Klavier-Etüde „Raindrops“ zitiert Spektor beiläufig Burt Bacharachs „Raindrops Keep Fallin’ On My Head“.
Sardonisch ist „One Man’s Prayer“, das ungefähr so klingt wie „I’m a big, big girl in a big, big world“, aber in Rollenprosa eine Männerfantasie erzählt: Ich bin der König, und das Mädchen bettelt um einen Ring. „I’m not your doll, I’m not your pet“, singt sie in „SugarMan“.„But I’m not the same since we met.“ „Home, Before And After“ ist der berückende Soundtrack eines Märchens und das Märchen selbst. Oder sagen wir: ein Musical mit losem Plot und lauter Hits. „Everyone loves a story about far, far away/ About long ago/ And what might have been.“




 


Oberflächlich wirken die meist auf dem Klavier geschriebenen Stücke wie sweete Kammerpop-Balladen oder US-Traditional-Pop-Stücke, aber die kleinen Geschichten, die Spektor in den Songs erzählt, sind solitär.
Das fängt einleitend damit an, dass Gott das lyrische Ich auf dem Heimweg auf ein Bier einlädt („Becoming All Alone“) und setzt sich fort bis zur abschließenden Ballade „Through A Door“, in der Herzen geschlossene Türen durchbrechen und durch leere Löcher wandern. Dass Regina Spektor am Broadway aufgetreten ist, passt ins Bild, kommen die Songs doch mit großer Geste daher – doch auch ihre Prägung in der New Yorker Anti-Folk-Szene hört man diesem Album an.



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