Auf den alten Fotos, die Kevin Morby in seinem Elternhaus durchblätterte, entdeckte er eines von seinem Vater, wie er jung, stolz und vor Kraft strotzend mit freiem Oberkörper auf einer Wiese posierte. An anderen Tagen hätte dies vielleicht ein Lächeln auf sein Gesicht gezaubert, jedoch nicht an diesem, denn nur wenige Stunden zuvor war sein Vater beim Familienessen zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein erschütternder Moment, der den Startschuss und die Thematik (Furcht, Hoffnung, Angst, Bewusstwerden der eigenen Vergänglichkeit) für Morbys bereits siebtes Solo-Album in zehn Jahren lieferte.
Auch wenn sein Vater wieder zu Kräften kam, ließ Kevin Morby das Thema Sterblichkeit nicht los und so mietete er sich ins Peabody Hotel in Memphis ein und begab sich dort auf die Spuren von Elvis Presley, Jeff Buckley und Jay Reatard, die alle in der Stadt in Tennessee verstarben. „This Is A Photograph“ darf in Anlehnung an einen Songtitel als bittersüß bezeichnet werden, bewegt sich zwischen Americana und Folkrock, und ist Dank zahlreicher Gastmusiker immer wieder abwechslungsreich, reichhaltig, aber nicht überbordend instrumentiert: Geige, Cello, Banjo, Harfe, Flöte, Saxophon, Orgel, Piano, Steelguitar, Chorgesang, Spoken Word Beiträge und ein Duett mit Erin Rae.
„This Is A Photograph“ bietet 10 Songs (sowie zwei Field Recordings) in 45 Minuten und ist als CD, Kassette und LP (black Vinyl, gold nugget Vinyl, ruby-emerald striped Vinyl) erhältlich.
Der Opener und Titeltrack lässt die Sonne rein, scheint mit breitem Americana-Grinsen und zählt mit einem Blick durchs Fotoalbum verschiedenste Momentaufnahmen auf dem Leben auf – und resümiert “This is what I’m gonna miss when I die”. Das geht genau so ans Herz wie der große Rock-Moment der Platte im zügellosen”Rock Bottom”, der Streicher-Klimax von ” A Random Act Of Kindness” oder das Jazz-Klavier von “A Coat Of Butterflies”.Am Ende schließt “Goodbye To Go” mit Lou-Reed-Vibes eine Platte, ab, die irgendwo zwischen Americana, Folk und Singer-Songwriter ohnehin wie ein Instant-Classic klingt. Hier wird’s am Ende zwar doch niedergeschlagener als zuvor – aber eine gute Nachricht gibt es ja doch: Morbys Papa geht’s wieder gut. Und die Platte ist eine strahlende Zelebrierung des Lebens.
„This Is A Photograph“ ist viel mehr als sepiafarbene Melancholie und begreift das Bewahren der kraftvollen Momentaufnahme als Keimzelle der Resilienz. Morby beschreitet die idyllischen Pfade zwischen Americana, etwa im Banjoumrankten Duett „Bittersweet, TN“, Singer-Songwriter-Nostalgie und Indie- Rock, garniert mit Field Recordings seiner Reise. Bildschön!
6,5 Punkte
AntwortenLöschenVielleicht lege ich noch etwas nach, aber aktuell sind es 6,5 Punkte
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