Vor einigen Jahren schloss Jonathan Meiburg das Kapitel Okkervil River für sich ab und konzentrierte sich fortan auf seine ursprünglich als ...

Shearwater - The Great Awakening


Vor einigen Jahren schloss Jonathan Meiburg das Kapitel Okkervil River für sich ab und konzentrierte sich fortan auf seine ursprünglich als Nebenprojekt gestartete Band Shearwater. Über Misra Records, Matador Records und Sub Pop erschienen insgesamt neun Studioalben, die immer wieder durch selbst veröffentlichte Live-Alben, B-Seiten-Sammlungen usw. ergänzt wurden. Zwar folgten auf diese Art und Weise nach dem letzten Studioalbum „Jet Plane And Oxbow“ (2016) noch vier weitere Longplayer, aber 2017 versiegte dieser Strom. Statt dessen zog es Meiburg auf den Spuren des Caracara, einem falkenartigen Vogels, nach Südamerika und führte ihn zur Veröffentlichung seines ersten Buches („A Most Remarkable Creature“). Nur über Bandcamp erschienen einige Instrumental-Alben und mit dem Produzenten Dan Duszynski und der Sängerin Emily Cross gründete er die Band Loma und brachte mit ihnen zwei Alben heraus („Loma“ (2018) und „Don’t Shy Away“ (2020)).

Vielleicht lag es an der Pandemie, dass Jonathan Meiburg zu Shearwater zurück fand und sich ein Zitat von T.S. Eliot über den Schreibtisch hängte („Be still, and wait without hope / for hope would be hope for the wrong thing.“), um über Hoffnung inmitten von Hoffnungslosigkeit und die Freiheiten, die man in der Isolation finden oder erträumen kann, zu meditieren. Gemeinsam mit alten und neuen Weggefährten (Lucas Oswald, Emily Lee, Sadie Powers, Josh Halpem und Dan Duszynski) entstand das knapp einstündige „The Great Awakening“, welches langsam bis behäbig dahin fließt, mit südamerikanischen Field Recordings garniert ist und sich mit seinen orchestralen Arrangements tatsächlich zum Meditieren und Träumen anbietet. Die Nähe zum Spätwerk von Talk Talk ist sicherlich nicht ungewollt.      




 


Die aktuellen Kompositionen ähneln eher Drehbüchern, biegen auf der Reise durch melodische Labyrinthe in schroffe Klangtäler und auf stürmische Soundgipfel ab, eruptierte bereits der Opener „Highgate“ aus erhabenen Tiefgang heraus.
Dabei lauern im Albumverlauf selbst unter dichtesten schwelgerischen Streicherarrangements latente Gefahren, die sich aus Geräuschen von Feldaufnahme oder dem bedrohlichen Abstrich einer Violine nähren.
Die filigrane Rhythmik von „Xenarthran“ schichtet Tonebenen übereinander, den stoischen Lauf von „Laguna Seca“ hält auf seinem Weg keine Kakophonie auf, „Aqaba“ gleitet in Tiefen, die seit Radioheads „Amnesiac“ als erforscht gelten, spielt das „Empty Orchester“ eine opulente Breitseite, bewegt sich „Milkweed“ vor geisterhafter Kulisse.
„Wind Is Love“ bildet den Schlussakkord. Mögen alle von diesem Berührten „The Great Awakening“ erfahren.




 


Der Opener „Highgate“ scheppert zwischendurch recht ordentlich. Bei „Xenarthran“ dürfen Streicher die Spots setzen. „Empty Orchestra“ ist zielloser und kantiger als der Rest. Und das fast siebenminütige „Milkweed“ bringt erst plätscherndes Wasser und endet dann in einem aus Instrumenten geformten Schrei – was für ein Moment.
Und so gibt es eine knappe Stunde lang allerhand zu entdecken und zu fühlen auf „The Great Awakening“. Auf Hits ist dieses Album ganz sicher nicht aus. Aber Jonathan Meiburg kreiert seine ganz eigenen, zum Teil magischen Stimmungen, die diesen Longplayer eindeutig besonders machen. Zu sperrig für die ganz große Bühne? Vielleicht. Sehr spannend, wenn man sich drauf einlässt? Auf jeden Fall.




4 Kommentare:

  1. Das Album klingt eigentlich mal wieder so wie ich es von Shearwater mag. Eine Bewertung muss ich mir noch überlegen.

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  2. Die hohen Wertungen müssen wohl von anderen kommen... 6 Punkte

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