Sollten wir dieses Jahr endlich auch einmal Plattencover einer richterlichen Beurteilung unterziehen, so würde „In Plain Sight“ definitiv eine hohe Wertung von mir erhalten. Ob es zum Plattencover des Jahres reichen würde, kann ich natürlich noch nicht sagen, aber die dritte Platte von Honeyblood wäre auf jeden Fall oben mit dabei.
Ob der Inhalt mit der Verpackung mithalten kann? Ich habe meine Zweifel, denn die Plattenkritiken für „In Plain Sight“ sind nicht gerade berauschend. Zwar klang die vorab veröffentlichte Single „The Third Degree“ sehr schön nach dem Sixties-Pop von The Raveonettes, aber von Metacritic wurde das Album mit 59/100 bedacht, nachdem die Vorgänger „Honeyblood“ (2014) und „Babes Never Die“ (2016) noch bei 75 bzw. 76 Punkten lagen.
Honeyblood haben sich auf „In Plain Sight“ zu einem Soloprojekt von Stina Tweeddale (Gesang, Gitarre) gewandelt, nachdem sie zuvor mit Shona McVicar bzw. Cat Myers, die im letzten Jahr mit Mogwai tourte, noch ein Duo gebildet hatte. Diesen Wandel hört man auch musikalisch, denn im Studio wurde der schroffe und rohe Indierock der vorherigen Alben gemeinsam mit dem Produzenten John Congleton (Angel Olsen, St. Vincent, Sharon Van Etten) aufgehübscht und mit Synthie-Klängen aufgeplustert.
Honeyblood dürften damit für Fans von Garbage, Blood Red Shoes oder The Kills interessanter geworden sein, auch wenn die meisten Kritiker das anders hören. „In Plain Sight“ ist als CD (Digipack) und LP (Heavyweight 180g) erhältlich, im Shop von Honeyblood gibt es die Schallplatte auf Transparent Orange Vinyl, bei Indie-Händlern auf Transparent Green Vinyl.
Der bisherige Gitarrensound von Honeyblood klingt auf den ersten Blick vielschichtiger. Immer mehr elektronische Parts verwandeln den bisher so garagigen Sound der Schottin: mal ganz flirrend-retroverliebt wie in "Touch", dann wieder psychedelisch-treibend wie in "Take The Wheel".
"Twisting The Aces" liefert warme Akustikelemente, "The Third Degree" umgibt sich zudem mit einer Mischung aus Sixties-Pop und Punk. Nur leider wollen sich die vielen kleinen Spielereien bis zum Ende nicht so richtig zu einem formschönen Ganzen zusammenfügen. (…)
Ob "In Plain Sight" bei so viel musikalischer Vielfalt, die in ein kleines Piano-Solostück mündet, damit Ende nur ein 36-minütiges Experiment für Honeyblood bleibt? Wir werden sehen.
(laut)
Dazu hat sich die Gelegenheit ergeben, mit John Congleton (Sharon Van Etten, St. Vincent, etc.) ins Studio zu gehen und diese Mischung macht sich zum einen durch den wirklich großen Sound dieser Platte bemerkbar und zum anderen weiß einfach Congleton, wie man Gitarren-Songs im großen und coolen Stil aufwerten kann. Es gibt natürlich immer noch so etwas wie den bisherigen Indie-Schrammel-Sound zu hören, aber diesmal gesellen sich kleinere elektronische Experimente hinzu. Da kommen auch schonmal Synthies zum Einsatz ("Touch"), da wird ordentlich verzerrt ("Gibberish"), es wird auch mal düster ("Take The Wheel") oder poppig ("The Third Degree"). Alles Zutaten für eine gute Zeit, für eine tolle Platte, die vor Selbstbewusstsein strotzt, auf der es zuhörenswerte Songtexte gibt - wir ziehen alle unsere Hüte, Stina Tweeddale. Klasse!
(Gästeliste)
9 Punkte für die Plattenhülle, 6,5 Punkte für deren Inhalt.
AntwortenLöschen6 Punkte
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