Fingernägel, die über eine Schultafel kratzen. Das nahe Summen eine Mücke, wenn man nachts im Bett liegt. Ein Messer, das über einen Porzell...

Clap Your Hands Say Yeah - New Fragility


Fingernägel, die über eine Schultafel kratzen. Das nahe Summen eine Mücke, wenn man nachts im Bett liegt. Ein Messer, das über einen Porzellanteller schneidet. Die Stimme von Alec Ounsworth auf einigen Titeln von „New Fragility“.

Oder fangen wir anders an: Ich liebe das Debütalbum von Clap Your Hands Say Yeah. Sobald das Album als LP neu aufgelegt wird, wandert es in meinen Plattenschrank. Die vier Alben danach pendelten zwischen „schnell vergessen“ und „schnell ausschalten“. Die gibt es natürlich auf Vinyl…

Nun also „New Fragility“, das Alec Ounsworth, der seit einigen Jahren ohne seine früheren Mitstreiter unterwegs ist, im Alleingang aufgenommen hat. Wäre doch ein Regulativ mit im Studio gewesen, das Ounsworth für seine 10 Songs zwischen Arcade Fire, Talking Heads und Mercury Rev sowie die schönen Streicherarrangements gelobt, aber auch irgendetwas in Richtung „Stimme, einschneidend, schrill, Nerven“ gesagt hätte!       


 


Man kann der neuen, mittlerweile sechsten Platte "New fragility" in dieser Hinsicht nur das Beste wünschen. Sie ist nämlich überraschend gut geworden.
Das liegt in erster Linie an der einfachen Kraft starker Songs. Ja, Projektleiter Alec Ounsworth und seine Rumpelbande haben für das neue Album die Schräglage der amerikanischen Gesellschaft genutzt, die in den letzten Jahren stetig bedenklicher wurde, und sie in windschiefe Stücke gegossen, die zwar klapprig, aber mit Schwung um die Ecke kommen, im Kopf bleiben und nachhallen. Die mehr sind als das Echo einer einstmals glorreichen Zukunft. Da wäre das tolle "Where they perform miracles", das in seiner reizenden Melodieseligkeit selbst ein kleines Wunder ist. Clap Your Hands Say Yeah geben sich im Jahr 2021 vielleicht so melancholisch wie noch nie – wie eine Trauerband, die ihre goldenen Aussichten und tollkühnsten Hoffnungen zu Grabe trägt. Das ist also stilvoller LoFi-Indie, der zwar immer noch von Ounsworths oft als Gesang missverstandenem Gequäke dominiert wird, ebenjenes aber sinnvoll einbettet. Als Stilmittel und Wiedererkennungsmerkmal. Im großartigen, sich überschlagenenden Opener "Hesitating nation" setzen Clap Your Hands Say Yeah auf Sturm und Drang, die Gitarre gniedelt, Ounsworths Vortrag ist beinahe flehend. Return to form? Irgendwie schon.


 


Obwohl das penetrante Organ von Alec Ounsworth eine gewisse Stressresistenz verlangt und vermutllich niemand ernsthaft böse wäre, würde dieses weniger dominant abgemischt, gibt es – am Gesang vorbeigehört – feine Nummern zu entdecken, schickt sich „Dee, Forgiven“ trotz Country-Ausflug an, als Coldplay-Song aus deren besseren Jahren durchzugehen.
Der Titelsong rattert charmant über das Indie-Gleis, tendiert „Innocent Weight“ vom Kammer-Pop über den Dialog von Violine und Gitarre schließlich zum Shoegaze, ist der „Mirror Song“ über weite Strecken klavier-getragene Ballade, die sich, wie so oft bei den Männern um Ounsworth, durch sukzessive Erweiterung des Instrumentariums zur vollen Pop-Blüte entfaltet.




4 Kommentare:

  1. Das Problem mit nervigen Stimmen kenne ich - trifft bei mir aber zum Glück nicht auf CYHSY zu. Sein bestes Album bisher!

    8,5 Punkte

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  2. So ein großartiges Album! Schließe mich Olly an: 8,5 Punkte

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  3. Ich habe mich wieder etwas an die Stimme gewöhnen können. Knapp 7,5 Punkte

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