Die Dame links, die sich hinter einem Rosenbusch zu verstecken scheint, ist Alisa Xayalith, der Herr rechts, offensichtlich von Kopfschmerzen geplagt oder einen eigenen Fehler erkennend, ist Thom Powers. Beide zusammen bilden The Naked And Famous.
Grund zum Verstecken und Verzweifeln haben sie auch, denn a) seit ihrer Gründung 2008 als Quintett haben sie einen kontinuierlichen Mitgliederschwund zu verzeichnen, b) sie gehen vermutlich mit „Young Blood“ (#1 in ihrer Heimat Neuseeland, #30 in Deutschland) als ein weiteres One-Hit-Wonder in die Annalen der Pop-Geschichte ein und c) auch ihre Alben werden zunehmend weniger erfolgreich: „Passive Me, Aggressive You“ (2010) erreichte Platz 1 in Neuseeland, „In Rolling Waves“ (2013) kam noch auf Platz 4 und „Simple Forms“ (2016) scheiterte an den Top Ten (# 15). In den Hitlisten der anderen Länder fällt diese Tendenz ohne Heimat-Bonus wesentlich deutlicher aus.
Ob The Naked And Famous mit „Recover“ genesen können? Zumindest versuchen sie den Spagat zwischen quietschfidelen, kunterbunten, tanzbaren und eingängigen Elektropopsongs („Sunseeker“, „Bury“) - dabei schrecken sie auch vor Stimmverzerrern („Come As You Are“) und permanenter Wiederholung („Everybody Knows“) nicht zurück - und experimentelleren Klangkonstruktionen in ruhigeren Liedern („The Sound Of My Voice“) zu ernsteren Themen wie Depressionen oder Nahtoderfahrungen („Death“, „Well-Rehearsed“, „(An)Aesthetic“).
Vielleicht hätte dem Duo, welches das Album auch selbst produziert hat, doch etwas Output von außen gut getan. Angefangen mit den Hinweisen, dass bei 15 Liedern in knapp 50 Minuten sicherlich der ein oder andere Durchhänger dabei ist oder auch akustisch gehaltene Versionen der Lieder, wie auf der vor zwei Jahren veröffentlichten Compilation „A Still Heart“, durchaus ihren Reiz haben.
Die Band präsentiert – wie schon immer eigentlich – handwerklich einwandfreie Popsongs. Das erwähnte "Sunseeker" macht durchaus Spaß, "Everybody knows" will ohne große Umwege in die Beine, was man auch gerne zulässt, und das vorab veröffentlichte "Come as you are" geht sogar trotz seiner nicht unbedingt leicht verdaulichen Stimmspielereien in Ordnung. Nur: In Erinnerung bleibt die Band mit diesen Songs nicht wirklich. Und wenn zur Halbzeit "Well rehearsed" vorstellig wird, merkt man erst, was möglich gewesen wäre. Hier verzichten Alisa Xayalith und Thom Powers auf überflüssige Spuren und Schnörkel, halten den Song über die volle Spielzeit vergleichsweise eng an der Leine und schaffen so Dinge, die der Rest von "Recover" schmerzlich vermissen lässt: Atmosphäre, Dynamik, Projektionsfläche. Auch schön: "The sound of my voice", das auf jedweden Kaugummi-Appeal verzichtet und sich einfach in melancholischer Schönheit gefällt.
Anstatt, wie auf „Simple Forms“, oftmals vergeblich der schillernden Grandezza ihres Einstands hinterher zu jagen, kommt das Duo auf „Recover“ immer wieder wunderbar auf den Punkt. Der insgesamt eine Spur ruhigere, ernste Ansatz bekommt den Neuseeländern gut und befreit sie endgültig vom überlebensgroßen Erbe ihrer Anfänge. Ehrliche, bewegende und häufig aufwühlende Songs, von der einen oder anderen Pop-Granate unterstützt, rücken die kreative Energie in den Mittelpunkt und klingen schlicht und ergreifend gut. The Naked And Famous haben endlich wieder festen Boden unter den Füßen und sind sie selbst geworden. Das verdient Applaus.
Gekürzt auf 10 Lieder und davon noch einige in akustischen Versionen...
AntwortenLöschenAber so: 5,5 Punkte
Die Tendenz nach unten setzt sich fort. 5 Punkte
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