Mit dem Ergebnis ihres ersten Verfahrens dürfen Braids nicht wirklich zufrieden gewesen sein: 6,5 Punkte gab es im Durchschnitt für „ Flour...

Braids - Shadow Offering


Mit dem Ergebnis ihres ersten Verfahrens dürfen Braids nicht wirklich zufrieden gewesen sein: 6,5 Punkte gab es im Durchschnitt für „Flourish // Perish“, ihr zweites Album aus dem Jahr 2013. Da konnten es Raphaelle Standell-Preston, Austin Tufts und Taylor Smith sicherlich gut verkraften, dass anschließend für „Deep In The Iris“ (2015) keine Vorladung verschickt wurde.

Für sein aktuelles Album, „Shadow Offering“, hat sich das kanadische Trio reichlich Zeit gelassen und mit Chris Walla, den ehemaligen Gitarristen von Death Cab For Cutie, einen renommierten Produzenten (Nada Surf, Mates Of State, Tegan And Sara, William Fitzsimmons, The Decemberists) geangelt. Und tatsächlich hat sich die dreijährige Arbeit (für die Band) bzw. das fünfjährige Warten (für den Hörer) gelohnt.

Braids verbinden gekonnt synthetische und organischen Artpop, verzücken mit packenden Melodien („Young Buck“), lassen den Trip Hop von Massive Attack wieder aufleben („Just Let Me“),  schrecken auch vor 9-minütigen Experimenten nicht zurück („Snow Angel“) und rufen interessante, spannende und in jedem Song andere (aber immer tolle) Assoziationen hervor: Dear Reader, Kate Bush, Bat For Lashes oder Tori Amos. Beim epischen „Snow Angel“ musste ich ein wenig nachdenken und heraus kam die Erinnerung an eine Band, die Braids selbst sicherlich noch nie gehört haben: die Rainbirds mit ihrem ebenfalls mehrteiligen, 9-minütigen und mit einem Spoken Word-Beitrag versehenen „Sea Of Time“ aus dem Jahr 1989.

„Shadow Offering“ ist am 19. Juni erschienen - Schallplattenfreunde müssen sich jedoch noch bis zum 3. Juli gedulden, haben dann aber die Möglichkeit die LP auf limitiertem (500 Stück) knallrotem Vinyl käuflich zu erwerben.






So klingen Braids (auf deutsch "Zöpfe") wie sie heißen und ihr Sound ist sowohl verflochten als vernetzt. Sie sind mal verspielt, mal minimalistisch und dann wieder theatralisch, episch wie im neun Minuten dauernden "Snow Angel", in dem Spoken-Word-Passagen spukig an Anne Clark Erinnerndes und Philosphisches in sich tragen wie diese nachdenklichen Zeilen: „Am I only just realizing the injustice that exists? Cloaked in white privilege since the day I was born.“
"Shadow Offering" ist ein poetisches und powervolles Album, voller Wut und Schmerz, aber die Hoffnung liegt kaum verborgen unter den organischen und elektronischen Elementen, die wie ein Herzschlag das Leben feiern.






Braids (möglicherweise) unterwegs:
29.11.20 Berlin, Kantine am Berghain
02.12.20 Schorndorf, Manufaktur


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