Ob das mit den zwei Alben bei Camille Berthomier Konzept ist? Sowohl mit Nicolas Congé (aka Johnny Hostile) als Duo John & Jehn („John &...

Jehnny Beth - To Love Is To Live


Ob das mit den zwei Alben bei Camille Berthomier Konzept ist? Sowohl mit Nicolas Congé (aka Johnny Hostile) als Duo John & Jehn („John & Jehn“, 2008, und „Time For The Devil“, 2010) als auch als Sängerin der englischen Band Savages („Silence Yourself“, 2013, und „Adore Life“, 2016) veröffentlichte die Französin zwei Plattten. Nun folgt ihr erstes Soloalbum unter ihrem Künstlernamen Jehnny Beth.

„To Love Is To Live“ ist ein düsterer Moloch, der sich aus Post-Punk, Darkwave, Industrial  und Elektrorock speist und auch mit einer starken Piano-Balladen („The French Countryside“) zu überraschen und -zeugen weiß. Neben ihrem langjährigen musikalischen und privaten Partner Johnny Hostile sorgten Flood (PJ Harvey, Depeche Mode, Placebo) und Atticus Ross (Nine Inch Nails) für die bedrohlich-finstere, fast soundtrack-artige Atmosphäre („The Rooms“) der nicht gerade leicht zugänglichen Platte.
Die 11 Songs entstanden in Studios in Los Angeles, London und Paris, in denen sich auch Joe Talbot von Idles (wütet auf „How Could You“), Romy Madley Croft von The xx und der Schauspieler Cillian Murphy, der aus „Peaky Blinders“ und der „Batman“-Trilogie von Christopher Nolan bekannt ist und mit einem Spoken Word-Beitrag auf „A Place Above“ zu hören ist, für Gastbeiträge einfanden.




So manches Mal wirkt das Album fast schon unhörbar. Das von Idles-Frontmann Joe Talbot unterstützte "How could you" mit viel Strom und dröhnenden Störgeräuschen etwa will offenbar gar nicht wirklich gefallen, tut es am Ende aber irgendwie trotzdem. Derweil kann sich "Flower" mittendrin kaum entscheiden, ob es nun eine gefällige, wenngleich ziemlich wirre Popnummer sein möchte oder doch eher das große Kunstprojekt. Warum also nicht einfach beides? Ganz sanft und ungewohnt verletzlich zeigt sich die Piano-Ballade "French countryside" auf der Zielgeraden, in der die Sängerin sogar noch blanker zieht als auf dem Album-Artwork. So nackt und frei lässt es sich im finalen Kracher "Human" dann auch noch viel besser ausrasten und am Ende episch, großgestig, aussagekräftig völlig erschöpft auf der Bühne zusammenklappen. 




Gesanglich beherrscht Beth die gesamte Klaviatur zwischen fordernder Lautmalerei und introvertierter Sehnsucht, welche in „French Countryside“ betörend zum Ausdruck kommt. „Human“ am Ende schließt den Kreis, den „I Am“ eröffnete – der Mensch Jehnny Beth hat sich offenbart und lässt einen erschlagen, aber fasziniert zurück. Gleich nochmal hören.




Der Klang wechselt jedoch zu einem dunklen Industrial-Rock mit orchestralen, cineastischen Qualitäten, bei dem Sounds wie Eisenstücke aufeinanderschlagen. Doch mittels eines Pianos hier, einer Akustikgitarre dort tauchen warme Inseln in einem Meer aus Kühle und Kompromisslosigkeit auf, auf die man sich als Hörer*in gerne rettet.
In ihren Texten erkundet Beth die dunkelsten, unangenehmsten Seiten ihres Selbst, schafft aber auch Momente der Zärtlichkeit und Verletzlichkeit. Grundsätzliche menschliche Themen werden so verhandelt – Liebe und Lust, Moral im Allgemeinen und Schuld im Speziellen – und mit stechender Stimme vorgetragen.


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