Bereits im April fieberten wir dem neuen Album von Sophia entgegen und wählten es auf Platz 1 unserer Reihe „ 10 Schallplatten, die uns gut...

Sophia - Holding On / Letting Go


Bereits im April fieberten wir dem neuen Album von Sophia entgegen und wählten es auf Platz 1 unserer Reihe „10 Schallplatten, die uns gut durch den … bringen“. Dann wurde „Holding On / Letting Go“ verschoben und im August wählten wir es erneut unter unsere 10 Hoffnungsträger, dann wurde es erneut verschoben…

Mittlerweile neigt sich der September dem Ende entgegen und nun darf man das siebte Album von Robin Proper-Sheppard endlich in den Händen halten und auf den Plattenteller legen. Obwohl man sich zunächst verwundert die Augen und Ohren reibt:

I. die Augen
Die Plattenhülle ziert eine Interpretation von Gertrud Grunows „Twelve Tone Circle of Colour“ von John Hobbs. Grunow war eine deutsche Gesangslehrerin und Musikpädagogin, von 1919 bis 1924 als Meisterin und offiziell einzige Frau am Bauhaus in Weimar unterrichtete. Ihre Grundlage war die räumlich geordnete 12-Tonreihe der Tonleiter, der eine entsprechend 12-wertige Farbreihe zugeordnete war. Die Farben kommen jedem beaknnt vor, der schon einmal einen Deckfarbkasten in den Händen hielt. Jedoch liefert das Album, anders als man erwarten könnte, nicht 12 sondern nur 10 Songs.

II. die Ohren
Zunächst meint man, die falsche Platte aufgelegt zu haben. Die pulsierenden Synthesizer-Klänge des Openers „Strange Attractor“ sind für Sophia recht ungewohnt. Erst nach einer Minute übernehmen Gitarren (und etwas später die Rhythmusgruppe) das Kommando. Dieser Anfang kommt so überraschend wie „Leave Them All Behind“ von Ride. Ein Break am Ende des Songs, als alles zusammenbricht und den Synthesizer wieder nach oben spült, um wieder von den Gitarren hinfort gerissen zu werden, verfestigt die Parallelen zum  Opener von „Going Blank Again“. Auch mit dem zweiten Song „Undone. Again.“ halten Sopha, zu denen erstmals seit mehr als 20 Jahren neben Robin Proper-Sheppard (Gesang, Gitarre) weitere Bandmitglieder dazu zählen, nämlich Jeff Townsin (Schlagzeug), Sander Verstraete (Bass), Jesse Maes (Gitarre) und Bert Vliegen (Synthesizer), das Tempo unerwartet hoch. 
Das anschließende „Wait“ ist der erste Song, bei dem man „typisch Sophia“ seufzen würde: Das Herz von Proper-Sheppard schmerzt, alles ist ganz schlimm und wird durch einen himmlisch schönen „Uh-uh“-Hintergrundchor geheilt. „Alive“ klingt mit seinen (rückwärts laufenden?) Gitarren, als habe Proper-Sheppard zunächst im Psychdelic-Pop-Bastelkasten der 60er Jahre gekramt, gefunden hat er dabei auch Terry Edwards und sein berühmtes Saxophon. Nun gut, ein Lied von Sophia ist nur wirklich schwer kaputt zu tröten.
Bevor jetzt alle Songs einzeln durchgegangen werden, sei nur noch mit der Frage „Wann waren Sophia je so laut und rockig?“ auf „We See You (Taking Aim)“ verwiesen.
Das Warten auf „Holding On / Letting Go“ hat sich auf jeden Fall gelohnt.
     


 


Viele Keyboards sind diesmal dabei, die Streicher rücken dafür in den Hintergrund und so sorgt postrockender Prog („Strange Attractor“, „Wait“) für wunderbare Momente, taucht mit „Undone. Again“ ein Song auf, den man so mal gerne wieder von Death Cab For Cutie hören würde. Sehr aus dem Rahmen fällt „Alive“, ein schleppendes Stück, das Terry Edwards (Nick Cave, PJ Harvey) und seinem Saxofon gehört. Aber was wäre HOLDING ON / LETTING GO  ohne zärtliche Balladen wie „Gathering The Pieces“ und „Avalon“? Sie stemmen sich mit anmutigem Singer-Songwriter-Folk gegen den elektrischen Rock und alles verschmilzt.


 


Im Verlauf des Tracks verwischen die Grenzen zwischen Indie-Pop, New Wave und Postpunk zu einem pulsierenden und gleichzeitig verträumten und transzendentalen Trip. Wo sich im Eröffnungssong eine filigrane Melodie noch herauskristallisieren musste, übernimmt sie mit akustischen Gitarren beim anschließenden „Undone. Again“ die direkte Führung. Catchy, aber die melancholische Stimmung bleibt. Die sich durch die fast kosmischen Exkurse „Wait (I’m Sorry)“ und „Gathering The Pieces“ verstärkt. Mit dem eingängigen „Days (As Time Slips Away)“ hält das Album noch einen überaus charmanten Indie-Hit als As in der Hinterhand. Zum Ende ändert sich jedoch das Blatt und es dominiert wüster Indie-Rock („We See You (Taking Aim)“ sowie sanft progressive Klänge in „Prog Rock Arp (I Know)“. Einmal mehr haben Sophia die hohen Erwartungen erfüllt.


 


Bei den Tourdaten von Sophia muss man aktuell Zweifel haben - aber ans Verschieben ist man ja nun gewöhnt:
19.11.2020: Forum, Bielefeld
20.11.2020: Club Manufaktur, Schorndorf

24.11.2020: Folks!, München

25.11.2020: Das Bett, Frankfurt

26.11.2020: Beatpol, Dresden

28.11.2020: E-Werk, Erlangen

29.11.2020: Hole 44, Berlin

30.11.2020: Bahnhof Pauli, Hamburg

01.12.2020: Gleis 22, Münster

02.12.2020: Gebäude 9, Köln


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