„In weiter Ferne, so nah!“ lautet der Titel von Wim Wenders’ Fortsetzung des Films „Der Himmel über Berlin“. Und irgendwie passt er auch auf...

Alin Coen - Nah


„In weiter Ferne, so nah!“ lautet der Titel von Wim Wenders’ Fortsetzung des Films „Der Himmel über Berlin“. Und irgendwie passt er auch auf die letzten Jahre von Alin Coen, die in den vergangenen Jahren - ihr letztes Studioalbum erschien 2013 - erst einmal Abstand vom Leben als Musikerin gewinnen und andere Dinge (wie ein Studium zum Bachelor of Science im Bereich Land- und Wassermanagement in den Niederlanden, ein Job bei Greenpeace in Hamburg, ein Umzug nach Berlin, eine Schwangerschaft) ausprobieren wollte, um anschließend zur Musik zurückzukehren und uns mit „Nah“ ihr drittes Album zu präsentieren.

Neu ist, dass, auch wenn Philipp Martin (Bass) und Fabian Stevens (Schlagzeug) im Gegensatz zu Jan Frisch (Gitarre) weiter mit an Bord sind, das Wörtchen „Band“ hinter Alin Coen verschwunden ist und dass im Vergleich zum letzten Album „We’re Not the Ones We Thought We Were“ komplett auf Deutsch gesungen wird. Die erste Veränderung spielt eigentlich beim Hören keine große Rolle, ist aber dem Entstehungsprozess der Lieder geschuldet, die nun von Alin Coen im Alleingang komponiert und getextet wurden. Bei der zweiten Veränderung wäre es ansonsten tatsächlich schade um die poetischen Texte gewesen. 

„Nah“ wurde zudem zusammen mit Andie Mette (Gitarre), David Schwarz (Piano) und Tobias Fröberg (Produktion) in nur sechs Tagen im Januar 2020 im LowSwing Studio in Berlin live eingespielt. Marie-Claire Schlameus (Cello), Liv Solveig (Geige) und ein Chor an Musikerinnen (CATT, Celina Bostic, Naima und Mia Diekow) erhöhen den weiblichen Anteil an den 12 Songs. 

Der Titel des Openers lautet „Du bist so schön“ - ein Kompliment, welches man der Piano Ballade gern erwidern möchte. „Tiraden“ ist ähnlich schlicht gehalten, das abschließende „Ultimatum“ wird zudem durch ein Cello gekrönt. Aber „Nah“ versinkt nicht nur in Balladeskem („Entflammbar“, „Leichtigkeit“, „Die Gefahr“, „Das Ende“), auch wenn hier die Stärken des Albums liegen: flotter und fröhlicher geht es bei „Bei dir“ oder „Alles was ich hab“ zu und bei „Held“ ist man sogar kurz vorm Rocken.


 


So besingt sie im Opener "Du bist so schön" die innere Schönheit ihres Gegenübers und wird von einer schlichten Klaviermelodie begleitet. Dabei reimt sie genauso simpel: "Doch was ich hier betrachte, will ich gesteh'n / kann ich auch ohne meine Augen seh'n". In "Du machts nichts" hingegen erzählt die Songwriterin von einer Liebe, die der Gleichgültigkeit erliegt, während "Bei Dir" möglicherweise einem eng vertrautem Freund gewidmet sein könnte. Trotz inhaltlicher "Lieblingsmensch"-Vibes wird mit großzügigem Oktavenwechsel im Refrain aber schnell klar: Namika könnte Alin Coen so schnell nicht das Wasser reichen.
Doch bei all der Schönheit ihrer Worte bleibt die Musik, die begleitet, nicht nur unauffällig, sondern oft leider auch völlig belanglos. Zwar gibt es auf "Nah" mehrere eindeutige Versuche, diesem Problem aus dem Weg zu gehen. Die breit instrumentierten Stücke "Held" oder "Leichtigkeit" wirken allerdings wiederum nicht völlig passend zu Alin Coen. Vielleicht liegt im mangelnden musikalischen Aufgebot der Fluch, wenn man die Sprache der Dichter bereits souverän einsetzt. Vielleicht rücken die Instrumente bei Liedermachern wie Alin Coen aber auch zurecht in den Hintergrund.


 


Mit der sanft fließenden, sehr berührenden Piano-Ballade „Du bist so schön“ beginnt „Nah“ und endet mit der nicht minder bewegenden Piano-Ballade „Ultimatum“. Der Closer indes mit Cello  dramatischer inszeniert. Dazwischen wunderbare Songs wie das (…) mit Handclapping und Frauenchor (…) verstärkte, überaus fröhliche „Bei dir“. Oder das muntere, vorwärts galoppierende „Alles was ich hab“. Und das groovend-rockige „Held“. Und da ist natürlich immer wieder Alin Coens textliche Pracht, die in „Leichtigkeit“ ihren Höhepunkt findet. Man hört der Liedermacherin einfach gerne zu. Egal, ob sie nun nachdenkliche Balladen, oder Uptempo-Pop-Songs singt. Und lässt sich vom geschmeidigen „Beben“ wärmen. Oder durch „Du machst nichts“ in schönste Schwermut versinken. Ein sehr, sehr schönes Album.


 


Alin Coen (möglicherweise) im nächsten Jahr live in Deutschland:

20.04.21 Magdeburg, Moritzhof
21.04.21 Erlangen, E-Werk
23.04.21 Dresden, Alter Schlachthof
24.04.21 Erfurt, HsD Gewerkschaftshaus
25.04.21 Essen, Weststadthalle
26.04.21 Köln, Gloria
27.04.21 Saarbrücken, Garage
29.04.21 Leipzig, Täubchenthal
30.04.21 München, Technikum
01.05.21 Stuttgart, Im Wizemann
02.05.21 Karlsruhe, Tollhaus
03.05.21 Frankfurt, Batschkapp
05.05.21 Osnabrück, Lagerhalle
06.05.21 Oldenburg, Kulturetage
07.05.21 Rostock, Mau-Club
08.05.21 Lübeck, Riders Café
09.05.21 Hannover, Pavillon
11.05.21 Hamburg, Docks
12.05.21 Berlin, Festsaal Kreuzberg


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