Als Nina Nastasia ihr letztes Album, „Outlander“ veröffentlichte, hatte Lena Meyer-Landrut soeben mit „Satellite“ den ESC gewonnen und stand...

Nina Nastasia - Riderless Horse


Als Nina Nastasia ihr letztes Album, „Outlander“ veröffentlichte, hatte Lena Meyer-Landrut soeben mit „Satellite“ den ESC gewonnen und stand die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika kurz bevor. Danach verschwand die Singer/Songwriterin für einige Jahre einfach von der Bildfläche.

Es gab höchst seltene Live-Auftritte von Nina Nastasia, die sich nahezu an einer Hand abzählen ließen, 2018 veröffentlichte sie eine einzelne Single („Handmade Card“) und im Oktober 2020 meldete sie sich mit diesen Worten zurück: „I've been away for a long while now, but I just finished recording a new album with Steve Albini. I'm going to be working hard over the next few months to get those songs out to you and many more in the near future.“

Nun hat das Warten ein Ende und das knapp 34-minütige Album kann digital oder per CD angehört werden. Auf die LP (black Vinyl) und die limitierte Auflage der Schallplatte (Crystal Clear With Double Black High-Melt Colored Vinyl) muss man noch bis November warten.

Riderless Horse“ ist Nina Nastasia erstes Album, das nicht mit ihrem Manager und Produzenten Kennan Gudjonsson entstand. Erst jetzt erklärte Nastasia ihren Ausstieg aus dem Musik-Business, da sie „unglücklich, chaotisch, psychisch krank und in einer tragisch dysfunktionalen Beziehung mit Kennan“ war. Ihre Beziehung zu Gudjonsson sei 25 Jahre lang trotz aller Liebe von "Missbrauch, Kontrolle und Manipulation" geprägt worden. Am 26. Januar 2020 traf sie die Entscheidung, die Beziehung zu beenden und getrennt von  Kennan zu leben, der sich daraufhin am 27. Januar selbst das Leben nahm. Auf diesem intimen Folk-Album hören wir ausschließlich Nina Nastasias Stimme und akustische Gitarre beim Versuch, ihre Traurigkeit und Schuldgefühle zu verarbeiten.

Bei Metacritic steht „Riderless Horse“ aktuell bei einem Metascore von 90/100 Punkten. Einen höhren Wert haben in diesem Jahr bisher nur die Alben von Black Country, New Road, Nova Twins und Rosalía.


Nach zwölf Jahren Stille findet Nina Nastasias bereits auf dem von John Peel gefeierten Debüt, „Dogs“ (2000), zu Perfektion gelangter Stil eine neue Reduktion: eine kaum im Studio bearbeitete Sammlung von Folk-Vignetten, die nachdenklich über Verlust, gebrochene Leidenschaft und die Ambivalenz von Freiheit meditiert. Die emotionale Direktheit ist manchmal kaum zu ertragen – und macht doch die Befreiungshaltung dahinter radikal hörbar.


 


Angemessen zurückhaltend produziert von Steve Albini, klingt "Riderless horse" so, als würde man keiner Aufnahme, sondern den Geschichten einer unmittelbar vor einem sitzenden Person lauschen. Diese Art intim-reduzierter, auf realen Traumata fußender Folk legt Referenzen wie Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell" oder Mount Eeries "A crow looked at me" natürlich nahe. Nastasias Album ist jedoch spröder als Ersteres, leichtfüßiger und offener als Letzteres und entwickelt für das aufmerksame Ohr so seine ganz eigene Intensität, mit der es Herzen zerreißt und selbst wieder zusammenflickt. Die brutale Bildsprache des gemeinsamen Dreckkriechens in "The two of us" ist stellenweise kaum zu ertragen, doch nachdem die countryesken "The roundabout" und "Trust" einsam den Mond anheulen, findet "Afterwards" die hoffnungsvolle Schlussnote, die man sich von ganzem Herzen gewünscht hat: "I want to live / I'm ready to live." 






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