Bei Another Sky geht es mir genau so wie zuletzt bei RVG: Ich konnte beim ersten Hören nicht eindeutig zuordnen, ob die Stimme zu einem Sänger oder einer Sängerin gehört. In beiden Fällen ist tatsächlich eine Frau am Mikrofon und beim Londoner Quartett gibt es kaum einen Bericht oder Artikel, der nicht auf Catrin Vincents ungewöhnliche Stimme verweist, so dass diese sich auch schon wiederholt dazu geäußert hat und Another Sky das folgende Zitat auch bewusst im Rahmen ihrer eigenen Werbe- oder Image-Kampagne einsetzen:
„People say I sound like a man. Maybe that means they’ll listen.“
Catrin (Gesang, Piano), Naomi (Bass), Jack (Gitarre) und Max (Schlagzeug) haben gemeinsam an der Goldsmiths University Musik studiert und bringen ihre unterschiedlichen musikalischen Referenzen und Einflüsse mit in die Band ein: Der Schlagzeuger wird von elektronischen Künsztlern wie Four Tet und Bonobo inspiriert, die Bassisten lässt sich von Radiohead und Mutemath beeinflussen, der Gitarrist schätzt Talk Talk und Coldplay und die Sängerin mag Storyteller wie Joni Mitchell oder Tracy Chapman.
Dieses Konglomerat hat bei Fiction Records Gefallen gefunden, denn das Label hat Another Sky unter Vertrag genommen und seit 2018 mehrere Singles und EPs veröffentlicht. Nur 3 der zuvor veröffentlichten 10 älteren Songs, nämlich „Avalanche“, „Life Was Coming In Through The Blinds“ und „The Cracks“, haben es auf das Debütalbum geschafft. Insgesamt bewegt sich „I Slept On The Floor“ zwischen Post-Rock und Artpop und bietet 12 Songs in einer Dreiviertelstunde, die zu munteren Vergleichen herausfordert: Imogen Heap meets Explosions In The Sky oder London Grammar meets Daughter meets Florence + The Machine oder Nico meets Radiohead meets Rufus Wainwright oder…
„I Slept On The Floor“ ist als CD, LP und Kassette erhältlich. Die limitierte Auflage der Schallplatte gibt es als Dark Green Vinyl.
Das Album beginnt mit How Long? Mystische Klänge erheben sich, bis der `musikalische Vulkan´ ausbricht. Die Gitarre leitet die Eruption ein, bis sie plötzlich erlöscht und sanfte Klänge wieder übernehmen. Caitlins flüsternde, hohe Stimme setzt ein und leitet das Intro magisch aus. Fell In Love With The City lässt nicht lange auf Dynamik warten. Synthesizer und Drums treiben das Lied an bis Caitlins Stimme einsetzt. Man bemerkt schnell die überwältigend starke Bruststimme der Sängerin, die sie spielend leicht zu ihrer opernartigen Kopfstimme umwandeln kann. Auch Brave Face mit der tänzelnden Gitarre und den rhythmischen Drums zeigt ein neues Bild der Band. Caitlins androgyne Bruststimme wirkt wütend. Das behält sie auch beim nächsten Track bei. Riverside wirkt etwas traditioneller und hat schon fast einen folkloristischen Sound. Im Gegensatz dazu konnte man The Cracks schon etwas länger lauschen. Das 2019 erschienene Lied erfüllte Zuhörer schon letztes Jahr in freudige Erwartung. All hail the age of chaos. Winters of heat and loneliness. Is it enough that we try to see the void? Give pain a voice. Dieser Track hat vielleicht mit der immer stärker unter psychischen Problemen leidenden Jugend den perfekten Ansprechpartner gefunden. Erfreulicherweise ist die zweite Hälfte des Albums genauso stark wie die erste. Der mitreißende Track Avalanche ist nur eins der vielen Highlights des Albums. All Ends und Only Rain leiten das Album etwas ruhiger aus.Another Sky sind ein musikalisches Erlebnis. Sie stehen zwischen vielen Genres und erinnern in ihrem Sound bestimmt an den ein oder anderen düsteren Indie-Electro-Rock. Die Stimme von Caitlin ist jedoch einmalig und ehrlich gesagt der Flow der Band auch.
Die Stimme bleibt besonders, das Album ist es aber nicht. 6 Punkte
AntwortenLöschen7 Punkte
AntwortenLöschen