"Orbitor" zeigt uns eine Band im Wandel: Fast vier Jahre ließen uns die Dänen nach " Ask Me This ...

Alcoholic Faith Mission - Orbitor























"Orbitor" zeigt uns eine Band im Wandel: Fast vier Jahre ließen uns die Dänen nach "Ask Me This" auf eine neue Veröffentlichung warten, Zeit genug für Alcoholic Faith Mission, um sich musikalisch neu zu orientieren. Und so erklingen Thorben Seierø Jensens Falsettgesang und Kristine Permilds glockenhelle Stimme nun auf 11 eingängig-melodiösen Songs, die sich deutlich am Synth-Pop und Dreampop orientieren, gelegentlich in Richtung Elektro-R'n'B ("Everyone's Got dynamite") tendieren und oftmals den zuckersüßen 80er Jahre Pop ("Cut You Up", "The Best Day Of My Life") im Hinterkopf haben. 

Als Klangpaten für "Orbitor" muss man Efterklang und Arcade Fire nun streichen und durch MGMT, Yeasayer, The Naked And Famous, Madonna und Tears For Fears ersetzen. An dieser Neuausrichtung dürften sich, frei nach der im Opener und Titelstück gestellte Frage "Am I good enough for you?", so ist es zu befürchten, die Geister scheiden.  




Obwohl Songs wie „Dream In Silence“ etwas Anderes erwarten lassen könnten: Hier passiert alles im großes Stil. Ob Träume, Liebe, Du, Ich, die Nacht oder Explosionen, das Goldpuder wurde großzügig verteilt. Mit dem Rucksack der 80er Dreampopper auf dem Rücken wandern die Skandinavier mit ihrer nun fünften Platte auf eindeutigen Pfaden Siggy Stardusts, der frühen Madonna oder Erasures.
Blühende Popsongs aus Synthies, weitläufigen Melodien und Experimentierfreudigkeit treffen sich unter bescheidenen Namen wie „The Best Day Of My Life“ oder „Time To Bring The War“ – Zynismus und Ironie kommen hier also auch nicht zu kurz.
Bei all dem leichten Fuß und der Eingängigkeit kokettieren Alcoholic Faith Mission gekonnt mit Gehalt und Melancholie, auch bei ihren Kompositionen. Die großen Melodien wirken nämlich nicht umsonst genauso wie sie es tun: raffiniert, verspielt und süß – aber stets mit einer unnachahmlichen Leichtigkeit.
Es bleibt einem nichts Anderes zu tun als aufzuspringen auf den rauschenden Stern und mit Alcoholic Faith Mission den Orbit nachzuzeichnen. Flockig wippend, verträumt schwirrend, leise mitsummend und angefüllt mit herzförmigen Wattewolken.
(éclat)




Jensen und Co. sind längst angekommen, routiniert und selbstbewusst – und derart entspannt, dass sie mit dem Titeltrack glatt das längste Stück des Albums direkt an den Anfang stellen können, ohne dabei schwitzige Hände zu bekommen. Satte zweieinhalb Minuten dauert es, bis Jensens Gesang durch das Dickicht aus Synthies und Bläsern vordringt, fast eine weitere, bis der Opener endgültig erwacht und zum Tanz auf einem anderen Stern einlädt. Ein energisches "Am I good enough for you?" schmettert Jensen seinen Hörern zum Schluss entgegen, nur um ein emotional scheinbar hinterfragendes "I think I caught you out there" hinterher zu schieben. Hier wird mit Gefühlen nicht gekleckert, sondern stets geklotzt.
Von einem ähnlich starken Kaliber zeigt sich das zwischen schierer Panik und trotziger Attitüde wandelnde "Crystalized night" mit der denkwürdigen Zeile "Everytime you let me go / I let you down", wohingegen der gespenstische Electro-R'n'B von "Everyone's got dynamite" vor allem wegen Jensens eindrucksvollem Falsett in Erinnerung bleibt. Ein weiteres Highlight wartet mit dem hauptsächlich von Kristine Permild vorgetragenen "Let in all the ghosts (Rule the world in rain)", das von einer offenbar gar nicht weit entfernten Zukunft erzählt, dessen Klangkulisse trotz aller Verzweiflung eine gewisse Euphorie verkörpert. Diese verwandelt sich schon im darauffolgenden "Time to bring the war" in ein revolutionäres Mantra, das höchstens von dem stampfenden – und doch zerbrechlich wirkenden – "Come here wash in over me" getoppt wird. Alcoholic Faith Mission kämpfen eben mit etwas anderen Mitteln, aber immer so, wie sie es wollen. Sicher ist nur eines: Von diesen Dänen kann man noch einiges erwarten.
(Plattentests)

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