Zumindest der Preis für das spaßigste Gimmick dürfte in diesem Jahr an Thees Uhlmann gehen: Seinem zweiten Album, das es...

Thees Uhlmann - #2

















Zumindest der Preis für das spaßigste Gimmick dürfte in diesem Jahr an Thees Uhlmann gehen: Seinem zweiten Album, das es als CD, LP oder Download in insgesamt 7 unterschiedlichen Versionen gibt, liegt in den limitierten Ausgaben ein Rubbellos bei, das feine Gewinne verspricht:
- eine signierte Gitarre
- privates Thees Uhlmann Konzert
- lebenslang freier Eintritt bei Thees Uhlmann Konzerten
- CD Deiner wahl aus dem ghvc-shop.de
- Thees Uhlmann Shirts

Den Titel "Album des Jahres" dürfte "#2" wohl verwehrt bleiben, klingt es doch zu sehr nach einem mittelprächtigen Aufguss von "Thees Uhlmann". Bereits das Cover zeigt deutlich, wie nah sich die beiden Platten stehen. 
Textlich weiß Thees mit Naturbetrachtungen ("Zugvögel") zu langweilen oder mit Anleihen an "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" zu erschüttern ("Ich geb auf mein Licht"). "Die Bomben meiner Stadt machen boom, boom, boom" ist einfach nur doof, doof, doof. Positiv stechen die Single "Am 7. März", die auch noch ein tolles Forerst Gump-artiges Video zu bieten hat, und "Weiße Knöchel" hervor. Im ersten Song werden historische und persönliche Begebenheiten rund um den Geburtstags von Thees' Mutter aneinander gereiht, im zweiten Lied wird die Geschichte eines SPD-Wahlkampfhelfers erzählt.
Musikalisch offeriert "#2" Stadionrock, Power-Pop, gegen Ende auch Balladeskes zur Akustikgitarre, hier einen Sha-la-la-Gesang und dort eine New Wave-Anleihe in einer perfekten, vielleicht fast zu glatten Produktion von Tobias Kuhn.      

Thees Uhlmann als Solokünstler wird in diesem AZ sicher nicht spielen. Den habe ich vielmehr gerade zufällig im ZDF-Morgenmagazin gesehen, mit seiner neuen Single »Am 07. März«: eine Hommage an einen Tag! Und an ein Land? Trotz des Versuchs, dem Ganzen durch inflationäres Rudi-Dutschke-Namedropping linkes Bewusstsein einzuimpfen, heißt es gegen Ende: »Solange es hell wird / Werden alle Menschen Brüder / Das ist es, was ich mag.« Aha, alle Menschen werden Brüder. Das passt in ungeahnter Dimension zu besagtem Vortrag: Dort ging es darum, dass deutschsprachige Popmusik, die nicht mehr sperrig ist und sich qualitativ gar ihren Befreiervorbildern annähert, also nicht mehr scheitert (im Sinne eines Nicht-Erreichens der Vorbilder), per se schlecht sei, da sie unterschlage, dass sie ursprünglich aus einer notwendig-unterwürfigen Position heraus entstanden ist. Der Vortrag war so etwas wie die Befürwortung einer Verkrampfung deutschsprachiger Popmusik, Tomte galten als Beispiel einer Band, die die Verkrampfung dummerweise irgendwann überwunden hatte.
   Der Presse-Info zu Thees Uhlmanns #2 nun ist auf zwei überschwänglichen Papierseiten zu entnehmen, er wäre der deutsche Bruce Springsteen. Und ganz ehrlich: Da ist sie doch wieder, die Verkrampfung – denn mir verkrampft sich alles!
   Musikalisch dicht und solide produziert, dann aber in einem unaufgeregten, müden Sing-Sang vorgetragen und textlich die Destillation einer Schlagersendung (»Ich wäre so gern ein Schaf / Ein Schaf in deiner Herde / Doch es gibt keinen Schäfer / Der über uns wacht«), ist das zweite Soloalbum Thees Uhlmanns so glattgeschliffen, dass fast kein Holz mehr übrig ist. Alle Ecken und Kanten, die Uhlmanns Stimme früher, am Anfang von Tomte, so einprägsam machten und vielleicht angemessen verkrampften, sind einem Abarbeiten an immer wiederkehrenden Melodiemotiven gewichen; das gesamte Vokabular hat eine obskure militärische Färbung und bedient sich einer – nennen wir es: Heimattümelei, schreit unmissverständlich: WIR!
   Vielleicht will Thees Uhlmann das auch genau so und genau dadurch: erfolgreiche Popmusik machen. Aber es ginge genauso erfolgreich, ohne dabei die erarbeitete Eigenständigkeit zu verschenken und: auch ohne solch opportunistische Hinwendungen. Und warum ich mich so aufrege? Nun ja: Eigentlich bin ich ein wenig traurig darüber. 
(SPEX)


An der Motivation scheitert #2 nämlich nicht: Uhlmann erzählt mit Bluesrock-Instrumentarium von Zugvögeln statt von Lachsen, von Kriegen und von Townships, von Genossen am Tresen und Reihenhaussiedlungen, widmet sich der Anatomie des Feuers und eines Datums, gibt Geschichtsstunden, schaut endgültig nach außen statt nach innen, hat sogar einen Springsteen-Moment („ Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht“), den er schon auf seinem Solodebüt so provozierte – und doch hat man sich Tomte und deren gefühlige Gewichtigkeit selten mehr zurückgewünscht. Uhlmann hat einen Haufen Ohrwürmer geschrieben („Weiße Knöchel“, „ Trommlermann“), wie sie gleichzeitig egaler kaum sein könnten. Zwischen Banalem, Heiterem, Intelligentem und stets Selbstbewusstem mäandert somit auch das Gros dieses Albums; Klaviaturen, Orgeln und Tobi Kuhns Produktion (Sportfreunde Stiller, Die Toten Hosen, Tomte) tun ihr Übriges. #2 dürfte Uhlmann selbst sehr gut tun. Seinen Fans nur bedingt.
(Musikexpress)

7 Kommentare:

  1. Mein Rubbellos zeigt "Schade leider nichts gewonnen". Und ich stimme zu: Ein Hauptgewinn ist das Album nicht. Aber auch keine Niete.

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  2. Mir gefällt sie besser als das erste Soloalbum, wobei ich sie auch etwas zu glatt produziert finde. Und ja, die boom boom boom machenden Bomben gehen gar nicht. Komischerweise läuft die LP dennoch jeden Tag 1-2 Mal bei mir.

    Da sie natürlich nicht annähernd an die beiden GROßEN Tomte Alben heranreicht, gebe ich ma

    7 Punkte

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  3. Die Messlatte hängt eindeutig zu hoch! Thees Zweitwerk ist ok, hat einige schöne Songs zu bieten, nimmt mich aber nicht so gefangen wie sein selbstbetiteltes Debut, das bei mir zu Hause wochenlang rauf und runter rotiert ist. "Zugvögel" und "Es brennt" sind schöne Nummern, aber so ein Ding wie "Die Bomben meiner Stadt" hätte nicht sein müssen. In der Hoffnung das das nächste Album besser wird: 6,5 Punkte

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  4. Dem muss ich nichts hinzufügen - außer (in den nächsten Tagen) meine ähnlich bescheidene Wertung.

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  5. Das Album wirkt immerhin "erwachsener" als seine letzten Auftritte. In der Hoffnung, dass er die Pubertät bald hinter sich lässt: 6,5 Punkte

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  6. Mir schwante bereits Übles, als uns "Zugvögel" und "Die Bomben..." im Mai live als neue Song präsentiert wurden...

    6 Punkte

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