Deutschland-Tour
1. Station: Hamburg
Während sich die Tour de France durch Frankreich schlängelt, unternehmen wir hier eine kleine musikalische Rundreise durch Deutschland.
Beginnen wollen wir im hohen Norden: In Hamburg lebt mittlerweile der in Mainz geborene Pascal Finkenauer, dessen selbstbetiteltes Album bereits im April erschienen ist, hier bisher aber nicht erwähnt wurde. Durch die Bars, Clubs und Straßen der Hansestadt zog Finkenauer auch des nächtens und goss seine Erlebnisse und Stimmungen in zwölf düstere, intensive Songs, die mal rockig ("Den Bach runter", "Maschine", "Alles In Rage") daher kommen und Vergleiche zu Interpol, The National oder Joy Division nach sich ziehen, mal eher die ruhigen und akustischen Töne ("Müdigkeit", "Brennende Autos") beanspruchen oder auch abrupt vom einen in den anderen Zustand wechseln können ("Wellen").
Über die Qualität seiner Texte brauche ich wohl keine Worte mehr zu verlieren, statt dessen verweise ich lieber auf "Techno (Gedichte)", den ersten Lyrikband von Finkenauer.
Die legt einen tighten, (be)drückenden & durchweg dunkelblauen Pop-Klangteppich unter das Finkenauersche Vibrato, verzichtet aber meist auf all zu offensichtliche Stolperfallen, die den sich schmerzhaft windenden Texten vorbehalten bleiben. Nicht nur Zeilen wie “In den Venen spült es Ratten” fokussieren das Trauerspiel aus Insomnia, Hoffnung(slosigkeit) und implantiertem Terror. “Den Bach runter” gibt als erste Single schon mal die geschotterte Wegrichtung vor und vieles was folgt, ergeht sich nur zu gerne in der erhabenen Schönheit des Verlusts irgendeines bedeutsamen Faktors.
Wenn dann im Abspann die Hymne “Offen” das scheinbar unvermeidlich drängende “H” am Anfang einfach auslässt und sich breit auf das Sofa fläzt, klingt “Pascal Finkenauer” im Wissen aus, dass wir es hier mit der Offenbarung des Monats zu tun haben. Nur wer es mit dem Blick auf intime Befindlichkeiten nicht so hat, lässt lieber die Finger davon. Wir wollen ja keine Perlen vor den Säuen aufsammeln müssen.
(concert-news)
Denn auch auf "Pascal Finkenauer" bleibt er seinem bisherigen Stil treu. Schon im eröffnenden "Verzerrt" heißt es überzeugend und inbrünstig "Mein Kopf hängt meterhoch über den Straßen / Nichts mehr ist, wie es war / Nur die Angst ist immer noch da, wo sie war" - sie ist nach wie vor tonangebend, diese eindringliche Melancholie. Wie ein roter Faden zieht sie sich durch die zwölf neuen Tracks, die der Mittdreißiger in den vergangenen zwei Jahren getextet und komponiert hat. Wer jedoch Trübseligkeit erwartet, wird vergeblich danach suchen. "Ich bin ziemlich gut beisammen / Und guter Dinge, dass es weiter, weiter geht" trällert er passend zu den knackig einsetzenden Gitarrenklängen von "Im Licht".
Und selbst mit Zeilen wie "Ich weiß noch nicht / Wie es mit mir weitergeht / Wie es sich am Abgrund lebt / Ich bin am Ende / Also tanzt auf dem Rest meiner Reste" im psychedelisch anmutenden "Den Bach runter" versprüht Finkenauer alles andere als Verzweiflung oder Bedrücktheit. Dementsprechend beschwingt und flott geht es anschließend in "Maschine" voran. Diese Stimmungsschwankungen machen hier und da auch vor amtlich zur Sache gehenden Rocknummern wie "Hinter zerrissenen Tüchern" oder "Alles in Rage" nicht Halt. Ein verträumtes "Wellen" lässt plötzlich aus dem Nichts mit knarzendem Gitarrenschrammeln aufhorchen, während "Brennende Autos" kurzzeitig komplett die Fassung verliert. All das sorgt für Abwechslung inmitten der tiefgründigen Ernsthaftigkeit - und ist zusammengenommen alles andere als lachhaft.
(Plattentests)
Außer mir hat es wohl iemand gehört. Und mir gefällt es.
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