Ja, hier kann man wirklich große Augen machen. Die 33-jährige Berlinerin Albertine Sarges veröffentlicht über das britische Indielabel Mosh...

Albertine Sarges - The Sticky Fingers



Ja, hier kann man wirklich große Augen machen. Die 33-jährige Berlinerin Albertine Sarges veröffentlicht über das britische Indielabel Moshi Moshi ihr Debütalbum, dem es irgendwie gelingt, eingängigen Indiepop, Funk & Groove, Spoken Word-artige Texte zu Themen wie feministische Theorie, Bisexualität, Gender-Stereotypen sowie mentale Gesundheit, Querflöten-Exkurse und Vokal-Akrobatik, ihre Begeisterung für den New Wave von The B-52’s bis Talking Heads und unvermittelt einen Song mit deutschem Text unter einen Hut zu bringen. 

The Sticky Fingers“ bietet insgesamt 8 Songs in 36 Minuten und bei dieser stilistischen Vielfalt und dem ständigen Auf und Ab und Richtungswechsel sind der erste („Free Today“) und letzte Song („Roller Coaster“) wahrlich gut gewählt.

Albertine Sarges war jahrelang als Session- und Livemusikerin (u.a. für Kat Frankie) aktiv und Teil des Synthie-Duos Itaca. Den ersten Lockdown nutzte sie (notgedrungen) kreativ, um mit ihrer Begleitband The Sticky Fingers (Bassistin Shanice Ruby Bennett, Schlagzeuger Robert Kretzschmar und Flötistin Lisa Baeyens) ihr erstes Soloalbum aufzunehmen, das ursprünglich im November letzten Jahres hätte erscheinen soll. Jetzt ist es mitten im nächsten Lockdown erschienen, kann aber auch ohne Plattenladenbesuch als Limited Edition Coloured Ultra Blue 12" Vinyl bestellt und nach Hause geliefert werden.


 


Da wäre der Opener "Free today", der mit pumpendem Beat und Spoken-Word-Intro beginnt, dabei dezent jazzige Züge trägt, sich aber im Laufe seiner fünfeinhalb Minuten mehrfach wandelt. Punk und Dance, Soul und Jazz werden hier munter verrührt, Sarges' Stimme steht gravitätisch im Zentrum. Dass es in diesem Track kein klassisches Strophe-Refrain-Schema gibt, muss man eigentlich nicht erwähnen. Sarges' Kompositionen wirken außerhalb der Norm, streifen den Erwartungshorizont in seltenen Momenten, wobei es aber auch gleich super eingängig sein darf. "Post office" klingt wie ein, kein Scheiß, 2020er-Jahre-Update von Alanis Morissette. Weiter entfernt könnten zwei Songs kaum sein. Dazwischen ist so ziemlich alles möglich, was die elaborierte Pop-Musik der letzten drei Dekaden so hergibt. Man denkt an The B-52's, an Peaches, an Parquet Courts, an Bambina. "Stille", der einzige deutschsprachige Song auf dem Album, erinnert ganz besonders an die Letztgenannte, in all seiner Theatralik und stimmlichen Akzentuierung. Und fällt damit irgendwie auch aus dem Rahmen.





2 Kommentare: