Mit dem elften Album (fünf selbst veröffentliche CD-Rs inkludiert) erstmals bei Platten vor Gericht? Den Sleaford Mods gelingt dieses Kunst...

Sleaford Mods - Spare Ribs


Mit dem elften Album (fünf selbst veröffentliche CD-Rs inkludiert) erstmals bei Platten vor Gericht? Den Sleaford Mods gelingt dieses Kunststück, obwohl sie seit 2007 kontinuierlich Platten veröffentlichen und seit „Key Market“ (2015) auch den Weg in die Charts in Großbritannien (#11) und Deutschland (#74) fanden. „English Tapas“ (2017) wiederholte den Erfolg und „Eton Alive“ erreichte letztes Jahr sogar die Top Ten (#9) ihrer Heimat. 

Mit „Spare Ribs“ könnten Jason Williamson und Andrew Fearn nun eine persönliche Bestmarke aufstellen, der veröffentlichungsarme Januar wird dieses Vorhaben sicherlich unterstützen. Rough Trade spendiert der Schallplatte (grünes Vinyl) ein Die Cut-Cover und die Sleaford Mods sich selbst einige Gaststimmen, etwa Amy Taylor (Amyl & The Sniffers) und Billy Nomates. Der von Andrew Fearn konstruierte Elektro-Post-Punk wird im Vergleich zu früheren Werken sanfter und im Tempo häufig gedrosselt, was der Eingängigkeit gut tut und der Eindringlichkeit von Jason Williamsons Spoken Word-Tiraden über soziale und politische Missstände im Vereinigten Königreich zu Corona-Zeiten nicht schadet. 


 


Sprechsänger Williamson und sein beatbastelnder Kollege Andrew Fearn bohren mit ihrer klappernden, meckernden Stakkato-Musik seit über zehn Jahren in der klaffenden Wunde des britischen Elends. Beide kommen aus der Arbeiterklasse von Nottingham und Umgebung, oft versteht man als Nicht-Engländer nur mühsam, was Williamson im heftigem Midlands-Dialekt ins Mikro schimpft, es sind keine offen politischen Slogans, sondern hochgradig britisch kodierte Zustandsbeschreibungen und Assoziationsketten, eine Art Straßenpoesie-Tourette. (…)
Das ist kein neues Thema im britischen Post-Punk. Aber angesichts der prekären politischen Lage ist es vielleicht kein Wunder, dass die in den Achtzigern, in den neoliberal-harten Thatcher-Jahren geprägten Isolations-Sounds – von Joy Division und Wire bis zu PiL, Dub und Techno – in der Klassenkampf-Prosaik der Sleaford Mods ihr bisher wirksamstes Update erfahren. Dreh' dich im Kreis – und tanz den Boris Johnson. 


 


An den elektronischen Details hat Fearn effektvoll geschraubt, das in „Elocution“ könnte eine Melodica sein, der Track „Out There“ kriegt sogar Swing. Und die 43-sekündige Eröffnung „The New Brick“ holpert über ein Analogsynthie-Motiv, aber Williamson pöbelt sich trotzdem in Laune: „And we’re all so Tory tired / And beaten by minds so small“. SPARE RIBS ist der kommentierte Soundtrack zum Hirnriss der Herrschenden, und damit wäre dann doch wieder alles beim Alten.




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