PVG: Volker, „Misplaced Childhood“ gehört zu deinen liebsten Platten. Wo liegt "F.E.A.R." in deiner persönlichen Bestenliste von Marillion?
Volker: Ich bin ganz ehrlich, ich habe da irgendwann den Überblick verloren. Tendenziell war mir Fish aber schon der bevorzugte Sänger. Das Debüt-Album mit Hogarth ist mir wohl aus seiner Ära das Liebste. Ich denke damit würde ich F.E.A.R. irgendwo im Mittelfeld verorten.
PVG: „Clutching At Straws“ (1987) ist das letzte Marillion Album, das ich kenne. Es sollten seitdem noch 14 weitere folgen. Irgendetwas empfehlenswertes dabei?
Volker: Wie oben erwähnt, Seasons End fand ich ziemlich gut, auch besser als Clutching At Straws. Ansonsten kämen mir wohl spontan Brave und Marbles in den Sinn.
PVG: Die letzten Platten von Marillion wurden nur möglich, weil Fans sie vorfinanziert haben. Warst du in die PledgeMusic-Kampagne zu „F.E.A.R.“ involviert? Vielleicht mit der 200 Euro teuren, signierten „Ultimate Edition Presented in a Luxury Box“?
Volker: So weit geht meine eigentlich über die Jahre eh etwas erkaltete Liebe dann doch nicht.
PVG: Andere Alben und Künstler, in die du bereits im Vorfeld Geld gesteckt hast?
Volker: Lass mal überlegen, wer mir da einfällt. The Polyphonic Spree, Tristen, Ian McCulloch waren auf jeden Fall dabei.
PVG: Zurück zu „F.E.A.R.“: 5 Songs in 66 Minuten - was ist denn da schief gelaufen?
Volker: Wie magst du keine langen Songs? Dann empfehle ich doch direkt hinterher das neue Album der Neal Morse Band. Aber du hast schon Recht, für solch lange Lieder muss man sich schon sehr anstrengen, um die Spannung hoch zu halten. Ein usm andere Mal gelingt das hier, manchmal nicht. Andererseits war Misplaced Childhood ja irgendwie auch nur 1 Track (Ok auf Vinyl 2) und funktioniert auch heute noch grandios.
PVG: Am Ende des 19-minütigen „The Leavers“ gibt es ein Gitarrensolo, dass mich an Marillion denken lässt, so wie ich sie kenne. Die Stimme von Fish hat sich aber ziemlich verändert…
Volker: Mich wundert natürlich, dass du dich an Marillion überhaupt noch erinnerst in unserem hohen Alter und nach einer totalen Abkehr von solcher Musik deinerseits vor jetzt auch schon fast drei Jahrzehnten. Für mich bleibt Fish wie gesagt das Non Plus Ultra, allein weil seine Stimme einen dermaßen hohen Wiedererkennungswert hatte. Den höre ich bei Hogarth nicht.
PVG: Was, Fish ist nicht mehr bei Marillion?!?
(Schweigen)
PVG: Nun gut, „F.E.A.R“ steht für „Fuck Everyone And Run“, eine Textzeile aus „The New Kings" - gibt es gute Gründe vor dem Album nicht davon zu laufen? Schließlich lautet ein Kommentar der Band: „Es könnte sein, dass man sich bei FEAR als einen dieser Marillion-
Meilensteine erinnert, so wie Misplaced Childhood ein Meilenstein ist oder Brave. Oder auch Marbles."
Volker: Jetzt empfehle ich oben Brave und Marbles, und nun kommst du selbst damit um die Ecke.
PVG: Das sagt doch die Band selbst.
Volker: Misplaced Childhood war für mich ein Meilenstein, auch Script For A Jesters Tear. Diesen Status werden die neuen Werke nicht erreichen. Müssen sie aber auch nicht, das tun die wenigsten Alben dieser Tage, wenn überhaupt. Mir ist nämlich erst kürzlich wieder aufgefallen, wie viel tiefer emotional verwurzelt die Musik aus den 80ern und frühen 90ern bei mir ist. Also die Zeit, zu der alles noch neu war, jede Party ein Ereignis, jede unerwiderte Liebe ein Untergang, jedes Sitzenbleiben eines Freundes der Sommerferienkiller. Also so zwischen 13-23 Jahren. So sehr mich Musik auch heute noch begeistern kann, und so sehr ich mir ältere Musik "erarbeite", diesen Level von damals erreicht sie nicht mehr.
PVG: Und ich dachte schon, du schließt jetzt mit „F.E.A.R.“ steht für „Fucking Epic Ageless Record“.
Volker: Nein, aber das macht sie nicht schlecht, ganz im Gegenteil. Man muss sich halt mal auf die Strukturen einlassen. Den Progressive Part werde ich euch dieser Tage aber wohl nicht mehr schmackhaft machen?!
PVG: Sigur Rós zählen da nicht? Hast du schon vom 23. - 27.03.2017 frei genommen?
Volker: Du kennst doch meinen Terminkalender, nie Zeit. Im Ernst, was ist da?
PVG: Dann findet in den CenterParcs Port Zélande in den Niederlanden eine Marillion Convention statt. Eine Marillion Convention! Sachen gibt es! Tagsüber Tretbootfahrten und Paintball mit Frau und Kindern, abends Marillion Konzerte, zwischendurch vielleicht Boule mit der Band.
Volker: Wenn es dann zur großen Wiedervereinigung aller Marillion-Teile kommt, wäre ich sofort da. Fish stand ja durchaus schon mal wieder bei einem Konzert kurz mit auf der Bühne. Allerdings macht das glaube ich seine Stimme nicht mehr mit. Those were the days.
Den ewigen 'Meiner ist am längsten'-Vergleich des Prog-Rock startet die Band mit dem Opener "El Dorado", der satte siebzehn Minuten ohne herausstechende Merkmale monoton voran robbt. Uninspiriert kleben sie dafür ein bisschen Pink Floyd ("The Gold") mit ihren abgenutzten Trademarks aneinander. Dabei vergessen Marillion, dem Song eine langsam aufkeimende Idee einzupflanzen, und bleiben beim drögen Stückwerk.
In dieser Welt, in der Minuten mehr als Kreativität zählen, setzen Marillion mit "The Leavers" noch einen drauf. Zwanzig Minuten, in denen Hogarth ohne neue Eingebung noch einmal "Montréal" vom Vorgänger aufkocht und dieses nur noch um die "The Remainers"-Perspektive ergänzt. Zwanzig austauschbare Minuten, deren Fragmenten es egal ist, in welchem Track sie unterkommen.
Zwischen all diesem substanzlosen Bombast wirken die auf das Wesentliche konzentrierten "White Paper" und das arg am Coldplay-Sound angelegte "Living In F.E.A.R." (Living In Fuck Everyone And Run?) regelrecht erlösend. Doch rechtzeitig zum ausufernden "The New Kings" packen sie die rechthaberische Kapitalismuskritik-Keule aus. Wie das Kind, mit dem niemand spielen mag, mahnt Hogarth mit erhobenen Zeigefinger. Gleich zu Beginn versucht er sich an einer misslungenen Thom Yorke-Imitation. Wie so oft stechen einzig Rotherys überschwängliche und viel zu kurz kommende Soli aus diesem Schwulst positiv heraus.
"F E A R" verfügt über die staubige Ausstrahlung einer Steuererklärung. Marillion schreiben ihre Musik nicht, sie verbuchen sie. Anstatt dabei moderne Technik zu nutzen, greifen sie weiterhin auf manuelle Kontenblätter zurück. So verkommen sie endgültig zu den Ellbogenflicken tragenden Buchhaltern des Prog-Rock.
(Laut)
Fucking Excellent Album Review
AntwortenLöschenDie Laut Kritik hätte es nicht gebraucht, die ist nämlich mies geschrieben, von jemandem der gar keinen Bezug zur Musik hat. Da gibt es durchaus Differenziertere. Hier z.B.
AntwortenLöschenhttp://www.plattentests.de/rezi.php?show=13514
oder hier (ist zwar eine "Prog-Seite", aber dennoch kritische und euphorische Kritik nebeneinander)
http://www.babyblaue-seiten.de/album_16014.html
6,5 Punkte. (Gut)
AntwortenLöschenDurchaus
AntwortenLöschen7
Stimmt das wirklich, also das mit Fish? 5,5 Punkte
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