Wenn der 41-jährige Guy Garvey nach sechs Alben mit seiner Band Elbow ein erstes Soloalbum veröffentlicht, dann ...

Guy Garvey - Courting The Squall
























Wenn der 41-jährige Guy Garvey nach sechs Alben mit seiner Band Elbow ein erstes Soloalbum veröffentlicht, dann darf man sich darauf einstellen, dass sich dessen zehn Songs zwar im Elbow-Kosmos bewegen, aber eben auch dessen äußerte Randzonen erreichen. Das knarzige, funky "Angela's Eyes", das als erste Single ausgewählt wurde oder das mit jazzigen Bläsern und vertrackten Rhythmen durchzogene "Harder Edges" seien hier exemplarisch genannt. 
Gurvey hat "Courting The Squall" im Alleingang aufgenommen und sich befreundete Musiker, wie Pete Jobson (I Am Kloot), Nathan Sudders (The Whip), Ben Christophers oder Alex Reeves, ins Studio eingeladen, so dass sich Instrumentierung und Arrangements gelegentlich von den Elbow-Standards unterscheiden. Während "Electricity" sogar als Duett mit der amerikanischen Sängerin Jolie Holland, das in eine Lounge oder einen Nachtclub gehört, überrascht, lässt der Big Band-Ausflug "Belly Of The Whale" an Peter Gabriels "Big Time" denken, also an den Song, der auf "So" schon immer störte.         

Natürlich werden Fans von Elbow bei "Courting The Squall" nicht verschreckt und Lieder wie der Titelsong, "Unwind" oder "Three Bells" würden sich ohne Schwierigkeiten auch auf jedem Album von Garveys Band integrieren lassen. Die vielen, ganz großen Momente, die "The Take Off And Landing Of Everything" bei uns im letzten Jahr zur Platte des Jahres werden ließen, bleibt Guy Garveys Solodebüt jedoch schuldig. 


Musikalisch schickt der Brite uns auf eine kurzweilige Irrfahrt. Sie trägt den Namen "Angela's eyes", ist erste Single der Platte und feuert schräge Salven kruder Synthies ab. Die Chance, so etwas auf einer Elbow-Platte zu hören, tendieren gegen Null. Gleiches gilt für die angesengte Bläser-Adaption von George Michaels "Careless whisper" in "Belly of the whale". Man wäre aber wohl auch nicht in den Genuss eines Duetts mit Jolie Holland gekommen. Ihr gemeinsames, schummriges Jazz-Stück "Electricity" kommt leider zu spät für die Score-Gestaltung von "Boardwalk empire". "Courting the squall" bietet wenig herausfordernde Momente für den Hörer, was sich vernichtender anhört, als es in diesem Fall ist. Er muss sich angesichts von Stücken wie "Unwind" oder "Broken bottles and chandeliers" nicht fragen, ob er das zweite Ich des Guy Garvey mag. Denn es unterscheidet sich nicht elementar von seiner Rolle in der Band. Etwas weniger hymnenhaft, ja, aber nicht weniger einnehmend. Mit Elbow als Standard wirkt sein kalkulierbares Risiko ohnehin nur wie die Frage nach einem 15 oder 18 Jahre alten Glenmorangie-Whisky.
"Come grab a sleep on my floor, no more courting the squall." Rachael Gladwins Harfentöne wickeln sich um den TripHop-Beat des umwerfenden Titelstücks und den Hals des sanft gurgelnden Sängers. Während "Three bells" nur aus Bass und synthetischen Schimären besteht, ertönt im Background von "Yesterday" ein Mark-Lanegan-Mime. Vordergründig übermitteln die beherzt bespielten Pianotasten nahezu ungefiltert jeden Millimeter des Aufnahmeraumes, als sei das als Drohne verkleidete Ohr in die Szenerie geschleust worden. In "Harder edges" kulminieren unter dieser Vorgabe Jazz-Rhythmen, eine angefunkte Brass-Sektion und die Geister von Peter Gabriel und David Bowie. "Your voice has an easy melody, and I'm gently awake from a terrible dream", sagt Garvey und meint selbstredend nicht sich selbst. Wir schon.
(Plattentests)




COURTING THE SQUALL klingt, um’s kurz und schmerzlos zu machen, wie ein weiteres Album von Elbow. Die haben seit THE SELDOM SEEN KID immer mehr von ihren ohnehin dezenten Rockismen verabschiedet, THE TAKE OFF AN LANDING OF EVERYTHING (2014) war ein sanftes Ebben und Fluten. Hier macht Garvey nun alleine weiter, auch wenn die Single „Angela’s Eyes“ einen schrägeren Einstieg und Ansatz wählt. Zu rumpeligem Bass (Nathan Sudders von The Whip) gesellen sich eckige E-Gitarren (Pete Jobson von I Am Kloot), Garvey singt von seitwärts rein. Die Sache eskaliert zu einem besseren Bond-Song, bevor sie von ELP-Gedächtnis-Keyboardklingen („Common Man“) zerhackt wird. Sehr fein und wagemutig.
Die übrigen Titel bleiben weitgehend im gewohnten Fahrwasser der jüngeren Elbow, die von Freunden der älteren Elbow mit einer gewissen Skepsis als badewannenwasserwarm empfunden werden. Mit weit mäandernen Melodiebögen, die doch kein größeres Gebäude stützen und den Hörer mit dem Gefühl hinterlassen, herzlich geknuddelt worden zu sein. Anders als bei Elbow aber überwiegt hier der Eindruck, einer Session beizuwohnen, auch wenn Bläser zum Einsatz kommen und die ganze Produktion hin und wieder ins verrauchte Territorium eines verschlafenen Jazz rutscht. Atmosphäre ist alles, und Charakterkopf Garvey kann sie füllen. Keine Killer hier, kein „Leaders Of The Free World“, aber doch allesamt Füller von höchster Qualität und Opulenz.
(musikexpress)




Guy Garvey hat neun Konzerte angekündigt, eines davon in Deutschland:
28.11.15 Berlin, Postbahnhof

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