Der FC Ingolstadt spielt mittlerweile in der Fußball Bundesliga, Slut kamen mit ihren letzten drei Alben in die deutschen Top 50 und mehr und mehr Bands tauchen nach vielen Jahren der Stille wieder aus der Versenkung auf und erfreuen die Fan-Herzen. Die Zeichen stehen also gut für Pelzig, ein Quartett aus Ingolstadt, das mit Rainer Schaller (Gitarre) und René Arbeithuber (Schlagzeug) zu 50% aus Slut-Mitgliedern besteht, und vor 11 Jahren mit "Safe In Its Place" sein letztes Album veröffentlicht hatte.
Sänger Christian Schulmeyer und Bassist Christian Schaller komplettieren die Band, die sich diese Woche mit "Medium Cool World" zurück meldet. Vorab gab es bereits den Song "Battles" zu hören, der den letzten beiden Alben von Interpol gut gestanden hätte. Auch die restlichen 9 Songs können dem gitarrigen Alternative Rock zugeschrieben werden, der mal nach dem ruppig-wilden oder sprechsingenden, exklamierenden Iggy Pop ("Style Kills All", "Stuck In") klingt und das ein oder andere Mal an Slut denken lässt ("No Routine Night").
Den Titelsongs weist man ja häufig eine besondere Stellung zu und muss ihnen dabei auch häufig Wirrungen und Fehlgriffe attestieren. Auf das elektronisch-monotone "Medium Cool World", den längsten Song der Platte, trifft dies leider zu. Beim sich fulminant steigernden "All Signals Off", dem zweiten "völlig anderen" Song, machen Pelzig jedoch alles richtig und platzieren es auch passend an den Schluss ihres fünften Albums.
Mit dem designierten Albumtitel des Jahres und der Routine von 20 Jahren Bandbestehen im Rücken legt "Style kills all" los, als wäre das letzte Album keine elf Monate alt. Und doch wird sogleich deutlich, dass die von Gitarrist Rainer Schaller produzierten Songs dieses Mal nicht mit drahtiger Reduziertheit punkten werden. Vom ersten Moment an wirkt das Songmaterial verspielt und durchdacht, ohne dabei allerdings Gedanken an das unschöne Wort "verkopft" zu evozieren. Im Gegenteil. Obwohl man sehr wohl merkt, dass mehr als einmal nachgedacht wurde, bevor diese zehn Songs aufgenommen wurden, haben sie fast immer den Sinn für Melodie auf ihrer Seite.
Ob es nun der Opener, der schwungvolle Beinahe-Hit "Battles" oder das breit anrollende "Stuck in" sein soll: Vergessen wird man diese Kompositionen so schnell nicht. Und trotzdem geht die Mischung aus domestizierten Rocksongs und verästelten Elektronika zumeist direkt ins Ohr. Bis auf wenige Ausnahmen. Womit vor allem "My medium cool world" gemeint ist, das mit seinem kratzbürstig-verplanten Elektro-Gewand so gar nicht zu den restlichen Songs passen will. Und damit nicht nur zum Stolperstein im Verlauf der Platte wird, sondern auch beim x-ten Versuch einfach nur tierisch nervt. Da tut es gut, dass "Safe route" wieder die zuvor eingeschlagene Route aufnimmt. Und dass "All signals off" zu guter Letzt den unbedingten Wunsch aufkommen lässt, dass bis zum nächten Album nicht wieder elf Jahre ins Land ziehen.
(Plattentests)
es ist nicht wirklich ermutigend, wie christian schulmeyr da über die distanz von zehn stücken den instabilen zustand aus zweifel, leere, einsamkeit und andauerndem unverständnis beschreibt, immer mit einer stimme zwischen vorsichtigem gesang und leicht verfremdetem, schneidendem rezitativ: „ain’t got no home, no we ain’t got no place, we are on random but flowers and ruins are left in the cage. we try to keep it and hold it, but our dreams are just locked in a case.“
dazu gibt es mal hymnische, raue gitarren und fette drums, an anderer stelle teilen sich irrlichternde soundschleifen und rumpelnde, schleppende beats die kulisse, bis plötzlich bei »safe route« eine anmutige, fast luftige sythie-melodie jäh die alles überlagernde schwermut durchbricht. vielleicht liegt das geheimnis ihres erfolges ja in der fähigkeit, neben dieser ausgeklügelten balance aus zarter, fein verwobener textur und kantigem lärm auch die überraschung zuzulassen, die unerwarteten töne zu wählen. gelingen tut ihnen jedenfalls beides, sie bauen ein traumhaftes, himmelhohes gebilde und reißen es hernach mit »trasher« wieder ein.
versöhnliches dennoch zum abschied, »all signals off« ist eines dieser stücke, die länger als andere in erinnerung bleiben werden – das echolot funkt in die kalte, schwarze ungewissheit, doch die hoffnung bleibt: „whatever you tell, it’s always your story, whatever you tell, it’s always you, and i embrace all desires, let me in…“ man sollte so etwas ja nicht allzu häufig sagen, aber viel besser als auf diese platte hätten es pelzig wohl nicht machen können.
(oh fancy)
Pelzig live:
21.01.16 München, Milla
22.01.16 Nürnberg, Z-Bau
23.01.16 Augsburg, Soho Stage
26.01.16 Hamburg, Hafenklang
27.01.16 Berlin, Monarch
28.01.16 Münster, Gleis 22
7,5 Punkte
AntwortenLöschenWie Interpol in Rock. 8,5 Punkte
AntwortenLöschenObwohl mir die "Neben-Band" besser gefällt, komme ich hier auf knappe 7 Punkte.
AntwortenLöschenBisschen viel Interpol, geht aber in Ordnung: 7 Punkte
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